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Widerspruch gegen Telefonrechnungen khd
Stand:  16.10.2004   (42. Ed.)  –  File: Protest/Widerspruch.html




Ein vielleicht wichtiger Hinweis
16.10.2004 (t-off). Vermutlich sind Sie auf dieser Seite via Suchmaschine gelandet und erwarten aktuelle Hilfe bei Ihrem akuten Telefon- Problem. Zwar sind viele Anregungen auf dieser Seite noch immer nützlich. Aber...

Kontakt-Infos zu Leuten, die sich mit der Materie auskennen, finden Sie evtl. noch auf der Homepage des Archivs „t-off“, zu dem auch diese Web-Seite gehört. Am besten ist es, sich an die nächste Verbraucherzentrale zu wenden, da diese inzwischen sehr viel Erfahrung mit den Ärgernissen rund ums Telefon haben.



Hier finden Sie das Muster eines Widerspruchs an die örtliche Telekom- Niederlassung und Formulierungstips sowie wichtige Gedanken zu einer wegweisenden Klage-Strategie gegen die "Tarifreform 96", wie sie im Internet (UseNet) im März 1996 publiziert wurden.

Auch können Sie hier Neues vom Münchner Musterprozeß (RA Thieler) und vom Hamburger Musterprozeß (M. Hesemann) gegen die Telekom erfahren. Hinzugefügt wurde auch eine Übersicht von Gründen für überhöhte (falsche) Telefonrechnungen.

Der Dank geht an alle, die hier einen "Input" geliefert haben. Aber zunächst ein – auch 1998 immer noch – aktueller Hinweis der Rechtsanwaltskammer in Celle. Und mit der neuen Kundenschutz- Verordnung (TKV) wird es künftig wenigstens etwas leichter, bei überhöhten Telefonrechnungen zu seinem Recht zu kommen.

Inhalt:

  1. Einspruch bei zu hoher Telefonrechnung.
  2. Muster eines Widerspruchschreibens zur "Tarifreform 96".
  3. Mögliche Gründe für überhöhte Telefonrechnungen.
  4. Ergänzende Formulierungstips.
  5. Gedanken zu einer Klage-Strategie.
  6. Neues vom Münchner Musterprozeß.  [Zur BGH-Entscheidung vom 2.7.1998]
  7. Neues vom Hamburger Musterprozeß.


1. Einspruch bei zu hoher Telefonrechnung:

16.3.1996:  ARD/ZDF-Videotext, Rubrik Ratgeber, Tafel 180, 19.55 Uhr.

Bei überhöhten Telefonrechnungen sollten Kunden umgehend Widerspruch bei der Telekom einlegen. Das empfiehlt die Rechtsanwaltskammer in Celle.

Außerdem rieten die Anwälte, sofort alle Einzugsermächtigungen für die Telekom bei der Bank zu widerrufen [Ed: Ein Widerruf bei der Telekom sollte ausreichend sein].

Bei Unklarheiten empfahl die Rechtsanwaltskammer, sich von der Telekom gegen die Gebühr von 30 DM Zählvergleichsprotokolle des betreffenden Monats zuschicken zu lassen. Mit diesen Protokollen lassen sich Gespräche nachvollziehen, die von einem Anschluß aus geführt wurden.



2. Muster eines Widerspruchschreibens zur "Tarifreform 96":

Widerspruch

Sehr geehrter Damen und Herren!

Hiermit widerspreche ich Ihrer überhöhten Telefonrechnung vom xx.xx.1996 für meinen Anschluß xxx xx xx.

In Ihrer Preisinformation Teil 2 hatten Sie mir auf Seite 1 mitgeteilt, daß in vielen Bereichen Einsparungen zu erwarten sind und ich in vielen Fällen kostengünstiger als bisher telefonieren könne.

Konkret schrieben Sie mir auf Seite 12 im 2. Abschnitt: "Supergünstige Preise im Mondscheintarif zwischen 21 und 2 Uhr. Die Preissenkungen betragen im Tarifbereich (...) City sogar 48%."

Nun muß ich aber feststellen, daß Sie die Preise für Ortsgespräche über 4 Minuten auch in dieser Zeit drastisch angehoben haben.

