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Tricky Telekom
Mit Gerichtsprozessen und Gebühren versucht Telekom-Chef Ron Sommer, seine Konkurrenten zu behindern.
Aus: Der Spiegel 2/1998, 5. Januar 1998, Seite 68 (Wirtschaft).Seit Monaten hatte sich Elmar Hülsmann auf den Jahreswechsel vorbereitet. Immer wieder ließ der Vertriebschef der Frankfurter Telefonfirma Arcor die technischen Abläufe überprüfen. Das Tarifsystem wurde festgelegt, die Werbung gebucht. Alles lief nach Plan.
Der Wettbewerb gegen die Deutsche Telekom, die zum Jahreswechsel ihr Monopol beim Telefonieren aufgeben mußte, sollte kraftvoll beginnen. Und der Mannesmann-Ableger Arcor wollte als einer der ersten neuen Anbieter von Anfang an dabeisein. Dann landete am 19. Dezember ein Schreiben der Telekom auf Hülsmanns Schreibtisch, das die ganze Firma in helle Aufregung versetzte: Auf einem lapidaren Formblatt teilte der Ex-Monopolist aus Bonn mit, daß er eine Gebühr von 95 Mark berechnen werde, wenn Kunden "eine dauerhafte Voreinstellung auf einen anderen Verbindungsnetzbetreiber" wünschten.
Mit einem Schlag geriet die Kalkulation der Arcor-Mannschaft ins Wanken. Wie werden die Kunden reagieren, wenn sie eine Strafgebühr für den Wechsel bezahlen müssen? Eilig beschlossen die Manager, Beschwerde gegen den "klaren Wettbewerbsverstoß" (Hülsmann) einzulegen. Doch es war bereits zu spät. Noch vor dem Jahreswechsel machte die geplante Gebühr die Runde, und vergangene Woche wurde noch eine weitere Zwangsabgabe publik: 53 Mark sollen die Kunden zahlen, die sich demnächst völlig bei der Telekom abmelden, aber ihre alte Rufnummer behalten wollen. "Telefon: Runter mit der Ablöse", schlagzeilte "Bild" am vergangenen Sonnabend.
In der Telefonzentrale von Arcor und bei anderen neuen Anbietern liefen die Telefone heiß. Besorgt fragten Zigtausende von Interessenten: Muß ich jetzt erst eine Gebühr bezahlen, wenn ich bei der Telekom kündige? Ist das Geld etwa jeden Monat fällig? Seit vergangener Woche herrscht erstmals freier Wettbewerb auf dem Telefonmarkt in Deutschland. Fast 50 Firmen sind bereits angetreten, um demnächst der Staatsfirma die Kunden abzujagen. Weitere Telefonfirmen wollen hinzukommen. Doch statt um die Kunden mit günstigen Preisen und besserem Service zu kämpfen, versucht die Telekom erst einmal, die neuen Konkurrenten mit taktischen Tricks und juristischen Schritten abzublocken. "Das ist ein unglaublicher Versuch des Machtmißbrauchs der Telekom", schimpft Ulf Bohla, Chef der Telefonfirma Otelo. Auch Manuel Kiper, Postexperte der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, ist überzeugt: "Die Telekom nutzt schamlos ihre ehemalige Rolle als Monopolist aus."
Der Vorstoß des Bonner Telefonriesen, der die wechselwilligen Kunden vergangene Woche verunsicherte, war geschickt eingefädelt. Monatelang hatten die Herausforderer mit der Truppe von Telekom-Chef Ron Sommer über alle möglichen technischen Details verhandelt, nur nicht über eine Gebühr für den Kundenwechsel. "Davon war nie die Rede gewesen", empört sich Hans Gäng von der Stuttgarter Telefonfirma CNS. Erst im Dezember waren die Telekom- Unterhändler vage auf eine solche Gebühr zu sprechen gekommen. Die Herausforderer reagierten erschreckt. Bei zwei Schlichtungsgesprächen am 10. und am 16. Dezember im Bonner Postministerium machten die Beamten zwar klar, daß die Telekom grundsätzlich eine Bearbeitungsgebühr für das Umschalten des Telefonanschlusses erheben darf sie legten aber keinen Preis fest. Die Newcomer stimmten zu, denn sie gingen davon aus, daß die Gebühr, ähnlich wie in den USA, deutlich unter zehn Mark liegen würde (siehe Tabelle). "Damit", sagt Otelo-Chef Bohla, "hätte man leben können."
Teurer Wechsel
Einmalige Gebühr bei Preselect-Verfahren *GROSSBRITANNIEN USA DEUTSCHLAND gebührenfrei 5 Dollar 95 Mark geplant * Automatische Vermittlung von Ferngesprächen zu einer anderen Telefongesellschaft. Es ist nicht das erste Mal, daß Telekom-Chef Sommer versucht, mit Maximalforderungen die Konkurrenz einzuschüchtern. Auch beim Streit um die sogenannte Interconnection-Gebühr, die alle Herausforderer für die Mitbenutzung der Telekom-Leitungen zahlen müssen, wollte der Firmenchef zulangen. Die Kosten der Neulinge sollen kräftig steigen. Erst ein Entscheid des damaligen Postministers Wolfgang Bötsch zwang die Staatsfirma, international übliche Preise zu berechnen. Doch weil Sommer dagegen vor Gericht zog, sind die Verbindungspreise bis heute eine Unbekannte in den Kalkulationen der Neulinge. Auch bei kleineren Anlässen bemüht die Telekom gern die Gerichte. Vor allem die Werbeaktionen der Konkurrenz werden von den Konzernjuristen argwöhnisch beobachtet. So erwirkte die Telekom noch am Tag vor Silvester eine einstweilige Verfügung gegen die Firma Talkline. Sämtliche Anzeigen und Broschüren der Elmshorner Firma, die nach eigenen Angaben schon 50.000 Kunden dazugewonnen hat, müssen neu gedruckt oder zumindest mit geschwärzten Texten veröffentlicht werden.
Die privaten Konkurrenten setzen nun alle Hoffnungen auf die neue Bonner Regulierungsbehörde, die das Gegeneinander der Konkurrenten beaufsichtigen soll. Die umstrittene Zwangsgebühr, so die Forderung der Privaten, dürfe in der jetzigen Höhe auf keinen Fall genehmigt werden. Maximal zehn Mark halten sie für gerechtfertigt. Noch will sich Behördenchef Klaus-Dieter Scheurle bei seiner ersten Amtshandlung nicht endgültig festlegen. Doch das erste Signal des Bonner Oberregulierers weckt bei den privaten Telefonfirmen große Hoffnungen. Verunsicherten Verbrauchern riet Scheurle, eventuelle Rechnungen vorerst auf keinen Fall zu bezahlen. Denn eines zumindest sei für ihn klar: "Eine Bestrafung der Kunden darf es nicht geben."
Probleme mit Zählimpulsen
Aus: Spiegel Online 6. Januar 1998 (nur elektronisch publiziert).BONN. (...) Unterdessen gibt es bei einer Reihe von Telefonkunden Probleme und Verunsicherung bei der Gebührenabrechnung. Weil die neuen privaten Anbieter keinen Zählimpuls für die Gebührenzähler der Telekom aussenden, fürchten zum Beispiel Hotels, sie könnten auf den Telefonkosten ihrer Gäste sitzen bleiben. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in Bonn wies am Dienstag ausdrücklich darauf hin, daß die Gebührenzähler von Hotels nicht mitlaufen, wenn der Gast von der Direktwahlanlage seines Zimmers aus ein anderes Telefonnetz als das des vom Hotel eingestellten Betreibers anwähle. Gastbetriebe könnten sich aber dadurch schützen, daß sie alle mit 010 beginnenden Rufnummern sperren ließen.
Das technische Problem zwischen Telekom und der neuen Konkurrenz macht insbesondere Betreibern großer Telefonanlagen zu schaffen, wie auch der Landesregierung in Kiel. Wenn jemand aus der Telefonanlage des Landes einen privaten Betreiber anwähle, würden keine Impulse gesendet, hieß es dort. Die Kosten würden deshalb auf der Rechnung im Block der Zentralnummer zugeordnet, nicht aber dem jeweiligen Einzelanschluß. Insgesamt geht es um etwa 3.500 Einzelanschlüsse in Regierung, Landtag und anderen Landesbehörden.