Bitte geben Sie mir ab sofort eine kostenlose Einzelpostenabrechnung, erstatten mir die zuviel gezahlten Beträge zurück und teilen mir mit, welcher Tarif denn nun eigentlich wann und wie gilt, und was, wann und um wieviel Prozent teurer geworden ist. Aus Ihren vielen Zeitungsinseraten und Ihrer nervenden Fernsehwerbung habe ich diese für mich wichtigen Informationen nicht entnehmen können.

Im übrigen haben Sie die gesetzliche Ankündigungsfrist für die Preisänderungen nicht eingehalten. Der Einfachheit halber bitte ich daher um Abrechnung gemäß dem transparenten Tarif, wie er bis zum 31.12.1995 galt.

Sollten Sie darauf nicht eingehen, widerrufe ich hiermit meine Einzugsermächtigung und werde aus Protest nur noch in Raten zahlen. (Zusätzlich werde ich klagen.)

Meine Zahlungen erfolgen ab sofort ohne die Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung.

Mit freundlichem Gruß



3. Mögliche Gründe für überhöhte Telefonrechnungen:


Falsche Telefonrechnungen – Einige Gründe

Was Telekom-Kunden bisher alles an Ungereimtheiten
mit Telefonrechnungen herausgefunden haben.

Stand: 16. August 1998
Diese Liste ist mit Sicherheit nicht komplett. Und damit diese Übersicht vollständiger wird, müssen Sie mithelfen. Bitte teilen Sie daher noch nicht bekannte Gründe für überhöhte Telekom-Rechnungen, die sie auf Ihrer Telefonrechnung (mit Gesprächs- Nachweis) eindeutig erkannt und reklamiert haben per E-Mail mit. Sie helfen damit vielen, die sich noch nicht so gut bei den vielen Möglichkeiten auskennen.
Nr.
Grund
Quelle / Anmerkungen
1 Wegen der "Tarifreform 96" ist die Telefonrechnung grundsätzlich zu hoch, da längere Ortsgespräche wesentlich teurer geworden sind. "Tarifkonzept 96" der
Telekom zum 1.1.1996.
2 Auf der Abrechnung erscheinen Gespräche, die mit absoluter Sicherheit nicht geführt worden sind. Internet (UseNet).
3 Nicht geführte Gespräche mit teuren Abzock-Services (z. B. Sex-Talklines) werden berechnet, oft in sehr großer Anzahl. Rufnummern fangen z. B.
mit 0190... an.
4 Obwohl man nicht anwesend war (z. B. im Urlaub) und niemand sonst telefoniert hat, werden Gespräche berechnet. Internet (UseNet), auch FOCUS – 1/1995.
5 Auch reine Wählversuche, wo niemand erreicht wurde (auch kein Anrufbeantworter), wurden bereits als geführte Gespräche berechnet. Mail von D. K. und Bericht der "B.Z." übers Bezahlen bei Besetzt.
6 Gespräche mit der Dauer 0 Sekunden werden registriert und mit einer Einheit berechnet. Im UseNet mehrfach Berichte über diese Geister-Einheiten.
7 Viele Ortsgespräche werden bei Anschlüssen an analogen Vermittlungsstellen um eine Einheit zu hoch berechnet. Das ist der Taktfehler der Telekom. Seit Anfang 1998 sollte das wegen der vollständigen Digitalisierung nicht mehr passieren.
8 Zur gleichen Zeit werden mehrere Gespräche berechnet. Vermutlich nur bei Anschlüssen an digitalen Vermittlungsstellen möglich. Internet (UseNet).
9 Durch eine (zeitweise) Rufnummernvertauschung gerät die Abrechnung vollkommen durcheinander. Sie finden dann sehr viele Gespräche, die Sie nie geführt haben. Mail von H. D.
10 Sogar ankommende Gespräche wurden schon berechnet. Mail von E. L.



4. Ergänzende Formulierungstips:


  1. Bei einer drohenden Sperre oder Teilsperre des Anschlusses:

    Wegen der von Ihnen unbegründet [Ed: Sie hatten wenigstens etwas, z. B. den Durchschnitt bezahlt] angedrohten Sperre/Teilsperre meines Anschlusses xxx xx xx verweise ich auf das mir zustehende Grundrecht auf freie Telekommunikation, das sich aus dem Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Artikel 2 Abs. 1 GG [Ed: Grundgesetz] in Verbindung mit dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Artikel 5 Abs.1 GG und dem Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG, sowie dem Sozialstaatsprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1, Abs. 3 GG herleitet.