Ein Sprecher der privaten MobilCom AG in Schleswig warf der Telekom vor, sie lege ihrer Konkurrenz damit Steine in den Weg. Dies bezeichnete ein Sprecher der Telekom als "Unsinn". Bei Gesprächen mit den Wettbewerbern im Arbeitskreis der Signalisierung sei deutlich geworden, daß es nicht möglich sei, netzübergreifende Gebührenimpulse zu geben. Inzwischen sei eine Kommission eingerichtet worden, die zum Ziel hat, dieses in der Zukunft zu ermöglichen. Alle Kunden seien im übrigen darüber informiert worden, daß es Zählimpulse nur bei der Telekom gebe. Sie seien auch auf die Möglichkeit hingewiesen worden, 010-Rufnummern auf ihrem Anschluß sperren zu lassen.
Kauft AT&T den Internet-Anbieter @Home?
Aus: Spiegel Online 9. Januar 1998 (nur elektronisch publiziert).Einen neuen Anlauf, seine Lage beim Online-Geschäft zu verbessern, unternahm der US-Telefonriese AT&T mit dem Kauf einer Lokal- Telefongesellschaft. Branchenkenner spekulieren über weitere Übernahmen. Vordergründig geht es bei der Übernahme von Teleport Communications Group (TCG) für 11,3 Milliarden Dollar, bezahlt in Form eines steuerfreien Aktientausches, um die Verbesserung der Markstellung von AT&T beim lokalen Telefongeschäft. TCG seinerseits hat mit dem Internet- Service @Home Network ein Fünfjahres- Strategie- Abkommen getroffen. @Home ermöglicht vor allem Geschäftskunden einen Hochgeschwindigkeitszugang. Die beiden Firmen bieten eine Plattform für den Netzzugang für professionelle Nutzer an. Vor einem Monat machten Gerüchte von einer Eine-Milliarde-Dollar-Investition von AT&T bei @Home die Runde.
Der Telefonriese ist auf dem lukrativen Online-Markt eher schwach vertreten. Sein Dienst WorldNet liegt mit einer Million Abonnenten weit hinter America Online oder Microsoft Network zurück. Bei den Geschäftskunden drohen weitaus kleinere, aber wesentlich schneller wachsende Firmen wie WorldCom AT&T abzuhängen. Von der Zusammenarbeit mit @Home profitieren beide: @Home bringt Erfahrung beim Installieren des Netzzugangs sowie einen Kundenstamm von bislang 200 Firmen und Aufträgen von hundert weiteren ein, AT&T seine Kenntnisse beim Marketing und das gut entwickelte Vertriebsnetz. @Home-Sprecher Matt Wolfrom mochte die Beziehung zu AT&T dennoch nicht kommentieren: "Es gibt viele Spekulationen darüber, daß die Übernahme von TCG durch AT&T @Home und AT&T immer näher zusammenwachsen läßt, aber Spekulationen nützen niemandem."
TCG gehörte bisher zu zwei Dritteln den Kabelfernsehriesen TCI, Comcast und Cox, TCI hält außerdem 72 Prozent der Stimmrechte bei @Home. "Zugang via Kabel könnte die Alternative beim Internet werden, weil Informationen hier viel schneller fließen können, und AT&T haben das begriffen [Ed: die Deutsche Telekom noch nicht]", kommentierte der Marktanalyst Brian Eisenbarth die Verflechtung des Telefonriesen mit den Kabelgiganten. Auch Microsoft setzt auf diese Entwicklung und investierte kräftig in Kabelgesellschaften, so zum Beispiel kürzlich eine Milliarde Dollar in Comcast. Offen ist noch, unter welchen Modalitäten die Kabelgesellschaften TCG in Zukunft Kapazitäten zur Verfügung stellen. [High-Speed Internet via TV-Kabelnetz]
Innenministerium fordert Zugriff auf Provider-Bestandsdaten
Dem Verfassungsschutz soll ermöglicht werden, Urheber von verfassungsfeindlichen Inhalten im Internet zu identifizieren.
Aus: Spiegel Online 20. Januar 1998 (nur elektronisch publiziert).Internetprovider sollen künftig den Verfassungsschutzbehörden Zugriff auf ihre Bestandsdaten gewähren müssen. Dies fordert in einem ministeriumsinternen Argumentationspapier der Leiter der Abteilung Innere Sicherheit im Bonner Innenministerium, Reinhard Rupprecht. Begründung: Die Behörden wollen Homepages und E-Mail-Adressen per Datenabgleich eindeutig identifizieren können.
Da der Verfassungsschutz bei Internet-Angeboten mit verfassungswidrigem Inhalt nicht wie Polizei oder Staatsanwaltschaft die Auskunft mit Hilfe der Strafprozeßordnung bekommen oder beschlagnahmen könne, brauche er ein gesondertes Zugriffsrecht, heißt es in dem Papier. Das Teledienste- Datenschutzgesetz (TDDSG), das die Datenschutzvorschriften für die Diensteanbieter enthält, will man entsprechend anpassen. Das Gesetz war erst im August vergangenen Jahres als Teil des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes in Kraft getreten. Ein zunächst vorgeschlagener Absatz, der genau die von Rupprecht geforderten Zugriffsrechte der Sicherheitsbehörden enthielt, war im parlamentarischen Verfahren wieder gestrichen worden.
Ein Zugriff sei "für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden von erheblicher Bedeutung", so Rupprecht. Auf Homepages im Internet finde man inzwischen "politisch extremistische konzeptionelle Texte" und "Verkaufsofferten für Propagandamaterialien" ebenso wie "detaillierte und umfangreiche technische Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen und zum Bau von Bomben". Die Verantwortlichen könnten jedoch meist nicht belangt werden, da zahlreiche Homepages keine näheren Rückschlüsse auf die Identität des Betreibers zuließen die Verwendung von Phantasienamen und Pseudonymen nehme zu, klagen die Staatsschützer. Für die Identifikation der Verantwortlichen sei daher ein Zugriff auf die Provider-Bestandsdaten erforderlich. Nutzer, die aus der Anonymität heraus bzw. unter Pseudonymen gegen die verfassungsgemäße Ordnung agitieren, seien gegenüber dem staatlichen Aufklärungsinteresse "nicht schützenswert", heißt es in dem Papier.
Rupprecht versichert, mit der neuen Regelung für private Telediensteanbieter werde den Behörden kein grundsätzlich neues Eingriffsrecht eingeräumt. Vor der Privatisierung des Telekommunikationsmarktes habe die Deutsche Bundespost auf dem Wege der Amtshilfe einen ähnlichen Zugriff ermöglicht. Daher handele es sich nun allein "um einen juristischen Anpassungsprozeß". Datenschutzrechtliche Bedenken könnten durch entsprechende Verfahrensregelungen ausgeräumt werden, die Regelung sollte daher "sachgerechterweise" im Teledienste-Datenschutzgesetz (TDDSG) erfolgen. Beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz wurde der Vorschlag aus dem Bundesinnenministerium jedoch rundweg zurückgewiesen. Die "eindeutige Position" sei, daß eine solche Auskunftsverpflichtung für den Verfassungsschutz etwas sei, "das wir in unserer Rechtsordnung bisher nicht hatten".
Nach Ansicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss ist nichts dagegen einzuwenden, daß man sich bemüht, "Verfassungsfeinden im Internet die Möglichkeit zu nehmen, im Schutze einer 'anonymen' E-Mail-Adresse demokratiefeindliche Aktivitäten zu entfalten". Tauss befürchtet allerdings, daß der Zugriff des Verfassungsschutzes über eine obligatorische Standleitung zur Regulierungsbehörde realisiert werden soll. Ein ähnliches System mußten bereits Telekommunikations- und Mobilfunkbetreiber nach Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes (TKG) installieren. Das Problem bestünde dann in dem erheblichen finanziellen Aufwand, der mit der Maßnahme verbunden sei. Für viele kleine und mittelständische Internetprovider sei dies "ganz sicher das wirtschaftliche Aus".
Auch der forschungspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Manuel Kiper, kritisierte vor allem die möglichen ökonomischen Nebenwirkungen: "Dem Ministerium ist es in seiner Überwachungswut offensichtlich egal, wie kleine Mailboxbetreiber die Kosten für die Einrichtungen zum Datenabruf auftreiben sollen." Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hingegen versicherte, daß technische Schnittstellen mit Standleitung nicht anvisiert seien. Dem Ministerium gehe es lediglich um eine "eindeutige Identifizierung" der Nutzer. Alles weitere werde in der politischen Diskussion entschieden.
15.2.1998 (t-off). Siehe auch SPIEGEL 8/1998, 16. Februar 1998, Seite 2224: "Höllenhund" fürs Internet Geheime Botschaften im Netz. Bundesinnenminister Kanther plant nun auch den Lauschangriff aufs Internet. Damit Fahnder den zunehmend codierten Datenaustausch im weltweiten Netz kontrollieren können, soll für sie ein Nachschlüssel bereitgehalten werden. Der erste Schritt zu einer staatlich kontrollierten Verschlüsselungs- elektronik ist der Chip "Pluto", den Kanther vom Münchner Unternehmen Siemens entwickeln läßt. Datenschützer fürchten, daß der Staat mit Pluto jede vertrauliche Kommunikation der Bürger im Netz unter seine Kontrolle bringen kann. Die Wirtschaft, auf geheimen Datenaustausch angewiesen, ist verunsichert. FDP-Politiker Lambsdorff warnt, mit staatlicher Schnüffelei könnten die Erfolge des globalen Marktes "zunichte gemacht" werden. [mehr]
Telekom prüft Ende der kostenlosen Telefonseelsorge
Aus: Spiegel Online 20. Januar 1998 (nur elektronisch publiziert).BONN. Angesichts des bevorstehenden Wechsels der beiden großen Kirchen in Deutschland zu einem anderen Telefonanbieter denkt die Telekom darüber nach, ihre Finanzierung der Telefonseelsorge einzustellen. "Wir prüfen unsere Verträge", sagte ein Telekom-Sprecher am Dienstag in Bonn [Ed: nichtbedenkend, daß die Telekom dann ein Problem hätte]. Die evangelische und die katholische Kirche wollen am Mittwoch Einzelheiten eines Rahmenvertrags mit dem neuen Telefonunternehmen Otelo bekanntgeben.
Für die Telefonseelsorge hatte die Telekom den beiden großen Kirchen im vergangenen Jahr kostenlose 0800- Rufnummern zur Verfügung gestellt. Die Gesprächsgebühren von rund fünf Millionen Mark im Jahr übernimmt bisher das Unternehmen. "Wir kennen auch die Klauseln, die in diesen Verträgen drinstehen, sehr genau", sagte der Telekom- Sprecher. Jetzt werde geprüft, ob die Verträge auch von beiden Seiten erfüllt würden.
Der angekündigte Wechsel von Evangelischer Kirche in Deutschland, Katholischer Deutscher Bischofskonferenz und ihrer Wohlfahrtsverbände Diakonisches Werk und Caritas zur RWE-Tochter Otelo hat allerdings nach Angaben der Telekom nicht das bislang öffentlich genannte Volumen von rund einer Milliarde Mark. Diese Summe sei "deutlich zu hoch", sagte der Telekom- Sprecher. Außerdem habe das Unternehmen mit einzelnen großen Einrichtungen wie zum Beispiel den Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel bereits langfristige Verträge mit günstigeren Konditionen als sie Otelo jetzt anbiete. Diese Vertragsbindungen blieben unabhängig von dem Rahmenvertrag mit Otelo bestehen.
Der Postverband im Deutschen Beamtenbund warnte die Kirchen unterdessen davor, mit einem Wechsel Arbeitsplätze bei der Telekom zu gefährden. "Sollten es die rund 210.000 Telekom-Beschäftigten [Ed: laut Telekom-Zahlen von voriger Woche sind es 191.000] und deren Angehörige den Kirchen gleich machen, werden die Verluste durch fehlende Kirchensteuer die Einsparungen durch Telefonate per Otelo nicht mehr ausgleichen", erklärte die Organisation.
24.1.1998 (t-off). Zur Erinnerung: Es war nicht Mildtätigkeit der Deutschen Telekom, der Telefonseelsorge kostenlose 800-Rufnummern zu geben. Nein, das war primär eine Frage der korrekten Umsetzung der Telekommunikationsdienstunternehmen- Datenschutzverordnung (TDSV vom 10.7.1996) wegen der sich daraus ergebenden Möglichkeit, dem Telefon- Kunden in Einzelverbindungsnachweisen (EVN) ungekürzte Rufnummern mitzuteilen. Deshalb hatte sie 1997 kostenlosen Rufnummern für soziale Dienste eingeführt. Denn kostenlose Gespräche werden nicht auf den EVNs aufgeführt, und so entsteht kein Konflikt mit dem Datenschutz.
Werbung: Telekom gestoppt
Aus: Der Spiegel 5/1998, 26. Januar 1998, Seite 80 (Medien).Zwischen der Telekom und den privaten Telefongesellschaften geht der Werbe- krieg weiter. Nachdem der Ex-Monopolist in den vergangenen Monaten mehrfach juristisch gegen Anzeigen der neuen Telefonfirmen vorgegangen war, gelangen Mannesmann Arcor und Otelo in der vergangenen Woche Gegenschläge mit Einstweiligen Verfügungen. Arcor stoppte die Ausstrahlung eines TV-Spots des Bonner Telefonmultis. Darin hatte Werbe-Galionsfigur Manfred Krug [Ed: der ohne Telefon] für die von März an geplanten niedrigeren Tarife der Telekom geworben. Unzulässig, sagt Arcor. Denn die sind noch gar nicht genehmigt.
Otelo ließ der Telekom die Rückwerbung abtrünniger Kunden mit dem Versprechen von Gratistelefonaten verbieten. Der ehemalige Monopolist hatte ausgerechnet einem Otelo-Manager [Ed: aber nicht nur dem], der seinen Privatanschluß zum eigenen Unternehmen ummelden wollte, mit 500 Frei- Einheiten zur Rückkehr bewegen wollen. Unzulässig, befand das Landgericht Düsseldorf vergangenen Freitag.
Telekom: "Volles Vertrauen"
Der Chef des Telefonkonzerns kommt zunehmend unter Druck: Seine optimistischen Prognosen erfüllen sich nicht, Aufsichtsräte spekulieren offen über seine Ablösung.
Aus: Der Spiegel 6/1998, 2. Februar 1998, Seite 9091 (Wirtschaft) mit 2 Fotos (Telekom-Vorstand Sommer und Mannesmann-Vorstand Mihatsch) sowie Grafik "Enttäuschend Die Telekom-Aktie in Mark" und Grafik "Erhebliche Differenzen Geplantes Budget und reales Ergebnis bei der Telekom für 1997" (Konzernergebnis vor Steuern: Plan 11,3 Mrd. DM, Ist 7,6 Mrd. DM Jahresüberschuß nach Steuern: Plan 5,5 Mrd. DM, Ist 3,3 Mrd. DM).Ron Sommer dementierte energisch. Spekulationen um seine Ablösung [t-off vermutete], erklärte der Chef der Deutschen Telekom, entbehrten "jeder Grundlage". Der Konzern sei auf gutem Kurs, die "enttäuschenden Zahlen" der letzten Monate würden schnell korrigiert. Um die Gerüchte zum Verstummen zu bringen, sprang vergangene Woche sogar der Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Sihler dem bedrängten Unternehmensführer bei. Sommer, beteuerte der Telekom-Ratschef, sei unangefochten. "Der Mann", so Sihler, "hat mein volles Vertrauen." Mit dieser Meinung ist Sihler im Rat der Kontrolleure ziemlich allein: Seit Tagen spekulieren Aufsichtsräte und Vorstände offen über eine bevorstehende Ablösung des Telefonmanagers.
Spätestens seit dem 15. Januar weiß auch Sommer, daß die Zahl seiner Freunde im Kreis der Kontrolleure bedrohlich schrumpft. In einer Routinesitzung wollte sich der Aufsichtsrat mit den neuesten Ergebnissen des Telefonkonzerns befassen. Aus der anfänglich vereinzelten Kritik an dem Vorstandsvorsitzenden wurde schließlich eine Generalabrechnung. Am heftigsten agierte Finanz- staatssekretär Jürgen Stark. Nur um den Aktienverkauf anzukurbeln, schimpfte der Vertreter des größten Eigentümers, des Bundes, habe die Telekom völlig unrealistische Ziele prognostiziert. Sommer habe eine elfprozentige Umsatz- rendite angepeilt, so Stark. Die müsse nun drastisch nach unten revidiert werden.