    Sollten Sie dennoch der Auffassung sein, aufgrund Ihres Monopolstatus gegen mein verfasstes Grundrecht verstoßen zu müssen, werde ich gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung meiner Grundrechte in Anspruch nehmen [Ed: Antrag auf Einstweilige Verfügung beim zuständigen Amtsgericht zur Freischaltung des Anschlusses].


  2. Zum zu vermutenden Wucher:

    Ihre Gebührenerhöhung ist unangemessen hoch. Das stellt eine erhebliche Benachteiligung im Sinne von § 9 AGBG [Ed: Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen] und § 138 BGB [Ed: Bürgerliches Gesetzbuch] dar.


  3. Zum gesetzlich vorgeschriebenen Transparenzgebot:

    Sie haben bei der Einführung Ihres "Tarifkonzepts 96" eindeutig das Transparenzgebot des § 9 AGBG [Ed: Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen] sowie des § 6 TKV [Ed: Telekommunikationsverordnung] verletzt. Außerdem haben Sie ihre massive Gebührenerhöhung im Orts- und Nahbereich nicht begründet.


  4. Zur gesetzlich vorgeschriebenen Preis-Informationspflicht:

    Sie haben Ihre Kunden zu Ihren völlig unübersichtlichen Tarifen nicht so informiert, wie es Ihnen der § 5 Abs. 3 TKV [Ed: Telekommunikationsverordnung] vorschreibt. Das Landgericht Köln mußte Ihnen z. B. deshalb per Einstweiliger Verfügung die weitere Verbreitung Ihrer "Preisinformation Teil 2" wegen irreführender Werbung untersagen (Az: 3102/96).


  5. Zur möglichen Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschriften:

    Ihre Gebührenerhöhung im Ortsbereich ist auf der Grundlagen von Rechtsvorschriften ergangen, die vermutlich gegen unsere Verfassung verstoßen, da die Ermächtigung zum Erlaß der Telekommunikationsverordnung in § 9 PTRegG eine Blanko- Ermächtigung enthält, die weder den Inhalt, den Zweck noch das Ausmaß der erteilten Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung (Postminister) hinreichend bestimmt. Nur vor diesem Hintergrund war es Ihnen überhaupt möglich, im März 1994 die Genehmigung für Ihr "Tarifkonzept 96" zu erhalten.


  6. Zum Monopolmißbrauch:

    Mit der Einführung Ihres "Tarifkonzepts 96" zum 1. Januar 1996 haben Sie in eklatanter Weise Ihre Monopolstellung zum erheblichen Nachteil Ihrer Privatkunden mißbraucht. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu erst am 19. Januar 1996 in einer Begründung (1 BvR 84/96) auf den § 9 FAG [Ed: Fernmeldeanlagengesetz] und § 138 BGB hingewiesen, die es jedem Telekom-Kunden ermöglichen, diesen Monopolmißbrauch in einem Prozeß gegen Sie überprüfen zu lassen. Ich werde daher...

    [Hinweis: Der Link zur alten TKV von 1995 ist nicht mehr aktiv!]



5. Gedanken zu einer Klage-Strategie:

Von UZS106@ibm.rhrz.uni-bonn.de
Gefunden in der UseNet-Newsgruppe de.soc.recht des Internets am 28.3.1996.


Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wohnt in Karlsruhe, Schloßplatz. Nach Erschöpfung des Rechtsweges kann sich jeder dorthin wenden mit der Behauptung, durch eine staatliche Maßnahme selbst gegenwärtig und unmittelbar in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein, etwa in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit...

Also, man zahlt weiter seine Telefonrechnung, um das Abgeklemmtwerden zu vermeiden, und sagt das der Telekom auch so, behält sich gerichtliche Rückforderung vor. Das sollte man der DTAG [Ed: Deutsche Telekom AG] sagen, weil die bewußte Zahlung auf eine nicht existierende Schuld die Rückforderung an sich ausschließt...