Kritisch befaßten sich die Aufsichtsräte auch mit den optimistischen Prognosen im Börsenprospekt. Viele der Aussagen ließen sich schon jetzt, gut ein Jahr nach dem Börsengang, nicht mehr halten. Wichtige Bereiche wie das Endgeräte- und das Auslandsgeschäft schrieben nach wie vor rote Zahlen. Dennoch habe Sommer die notwendigen personellen Konsequenzen hinausgezögert. Es hat sich einiges aufgestaut gegen den Mann, der mit dem erfolgreichen Börsengang der Telekom zum Liebling der Medien aufgestiegen war. Hat der glänzende Verkäufer den ehemaligen Monopolbetrieb genügend auf den rauhen Wettbewerb vorbereitet? Hat er die neuen Konkurrenten unterschätzt? "Ich wäre so gerne Millionär", hatte die Telekom dem Fernsehvolk während des Börsengangs in unzähligen Werbespots vordudeln lassen. Doch nun sind viele Kleinanleger enttäuscht. Seit Wochen schon dümpelt der Kurs der Volksaktie weniger als 12 Prozent über dem Ausgabepreis vom November 1996, der Deutsche Aktienindex ist seit der Einführung der T-Aktie um 60 Prozent gestiegen.
Geld wurde bisher ebensowenig wahr wie Sommers Verheißungen, die Telekom zu einem der modernsten Dienstleistungsunternehmen der Welt zu machen und hohe Gewinne zu erzielen. In fast allen Bereichen, in denen das ehemalige Staatsunternehmen bereits im Wettbewerb steht, sind zum Teil erhebliche Verluste zu verzeichnen. Beim Verkauf von Endgeräten wie Faxmaschinen und Telefonapparaten beispielsweise schreibt Sommer trotz eifriger Bemühungen immer noch Verluste in Höhe von rund 500 Millionen Mark. Jede Mark Umsatz bringt der Telekom ein Minus von 16 Pfennig. Auch beim Geschäft mit den TV-Kabelnetzen, Telefonzellen und der Auskunft bleiben dem Konzern nur Verluste. Rund 1,1 Milliarden Mark waren es 1997 im Fernsehbereich, 900 Millionen in den beiden anderen Geschäftsfeldern.
Die Telekom-Mobilfunktochter T-Mobil, einst als Zukunftssparte gefeiert, schaffte trotz massiver Anstrengungen immer noch nicht den Anschluß an den privaten Konkurrenten Mannesmann mit seinem D2-Netz: Der hat rund 100.000 Teilnehmer mehr und konnte deutlich über 700 Millionen Mark Gewinn einfahren. Die Telekom-Tochter hingegen konnte keine Gewinne verbuchen. Stattliche Gewinne konnte Sommer 1997 nur im klassischen Telefongeschäft verbuchen [Ed: nach den Telekom-Vorabzahlen sollen es 1 Mrd. Gewinn sein]. Doch die 10,5 Milliarden Mark reichen nach Abzug von Steuern gerade einmal aus, die Verluste in den anderen Geschäftsbereichen zu decken und die versprochene Dividende von 1,20 Mark pro Aktie auszuzahlen.
Über die tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit sagt der Gewinn im Telefongeschäft zudem nur wenig aus. In diesem Bereich profitierte die Telekom im vergangenen Jahr noch von ihrer Monopolstellung. Seit Anfang des Jahres sind die goldenen Zeiten vorbei. Rund 40 Unternehmen sind angetreten, dem ehemaligen Monopolisten Kunden und Aufträge abzujagen mit Erfolg. Mit Kampfpreisen, die bis zu 60 Prozent unter Telekom-Tarifen liegen, locken die Newcomer Gespräche in ihre Netze. Die Telekom-Manager betonen, bisher nur wenig Kunden an die Konkurrenten verloren zu haben. Das mag schon sein. Viel wichtiger aber ist im derzeitigen Kampf auf dem Milliardenmarkt das Geschäft mit den Minuten. Und da verliert der einstige Monopolist mächtig.
Rund 500.000 Minuten täglich verbucht allein der Hauptkonkurrent Mannesmann-Arcor, 200.000 sind es bei Talkline, und auch Mobilcom meldet kräftigen Verkehr auf seinen Leitungen. Der Ex-Sony-Manager Sommer will neue, attraktive Tarife erst im März einführen. In der Zwischenzeit beschränkt er sich darauf, dem Wettbewerb mit juristischen Winkelzügen auszuweichen. So hat die Ankündigung einer Wechselgebühr von 95 Mark potentielle Umsteiger erheblich irritiert. Viele wollen nun erst einmal den Spruch der zuständigen Regulierungsbehörde abwarten, zumal auch weitere Fragen wie die Kosten für die Mitnahme der Rufnummer (die Telekom verlangt 53 Mark) noch offen sind. Sommer spielt dabei auf Zeit. Schon im vergangenen Jahr hatte er beispielsweise bei der Entscheidung des Postministeriums über die Preise für Mietleitungen im Ortsbereich die Juristen bemüht. Insgesamt sind inzwischen 17 Telekom-Klagen und -Einsprüche gegen ähnliche Anordnungen der Regulierungsbehörde als Nachfolgeorganisation des Ministeriums anhängig.
Während sich Tausende Privatkunden durch die ungenehmigte Ankündigung einer Wechselgebühr verunsichern ließen und der Telekom vorerst treu blieben, nutzen Großorganisationen und Industrieunternehmen den Wettbewerb bereits konsequent aus. Hilflos mußte der für Geschäftskunden zuständige Vorstand Herbert May zusehen, wie ihm Konkurrent Otelo vor knapp zwei Wochen die Großkunden evangelische und katholische Kirche mit einem Umsatz von 700 Millionen bis 900 Millionen Mark pro Jahr abspenstig machte. Auch andere Großunternehmen wie Hoechst oder die Deutsche Bank sind schon abgewandert. Der glücklose May steht schon seit mehreren Monaten im Kreuzfeuer der Kritik. Ihm wird angelastet, daß er die Verhandlungen über Mietleitungspreise im Ortsnetz nicht erfolgreich abschließen konnte. Außerdem habe er bei der Sanierung des TV-Kabelnetzes und der Geschäftskundenstrategie keine überzeugende Arbeit geleistet. Doch zum Verdruß der Aufsichtsräte konnte sich Sommer bislang nicht von May trennen. Dem Manager wurde sogar eine weitere Bewährungsfrist eingeräumt. May soll sich nun um das Auslandsgeschäft kümmern, das bisher von Erik Nederkoorn betreut wurde. Von Nederkoorn hatte sich Sommer erst vor knapp zwei Wochen getrennt nach Meinung seiner Kritiker viel zu spät. Denn im Auslandsgeschäft, für das Nederkoorn zuständig war, reihte die Telekom Panne an Panne.
Global One, die von der Telekom überschwenglich gepriesene Weltallianz mit France Télécom und der amerikanischen Telefongesellschaft Sprint, kommt nicht vom Fleck. Rund 500 Millionen Mark Verluste fielen im vergangenen Jahr an. Weitere 250 Millionen waren es bei kleineren Auslandsaktivitäten wie dem Aufbau eines Mobilfunknetzes in Indonesien. Dabei sollte das Auslandsgeschäft ein Paradestück der Telekom werden. Nur auf fremden Märkten, so hatte Sommer immer wieder betont, könnten wegbrechende Umsätze im hart umkämpften deutschen Telefongeschäft kompensiert werden. Weil die versprochenen Erfolge ausbleiben, wächst die Kritik an Sommer. Vorsorglich versuchte der Telekom-Chef, sich selbst aus der Schußlinie zu nehmen: Er wollte seinem für Technik zuständigen Kollegen Gerd Tenzer, nach Einschätzung vieler Telekom-Mitarbeiter der eigentlich starke Mann im Konzern, alle Befugnisse nach innen abgeben. Der Chef selbst wollte den Konzern nach amerikanischem Vorbild nach außen repräsentieren. Der Plan, so ein Aufsichtsrat, wurde gestoppt. Einige Kontrolleure und Vorstände sind inzwischen davon überzeugt, daß der Aufsichtsratsvorsitzende Sihler trotz gegenteiliger Beteuerungen bereits einen Nachfolger für den Telekom-Chef sucht.
Sihler, so glauben Kontrolleure und Telekom-Manager, soll sogar schon einen festen Kandidaten für Sommers Nachfolge im Visier haben: Peter Mihatsch. Dem erfolgreichen Mannesmann-Vorstand, der mit der Telekommunikation ein solides zweites Standbein für den ehemaligen Röhrenkonzern aufgebaut hat, kommen die Spekulationen um seine Person nicht ungelegen. Der Mobilfunkpionier erwägt ernsthaft, das Unternehmen zu verlassen, weil er über die Personalpolitik seines Vorsitzenden Joachim Funk zutiefst verärgert ist. Der 63jährige Konzernleiter will in Kürze seinen Nachfolger küren lassen. Für den Posten favorisiert Funk einen engen Freund den im Konzern äußerst umstrittenen Finanzvorstand Klaus Esser. Unter dem will Mihatsch aber auf keinen Fall arbeiten. Und so möchte er Gespräche über ein Engagement bei der Telekom nicht bestätigen. Dementieren will er sie aber auch nicht. [Dementi der Telekom]
Bundesregierung bietet Internet-Service für junge Leute an
Aus: Spiegel Online 6. Februar 1998 (nur elektronisch publiziert).BONN. Für Frauen und Männer zwischen 16 und 26 Jahren geht in wenigen Tagen mit "Youngnet" ein neuer Internet-Service der Bundesregierung ans Netz. Unter dem Dach dieses Programms könnten junge Leute alle für sie wichtigen und nützlichen Informationen aus Politik, Ausbildung oder Freizeit abrufen, erklärte Regierungssprecher Peter Hausmann am Freitag in Bonn. Der Start sei für den 12. Februar vorgesehen.
"Youngnet ist derzeit weltweit noch ohne Vorbild", sagte Hausmann. Das Programm biete auch Diskussionsforen und "erstmalig in Deutschland einen kostenlosen E-Mail-Service, der es ermöglicht, eigene Post von jedem beliebigen Online-PC aus zu erledigen." Der Internet-Service der Bundesregierung könne unter "www.youngnet.de" abgerufen werden.
Telefon: Nummern gesperrt
Aus: Der Spiegel 7/1998, 9. Februar 1998, Seite 79 (Trends).Tausende von Kunden des Mobilfunkanbieters Mannesmann, die per Call-back- Service die hohen D2-Tarife umgehen, erlebten in den vergangenen Tagen eine böse Überraschung: Ihr Call-back- Computer in Amerika war plötzlich nicht mehr erreichbar. "Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben", wimmelte eine Tonbandansage die Kunden ab. Betroffen waren insbesondere Kunden der beiden großen Call-back- Anbieter TelePassport und TeleGroup, deren Gebühren drastisch unter den D2-Tarifen liegen. "Offenbar versucht Mannesmann", empört sich TelePassport- Geschäftsführer Georg Hofer, "mit solchen Aktionen den Wettbewerb zu unterlaufen." Mannesmann- Mobilfunk- Chef Jürgen von Kuczkowski bestreitet, die Billignummern bewußt gesperrt zu haben: "Das wäre ja illegal." Es könne sich nur um einen Fehler handeln, der nun intensiv gesucht werde. Über die Netze der Konkurrenz konnten die Nummern jedoch problemlos angewählt werden.
Handy-Gebühren auf dem Prüfstand
Aus: Spiegel Online 10. Februar 1998 (nur elektronisch publiziert).BRÜSSEL. Telefonkunden sollen sich im Tarifdschungel bei Anrufen zwischen Festnetz und Mobiltelefonen künftig besser zurechtfinden. EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert startete am Mittwoch eine Umfrage unter Telekom-Anbietern in den Mitgliedsländern über die Vermittlungs- gebühren, die sie bei der Durchstellung eines Gesprächs erheben, und über die Preise, die sie letztlich den Kunden berechnen. Van Miert schließt nach Angaben eines Sprechers nicht aus, im Falle überhöhter Gebühren auch gegen Telefongesellschaften rechtlich vorzugehen.
Ziel der Umfrage ist es laut Kommission, Mobiltelefone für die Kunden besser zugänglich zu machen. Die Telekommunikationsgesellschaften haben bis Ende des Monats Zeit, Auskunft über die Gebühren für Verbindungen zwischen Festnetz und Handy zu geben. Den Informationen zufolge, die der Kommission bereits vorliegen, können die Gebühren dafür bis zu 14mal die Gebühren für die Vermittlung eines Anrufs zwischen zwei Festtelefonen oder zwischen zwei Handys übersteigen. Die Verbraucher bezahlen in diesem Fall bis zu sechsmal höhere Preise. Die ermittelte Preisliste will die EU-Kommission dem Sprecher zufolge Mitte März veröffentlichen. Nach Auffassung der Kommission sollen die Gebühren sich an den Kosten orientieren, die den Telefongesellschaften bei der Durchstellung eines Gesprächs tatsächlich entstehen.
Neue Modem-Norm V.90 macht den Daten Beine
Aus: Spiegel Online 10. Februar 1998 (nur elektronisch publiziert).FRANKFURT/GENF. Für die Modemverbindung ins Computernetz gibt es einen neuen Standard: Nach einjährigem Streit der konkurrierenden Hersteller über die richtige Technik für das schnelle Übertragungstempo von 56 Kilobit pro Sekunde (kBit/s) wurde jetzt unter Vermittlung der Internationalen Union für Telekommunikation in Genf (ITU) ein Kompromiß erzielt. Obwohl der neue Standard mit dem Namen V.90 erst im September offiziell veröffentlicht wird, kommen schon zur CeBit im März die ersten V.90-Modems auf den Markt. "Wir erwarten von der Standardisierung einen kräftigen Schub nach vorn", sagte der Sprecher von 3COM / U. S. Robotics, Oliver Schwartz.
Seit der Einführung der ersten 56-Kilobit-Modems im Mai vergangenen Jahres mußten die Käufer darauf achten, ob ihr Internet-Provider oder ihre Mailbox auch die jeweilige Technik des Herstellers unterstützte. Wer sich mit einem schnellen X2-Modem von U. S. Robotics bei einem Provider einwählt, dessen Modems die K56flex-Technik von Rockwell enthalten, konnte nur mit der bisherigen Höchstgeschwindigkeit von 33,6 Kbps durchs Internet surfen. Jetzt wird U. S. Robotics ein Software-Update bereitstellen, mit dem die herstellerspezifische X2-Technik auf V.90 umgestellt wird. Dieses Programm wird derzeit entwickelt und soll nach Angaben von Firmensprecher Schwartz bis April herunterzuladen sein. Das Programm wird einmal gestartet, danach kann am Bildschirm verfolgt werden, wie das Modem an das neue Übertragungsprotokoll angepaßt wird.
Zwei Bedingungen müssen für ein V.90-Modem erfüllt sein: Erstens muß der angewählte Internet-Provider direkt mit dem digitalen Netz verbunden sein und die neue Modem-Technik mit entsprechenden Geräten unterstützen. Zweitens muß die analoge Telefonleitung des privaten Internet-Anwenders zu einer digitalen Vermittlungsstelle führen dies ist der Fall, wenn das Telefon statt der ratternden Impulswahl auch die Tonwahl unterstützt. Die analoge Übermittlung erstreckt sich dann nur noch auf wenige Kilometer Kupferkabel von der Vermittlungsstelle der Telefongesellschaft zum Hausanschluß.