Dann geht man zum Amtsgericht und verklagt die DTAG auf Rückzahlung eines bestimmten Teilbetrages [Ed: um einerseits den Streitwert und die Kosten niedrig zu halten und andererseits, nur einen solchen Betrag zu nennen, mit dem man die Klage gewinnen kann]. Sagen wir mal bei einer Rechnung von 200 DM auf 50 oder 100 DM. Da dieser Betrag ohne Rechtsgrund geleistet worden sei... Daß man gezahlt hat, muß man beweisen, warum der Rechtsgrund für die Zahlung fehlt, der Vertrag mit der DTAG insoweit unwirksam ist, muß man begründen. Dabei würde ich etwa wie folgt argumentieren (Kritik willkommen):

Die Unwirksamkeit des Tarifes ergibt sich aus der Ausnutzung der Monopolstellung durch die ungerechte Verteilung der Kosten auf die Nutzer. Die Grundgebühr ist zu niedrig, die zeitabhängigen Gebühren zu hoch. Ob die Genehmigung des Postministers hier eine Legalisierungswirkung hat, kann offenbleiben, da jedenfalls die Tarife deswegen nicht hätten genehmigt werden dürfen, die Genehmigung insoweit also rechtswidrig ist. Soweit es die Genehmigung betrifft, käme es allerdings vorweg auch darauf an, ob dieses überhaupt nach einfachem Recht rechtmäßig ist, wobei auch ein wenig in Richtung Transparenz der Telekomzahlen und Genehmigungskriterien und damit auch in Richtung Gesetzesvorbehalt zu bohren wäre. Die wesentlichen die Grundrechtsausübung betreffenden Entscheidungen muß das Parlament selbst treffen...

Wenn das Amtsgericht die gesetzlichen Regelungen wegen Unbestimmtheit für verfassungswidrig hält, wird es von sich aus das BVerfG zur Klärung dieser Frage anrufen. Ansonsten wird es der Klage entweder stattgeben, eventuell kann man sich dann ausrechnen, welchen weiteren Betrag man nun in einer zweiten Klage mit Sicherheit zurückverlangen kann, wenn die DTAG dann nicht schon zusammengebrochen ist. Immerhin gibt es bei einem solchen minimalen Streitwert keine Berufung :–)))

Oder das Amtsgericht weist die Klage ab, dann kann man mit im wesentlichen der gleichen Begründung gegen das Urteil des Amtsgerichtes Verfassungs- beschwerde einlegen. Es sieht so aus, als ob das BVerfG in einem solchen Fall durchaus Lust hätte, sich mit dieser Grundfrage der kommenden Informationsgesellschaft einmal zu beschäftigen. (Natürlich kann auch die DTAG gegen ein der Klage stattgebendes Amtsgerichtsurteil Verfassungs- beschwerde einlegen...)

Kosten: Weder für das Amtsgericht, noch für das BVerfG braucht man einen Anwalt. Man muß nur klar sagen, was man will. Die Verfassungsbeschwerde muß gegebenenfalls innerhalb eines Monats nach dem Amtsgerichtsurteil eingelegt werden und kostet als solche nichts. Das Amtsgerichtsurteil kostet ein paar Mark Gebühr, wenn man es verliert, und etwas Energie. Man kann sich dazu ja mal kundig machen. Stichwort bürgerfreundliche Justiz, einfach mal hingehen und fragen.

Vergleiche im übrigen die Vorschläge des BAPT zur Gebührenstruktur im internationalen Vergleich und, außerdem in der Sache bereits ergangenen Urteil des BVerfG mit usefull hints for newbies, die neuesten Zahlen aus Finnland, dem Land von Nokia und Linux... Allerdings ist mir nicht ganz klar, wie da die Vermittlungskosten von den Kosten der offenen Leitung unterschieden werden, wie das in modernen Vermittlungsstellen technisch läuft.

Eingegangene Kritik und Hinweise:

6. Neues vom Münchner Musterprozeß:

Zum Auftakt des Musterprozesses am 15. März 1996.