Um die absatzhemmende Unsicherheit bei den Verbrauchern schnell zu überwinden, waren beide Hersteller an einer möglichst schnellen Standardisierung interessiert. Bei keinem der bisherigen Modemstandards sei die Einigung auf eine einheitliche technische Spezifikation so schnell erzielt worden wie diesmal", erklärte der zuständige ITU-Gruppenleiter Pierre-Andre Probst. Die internationale Organisation verweist auf eine Einschätzung des Marktforschungsinstituts VisionQuest 2000, daß die Zahl der weltweit ausgelieferten Modems von 50 Millionen im vergangenen Jahr jetzt auf 75 Millionen steigen wird. Allein in Deutschland wurden 1997 nach vorläufigen Erhebungen des Marktforschungsinstituts Dataquest annähernd 1,5 Millionen Modems verkauft in diesem Jahr wird eine Zunahme auf zwei Millionen erwartet. Trotz der technischen Vorteile eines digitalen ISDN-Anschlusses setzen viele Privatanwender weiter auf den einfacher zu installierenden und preiswerteren Analog-Zugang über das herkömmliche Telefonnetz zumal auch eine ISDN-Verbindung bei einem Datenstau im Computernetz nicht schneller als das Modem ist.
Wie schnell sich die neue Modemtechnik verbreiten wird, hängt aber auch von den Providern ab. Alle Internet- Dienstleister haben die 56-Kilobit-Technik des einen oder anderen Herstellers zumindest getestet. Bei T-Online werden nach Angaben von Firmensprecher Jörg Lammers demnächst die Tests mit dem neuen Standard aufgenommen. Wenn alles so läuft wie gewünscht, könne die neue Geschwindigkeit dann ab Herbst flächendeckend angeboten werden, sagt Lammers und fügt hinzu: "Wir halten ISDN für besser und leistungsfähiger, aber wir wollen auch die Kunden bedienen, die mit einem analogen Anschluß zufrieden sind."
Telekom: Kabel zum Verkauf
Aus: Der Spiegel 8/1998, 16. Februar 1998, Seite 82 (Medien).In Kürze entscheidet die Telekom über einen Teilverkauf ihres Fernsehkabelnetzes. Geplant ist eine Holding T-MediaNet, an der sich andere Firmen mit bis zu 49 % beteiligen können. Die Dachgesellschaft wiederum soll zwölf Regionaltöchter kontrollieren. Technikvorstand Gerd Tenzer bezifferte intern den Gesamtwert des Kabelnetzes auf 15 Milliarden Mark, was von den meisten Experten aber als überhöht angesehen wird [Ed: zumal das Netz nicht voll rückkanalfähig ausgebaut ist]. Mit den Vorarbeiten für die Teilprivatisierung sind zwei Beraterfirmen betraut, die bis zum April ihre Detailskonzepte vorlegen sollen. Der Verkauf von Anteilen am Kabelnetz soll auch die EU-Kommission beruhigen: Weil die Telekom auch das Telefonnetz dominiert, sehen die Brüsseler zuviel Macht bei dem Kommunikationskonzern.
15.2.1998 (t-off). Ob das den Brüsseler Wettbewerbshütern nun reicht, muß bezweifelt werden. Denn die Deutsche Telekom will mit 51 % Anteil an der T-MediaNet klar das Sagen behalten, um so z. B. freien Ortsnetz-Wettbewerb durch Mehrfachnutzung des Kabelnetzes verhindern zu können. Während in Paris ab März 1998 über das Fernsehkabelnetz bereits alternativ und kostengünstig telefoniert und für pauschal 58 Mark das Internet unbegrenzt genutzt werden kann, zeigen die neuen Telekom-Pläne, wie weit Deutschland von der internationalen Entwicklung abgehängt ist, echten Wettbewerb zu ermöglichen. Das ist das fatale Ergebnis einer völlig verfehlten Bonner Technik- Politik bei der Postreform, die eine Große Koalition aus CDU + SPD + CSU + FDP seit 1993 zu verantworten hat.
Rüttgers stellt Zukunftsstudie vor
Aus: Spiegel Online 17. Februar 1998 (nur elektronisch publiziert).BONN. Einkaufen per Computer und Telearbeit am Schreibtisch zu Hause werden einer Zukunftsprognose zufolge schon bald zum Alltag gehören. Unternehmen werden dann vorwiegend keinen festen Standort oder feste Mitarbeiter mehr haben. Büroangestellte sollen erheblich mehr zu Hause am Computer arbeiten. Firmen werden vernetzt. So sehen 2000 Führungskräfte deutscher Unternehmen und Behörden die Entwicklung der nächsten 30 Jahre. Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) stellte diese größte deutsche Zukunfts-Befragung, die Delphi-Studie, am Dienstag in Bonn vor. Eine Achilles-Ferse bleibt danach weiterhin die Arbeitslosigkeit.
In der Welt von morgen werden nach den Visionen der befragten Experten Wohnen, Arbeiten und Einkaufen enger zusammenrücken. Jede fünfte Autofahrt fällt weg. Im Jahr 2007 können Häuser durch neue Bautechniken jederzeit umgebaut werden, erläuterte Rüttgers. Im Jahr 2009 wird man an Automaten oder der Haustür über die Hautstruktur oder Fingerabdrücke identifiziert. Im Jahr 2006 soll ein moderneres Internet Informationen in Echtzeit (ohne Verzögerung) übertragen.
Besonders große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung wird der Multimedia-Branche, der Chemie und der Produktion neuer Werkstoffe zugesprochen. Auch deutsche Unternehmen werden sich radikal am Kunden orientieren müssen und stärker auf das Können der Mitarbeiter setzen. Diese werden vielfach zu Mitunternehmern mit hoher Qualifikation. Lebenslanges Weiterlernen werde dann alltäglich sein. An die Stelle traditioneller Berufsabschlüsse, wie Facharbeiterbrief, Meisterbrief oder Universitätsdiplom, sollen dann Bündel von individuellen Qualifikationen treten.
In Zukunft sollen auch Wüsten mit gentechnisch veränderten Pflanzen begrünt und Regenwälder wieder aufgeforstet werden können. Nur langsam geht aber die Energie-Umstellung voran. Erst in zwei Jahrzehnten wird in Deutschland mehr als zehn Prozent an erneuerbaren Energien genutzt. Dazu werden den Einschätzungen zufolge auch hocheffiziente Solarzellen genutzt. Schwerabbaubarer Müll wird weitgehend vermieden und langlebige Gebrauchsgüter sollen fast gänzlich recycled werden.
Den Visionen zufolge soll es im Jahr 2010 den faltbaren "Monitor für die Handtasche" geben. Fünf Jahre später soll "der Strom aus der Fensterscheibe" fließen, durch transparente Solarzellen. 2020 wird ein Biochip mit tausendfach größerer Speicherkapazität erwartet.
Rüttgers meinte, für mehr Arbeitsplätze seien flexible Arbeitszeiten, arbeitsintensive Dienstleistungen und anders organisierte Unternehmen nötig. Dafür seien nicht die Kosten entscheidend. Auch die Delphi-Befragung zeige, daß Bildung die neue soziale Frage im 21. Jahrhundert werde [Ed: sie ist es schon heute, und die Regierung hat dafür seit Jahren viel zu wenig getan]. Die Ergebnisse sollten Grundlage für Entscheidungen in Politik und Gesellschaft werden. Sie sollten die Debatte um künftige Entscheidungen anstoßen.
Der Minister für Optimismus empfiehlt
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 18. Februar 1998, Seite 8 (Kommentar).(wez). Niemand kann in die in die Zukunft blicken. Ausnahme: der deutsche Zukunftsminister selbst. Jürgen Rüttgers' Ministerium hat Experten gefragt, wie sich Wissenschaft und Technik "global" entwickeln werden. Das Ergebnis, die "Delphi '98"- Studie, ist ziemlich rosig ausgefallen. So keimt der Verdacht, daß die Befragung mehr ein Spiegel gegenwärtiger Hoffnungen und, in den Händen eines von Berufs wegen optimistischen Ministers, ein politisches Instrument ist. Überraschungen bietet "Delphi '98" nicht, dafür Allgemeinplätze ("Multimedia wird Alltagstechnik" [Ed: was sie schon ist, und man muß nicht noch auf die Verbesserung durch MPEG-4 warten]) und mitunter Fehlurteile wie die Behauptung, daß sich zu Beginn des nächsten Jahrhunderts die Unternehmen "radikal am Kunden orientieren" werden bekanntlich hat sich in Deutschland der Kunde nun einmal am Unternehmen zu orientieren [Ed: das Paradebeispiel ist die Deutsche Telekom], und das so radikal wie möglich. Wenn überhaupt, so wird sich das jedenfalls in ein paar Jahren nicht ändern. Unseriös sind Zukunftsprognosen wie: "Im Jahr 2007 werden Häuser jederzeit umzubauen sein." Da ist schon das deutsche Baurecht vor. Es ist sicher schön, wenn Politiker gute Laune verbreiten; der rastlose Rüttgers spricht von "großartigen Potentialen", über die das Land verfüge. Und es mag sein, daß die Lage besser ist, als uns manche glauben machen. Aber man wird den Gedanken nicht los, daß die technokratisch- fröhliche Delphi-Studie an der allgemeinen Verzagtheit vorbei geschrieben wurde.
Kryptographie: Der Höllenfürst kennt keinen Herrn
Wird der Kryptochip "Pluto", den das "Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik" (BSI) bei Siemens entwickeln läßt, den staatlichen Zugriff auf verschlüsselte Daten ermöglichen? Das BSI dementiert mit vorsichtig gewählten Worten.
Aus: Spiegel Online 18. Februar 1998 (nur elektronisch publiziert).BONN. Ein Hochleistungs-Computerchip, den es noch gar nicht gibt, sorgt für Streit um die innere Sicherheit: Von "Pluto", einem daumennagel- großen Prozessor zum Verschlüsseln von Daten, befürchten SPD und Computerexperten den Zugriff des Staates auf vertrauliche Daten auch der Privatwirtschaft. Dem widersprechen die Auftraggeber vehement: "Der Chip verhält sich völlig neutral", versicherte der Chef der Abteilung Kryptographie (Verschlüsselungstechnik) beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Ansgar Heuser.
"Pluto", benannt nach dem Höllenfürsten der griechischen Mythologie, ist nicht das erste staatliche Verschlüsselungssystem, das das BSI entwickeln läßt. Doch angesichts der Entwicklungskosten von zehn Millionen Mark denkt die Bundesregierung darüber nach, den Chip auch der Privatwirtschaft anzubieten, und erregte damit Argwohn: Angesichts des beharrlichen Wunsches von Bundesinnenminister Manfred Kanther, den Sicherheitsbehörden die verschlüsselte Kommunikation mutmaßlicher Krimineller zugänglich zu machen, könne ein solcher Prozessor doch nur als trojanisches Pferd des Staatsanwalts dienen. Ein solcher Versuch in den USA, der sogenannte Clipper Chip, war aus diesem Grund am energischen Widerstand der Wirtschaft gescheitert.
"Die Technik ist definitiv anders als beim Clipper Chip", hält dem Diplom- Mathematiker Heuser entgegen. Die US-Entwicklung habe den Schlüssel von vornherein den Sicherheitsbehörden zugänglich gemacht. Doch "Pluto", in erster Linie für sensible staatliche Daten gedacht, lasse keinen Zugriff Dritter zu: Das System kommt nach Heusers Worten ohne die Hinterlegung der Schlüssel bei einer zentralen Stelle aus und könnte vertraulichen Datenverkehr im Extremfall selbst vor staatlichen Lauschern schützen nach dem Motto: Der Höllenfürst kennt keinen Herrn.
"Das ist ein klarer Zielkonflikt", räumt auch der staatliche Kryptographie- Experte ein. Doch den könne die Bundesregierung nur auf politischer Ebene lösen. "Pluto", mit einem eigenen Steuerungssystem zur Verwaltung der Verschlüsselung ausgestattet, komme mit den vom Chip selbst erzeugten Schlüsseln genauso zurecht wie mit von außen vorgegebenen. Sollte eines Tages doch die Hinterlegung der Geheimcodes bei einer staatlichen Stelle per Gesetz vorgeschrieben werden, könne der Prozessor allerdings auch mit von außen vorgegebenen Schlüsseln genutzt werden.
Der neue Prozessor, den die Firma Siemens im BSI-Auftrag entwickelt, soll deutschen Behörden Sicherheit vom Feinsten bieten. Wenn der Prototyp Ende 1999 vorliege, wird er nach Heusers Worten voraussichtlich "technologisch unerreicht" sein. Bis zu zwei Gigabit Daten pro Sekunde soll "Pluto" verschlüsseln zum Beispiel den Inhalt einer kompletten PC-Festplatte während ihrer Benutzung oder eine vertrauliche Videoübertragung. Für diese extremen Anforderungen, sagt Heuser, gibt es keine verläßlichen Systeme auf dem Markt schon gar nicht aus rein deutscher Entwicklung und Fertigung. Denn ein ausländisches Produkt könne ja immer eine Hintertür für den eigenen Geheimdienst haben.
Die Rechte an "Pluto" behält das BSI und kann damit steuern, welche Unternehmen den Chip in ihre Produkte einbauen. Eine Kontrolle, wer in der Wirtschaft den Prozessor für seine Zwecke nutzt und vielleicht eine kriminelle Organisation damit steuert, hält der Chef-Verschlüssler kaum für möglich. Doch über die endgültigen Vertriebswege sei ja noch nicht entschieden.
Pikante Enthüllung
Wurde Telekom-Chef Ron Sommer bei Sony entlassen?
Aus: Der Spiegel 10/1998, 2. März 1998, Seite 89 (Trends). Bereits vorab als Spiegel-Pressemeldung am 28. Februar 1998 unter obigem Untertitel elektronisch publiziert.Der Telekom-Aufsichtsrat verdankt dem Kölner Finanzamt eine pikante Enthüllung über Konzernchef Ron Sommer. Die Finanzbeamten hatten dessen Steuererklärung für 1995 überprüft und waren stutzig geworden. Damals wechselte Sommer von Sony zur Telekom, den Abschied versüßten ihm die Japaner mit einer Sonderzahlung von gut zwei Millionen Mark. Diesen Betrag hatte Sommer in seiner Steuererklärung als "Abfindung" ausgewiesen. Dies ist aber nur möglich bei einem durch den Arbeitgeber veranlaßten Ausscheiden. Dann gilt neben einem Freibetrag der halbe Steuersatz in Sommers Fall eine Ersparnis von rund 500.000 Mark. Die Finanzbeamten fanden keinen Hinweis auf einen Rausschmiß. Sie fragten sich: Kündigung oder Steuerspartrick?
Sommer will von Trickserei nichts wissen. Er sagt, daß sein Finanzamt, nach Rücksprache bei ihm und bei Sony, die Steuererklärung nun genehmigt hat. Der Konzern erklärte. "Als Sommer Sony verließ, haben beide Parteien vereinbart, die Umstände und Bedingungen seines Ausscheidens vertraulich zu behandeln." Seinen nicht ganz freiwilligen Abgang bei Sony hatte Sommer in Bonn bisher verschwiegen. Von einer Quasi-Kündigung, so Ex-Postminister Wolfgang Bötsch, habe Sommer bei seiner Einstellung "nie etwas gesagt". Jack Schmuckli, Sonys Europachef, verabschiedete Sommer damals würdevoll. Er bedaure sehr, so Schmuckli, "daß Ron uns verläßt".
Multimedia: Goldmine oder Kohlengrube?
Der künftige Bertelsmann-Chef Middelhoff setzt auf Multimedia und geht auf Distanz zum digitalen Fernsehen.
Aus: Der Spiegel 10/1998, 2. März 1998, Seite 104106 (Wirtschaft).Das dickste Lob kam vom Chef. "Er ist momentan der Hero", schwärmte Mark Wössner, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann, im vergangenen Sommer. Dem so gepriesenen Entertainment-Vorstand Michael Dornemann war scheinbar ein Coup geglückt. Bertelsmann verbündete sich im Markt des Pay-TV mit dem Rivalen Leo Kirch. Im Juli beschloß der Vorstand Ausgaben in Höhe von rund 3,7 Milliarden Mark die größte Einzelinvestition in der Geschichte von Bertelsmann. Inzwischen ist vieles anders. Dornemann, der Held des Sommers, muß an allen Fronten um seine Fernsehallianz kämpfen und um sein Ansehen.
In den laufenden kartell- und medienrechtlichen Verfahren hat er nur noch minimale Chancen, seine kühnen Pläne für den Pay-Sender Premiere durchzusetzen. Vor allem aber: Im eigenen Haus ist die Zahl seiner Kritiker größer geworden. Zu ihnen gehört auch Thomas Middelhoff. Schlecht für Dornemann: Der frühere Strategie- und Multimedia-Vorstand wird in sieben Monaten sein Chef. Dann übernimmt Middelhoff das Amt von Wössner, der nach 14 Jahren an der Konzernspitze in den Aufsichtsrat wechselt. Der designierte Bertelsmann-Chef hatte sich bis zur Postenübergabe Zurückhaltung auferlegt. Doch über das Digitalfernsehen verlor er mehrfach kritische Worte - öffentlich und im kleinen Kreis.
Anfang Januar, bei einer Gesprächsrunde im New Yorker Bertelsmann-Tower am Times Square, präsentierte sich Middelhoff als Skeptiker der Pay-TV-Pläne. Es fehle beim Digital-TV noch immer ein internationaler Standard, sagte er vor einer Besuchergruppe rund um Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Anders als bei Computer und Internet sei das kein günstiges Umfeld. Außerdem sei nicht ausgemacht, ob sich das Empfangsgerät d-box, mit der Kirch und Dornemann eine Vielzahl digitaler Pay-TV-Programme verbreiten wollen, technisch durchsetzt: "Wenn die d-box überholt ist, müssen wir sie schneller abschreiben. Das ist kein Beinbruch," erklärte Middelhoff.
Helmut Thoma, Chef des Bertelsmann-Senders RTL und einer von Clements Begleitern, hörte amüsiert zu. Er hatte stets vor überzogenen Digital-Plänen gewarnt: Das sei "elektronischer Rinderwahnsinn". Bei dem Auftritt in New York blieb es nicht. "Wir versuchen zwar, mit Hilfe der d-box einen Markt zu entwickeln", sagte Middelhoff kurze Zeit später, "aber ich glaube nicht, daß wir uns gegen die gesamte Industrie durchsetzen können." Und überhaupt zeigt er wenig Begeisterung für die laut Dornemann so gigantischen Gewinnchancen im Pay-TV. Es werde "sicher ein ganz schwerer Geschäftsaufbau. Nach einem Jahr wissen wir besser, ob wir auf dem Weg zu einer Goldmine oder zu einer Kohlengrube sind".
Der Manager warnt davor, sich zu verspekulieren. Sein Urteil: "Der Digital- Markt hat nicht das Potential wie der Markt für PC und Internet." Wer es nicht glauben will, dem malt Middelhoff die Unterschiede mit der Hand in die Luft. Das hier sei der eine Markt, sagt er und formt die Hände zur Größe eines Kieselsteins. Und das hier sei der andere Markt und macht eine große Geste, als wolle er einen Felsblock umarmen. Seine Vision: Langfristig verschmelzen die Netze von Telefon, Fernsehen und Computer. Damit erhöhe sich "die Kapazität von Online-Kommunikation dramatisch". Das zentrale Medium ist für ihn, wie für Bill Gates, der Computer zumindest in der Zukunft.
Die Folgerungen sind für das nun geplante Milliardeninvestment ins Fernsehen gravierend. Es könne sich bald schon sogar die Frage stellen, so Middelhoff, wozu die Verbraucher überhaupt Pay-TV brauchen wenn sie ihre Musik, ihre Filme, ihre Bücher über Computer abrufen können. Für den Konzern ist es ohnehin billiger, einen Online-Abonnenten zu werben: Das kostet nur knapp 90 Mark, verglichen mit 310 Mark für einen Pay-TV-Kunden.
Derzeit bereitet sich Middelhoff auf den Chefposten vor. Seit Monaten informiert er sich in New York bei Mediengrößen wie Rupert Murdoch oder dem Disney-Chef Michael Eisner über das Geschäft. Auch Politiker wie Uno-Generalsekretär Kofi Annan gehörten zu seinen Gesprächspartnern. In Gütersloh, wo Middelhoff derzeit nur tageweise arbeitet, stimmt der Konzernherr in spe seine Mitarbeiter auf die digitale Ära ein. Sein wichtigstes Stichwort heißt Multimedia. Middelhoff leitet zwei von sieben Arbeitsgruppen, die eine von Noch-Chef Wössner in Gang gesetzte "Kultur-Evolution" umsetzen sollen. Im Zentrum steht die elektronische Vernetzung des Konzerns. Middelhoffs Vokabel hierfür: "Querschnittsmanagement". Bertelsmann setze auf die "optimale Ausschöpfung der neuen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters", heißt es in einem internen Papier seines Ober-Strategen Arnold Kiel, dem Leiter der Zentralen Unternehmensplanung.
Middelhoff hält die bisherige Bertelsmann-Struktur jeder beackert sein Arbeitsfeld für nicht mehr zeitgemäß. Das bloße Nebeneinander führe zur "eingeschränkten Reaktionsfähigkeit des Konzerns auf Digitalisierung und Globalisierung", so das Strategiepapier. Es fehle ein "technisches Kompetenzzentrum im Konzern", eine übergreifende Arbeit auf einzelnen Themenfeldern sei "heute kaum möglich", und der Einstieg in elektronische Handelsgeschäfte im Internet ("E-Commerce") werde durch die Vielzahl technischer Systeme erschwert, führt der Chefplaner weiter aus. Überall spürte die Middelhoff-Truppe Schwächen der alten Struktur auf:
- So arbeitet das Unternehmen weltweit mit 80 Rechenzentren zusammen;
- konzernweit wird auf drei unterschiedlichen Berichtssystemen rapportiert;
- mehr als 50 Systeme sind im Finanz- und Rechnungswesen im Einsatz;
- auch untereinander sind die Kommunikationsstränge wirr verlegt; es gibt mehr als zehn E-Mail-Systeme.
Überall im Geflecht des Konzerns mit seinen über 300 Tochterfirmen sieht Middelhoff Reformbedarf. Das interne Papier spricht von überflüssigen "Mehrfachentwicklungen", zu "kleinen Betriebsgrößen" und "fehlendem Know-how-Transfer". Bis zu 150 Millionen Mark ließen sich insgesamt jährlich einsparen durch eine neue interne Kommunikationsordnung. Die Kundendaten sollen vernetzt werden. Der Konzern will allen alles anbieten: Die Abonnenten von AOL sollen für den Buchclub interessiert werden, die Zeitschriften des Verlags Gruner + Jahr will man auch dem TV-Zuschauer verkaufen. Jeder Kunde wird in einem "Konzern-Adreßpool" erfaßt, die "Kundenprofile" stehen allen zur Verfügung. Ein unabhängiger Ausschuß soll über den Datenschutz wachen.
In dieser digitalen Welt will Middelhoff die eigenen Medien Presse, Bücher, Filme künftig dem Kunden anders präsentieren. In der Online- Kommunikation würden viele die Angebote "eher themenbezogen" suchen, heißt es in dem Konzernpapier geordnet nach Oberbegriffen wie News, Sport, Musik und Gesundheit. Die Middelhoff-Mannschaft geht davon aus, daß es den Kunden immer weniger interessiert, über welches Medium ihn bestimmte Inhalte erreichen er will Musik, egal, ob auf CD, Platte oder aus dem Datennetz. Die Online-Welt sei die zentrale Drehscheibe. Deshalb will Middelhoff quer durch die weiterhin dezentral arbeitenden Konzernbereiche "neue technische Standards" legen.
Für seine Vision von der digitalen Zukunft sucht sich Middelhoff bereits internationale Partner. So schloß er mit dem französischen Medienriesen Générale des Eaux eine Allianz, zunächst für eine Zusammenarbeit im Online-Geschäft. Sie könnte auch auf den TV-Markt erweitert werden. Von Kirch als Verbündeten hält er wenig: Der spiele in einer anderen Liga, auch sei dessen finanzielle Solidität problematisch. Der aktuelle Wirbel um das eigene Pay-TV kommt dem künftigen Chef offenbar nicht ungelegen. Auch Wössner will Dornemanns Strategie nicht mehr um jeden Preis umsetzen. Alles wartet nun auf das erlösende Votum der Brüsseler Kartellbehörde. "Wenn die Regulierungsbehörden zu hohe Hürden aufbauen", verkündete ein genervter Wössner bereits in der "Berliner Zeitung", "dann ist das Thema zu Ende".
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