In einer Presseerklärung teilt Rechtsanwalt Dr. Volker Thieler am 22. Mai 1996 mit:

Die Telekom gibt fehlerhafte Abrechnung zu

Im Rechtsstreit des Münchner Rechtsanwalts Dr. Volker Thieler gegen die Deutsche Telekom AG wegen der wucherischen Gebührenerhöhung zum 1.1.1996 hat die Telekom erstmalig öffentlich zugegeben, daß sie aufgrund veralteter Technik und ohne jegliche Rechtsgrundlage ihre Gebühren falsch berechnet. Auf Seite 12 und 13 des Schriftsatzes vom 30. April 1996 führt die Telekom (Beklagte) aus [Ed: Amtsgericht München – 155 C 343/96]:
"Der Kläger hält es für rechtswidrig, daß – wie die Beklagte auf den von ihr veröffentlichten Telefonscheiben informiert – sogar schon vor Ablauf von 90 Sekunden eine zweite Einheit anfallen kann. Das ist im Telefondienst ein schon seit langem bekanntes technisches Problem. Der Hinweis auf die Problematik befindet sich bereits seit 1978 in den entsprechenden Verordnungen (Fernmeldeordnung, Telekommunikationsverordnung), seit 1. Juli 1991 in den AGB der Beklagten für den Telefondienst. Betroffen von der Situation sind nur noch die alten Bundesländer. Außerdem tritt das Problem nur bei Ortsverbindungen auf und zwar Ortsverbindungen, die mehr als 84 Sekunden dauern."
Damit gibt die Telekom zu, daß sie nicht, wie vertraglich versprochen, im 90-Sekundentakt sondern im 84-Sekundentakt abrechnet, da sie bereits nach 84 Sekunden die zweite Einheit schaltet! [Anm. des Ed: Verschärfend ist noch, daß die Telekom zur Kompensation Ihres anachronistischen Taktfehlers allen Kunden bis zum 31. Dezember 1995 Freieinheiten gewährte, die aber zum 1. Januar 1996 ersatzlos gestrichen wurden].

Wie skandalös diese Abrechnungsweise ist, läßt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Im Lebensmittelladen sagt der Verkäufer: "Unsere Waage ist seit 18 Jahren kaputt. – Deswegen bezahlen Sie wie immer für 450 Gramm den Preis von 500 Gramm." [Ed: genau sind das 468,75 g, 1/16 weniger. Und außerdem war die "Waage" von vornherein kaputt!].

Aufgrund dieser rechtswidrigen Abrechnungsweise der Telekom wurde heute [Ed: 22. Mai 1996] erneut Strafanzeige bei der zuständigen Statsanwaltschaft in Bonn gestellt.

In den zahlreichen Gerichtsverfahren, die derzeit gegen die Telekom angestrengt werden, versucht die Telekom mit prozessualen Tricks, z. B. durch Streitwertrügen, die Prozesse in die Länge zu ziehen. So wurde der Termin des Musterverfahrens von RA Dr. Volker Thieler, der am 24. Mai 1996 vor dem Amtsgericht München stattfinden und in dem eine Entscheidung über die Nichtigkeit des Gebührenwuchers gefällt werden sollte, kurzfristig abgesagt und ans Landgericht verwiesen.

Die Telekom schadet sich mit dieser Verzögerungstaktik jedoch nur selbst: Dadurch, daß sie sich einer richterlichen Entscheidung über die Tariferhöhung entzieht, gefährdet sie ihren eigenen Börsengang im Herbst dieses Jahres aufs Äußerste. Niemand wird die sogenannte Volksaktie kaufen, solange über die Unwirksamkeit des derzeitigen Tarifsystems nicht gerichtlich entschieden worden ist.

Telekom taktiert! – Musterprozeß-Urteile erst 1997 zu erwarten

MÜNCHEN – 6.11.1996 (t-off). Vor deutschen Gerichten wird noch immer über die Rechtmäßigkeit der Tariferhöhungen der Telekom zum 1. Januar 1996 verhandelt. In (fast) allen Fällen ist es der Deutschen Telekom AG gelungen, die Prozesse zu verzögern. Um vor dem Gang an die Börse kein negatives Urteil präsentiert zu bekommen, vermuten die klagenden Telefon- Kunden. Entscheidende Urteile sind daher erst im nächsten Jahr zu erwarten. Die Telekom- Prozesse zeigen, so Professor Volker Thieler aus München, daß auch die deutsche Justiz erhebliche Probleme hat, sich mit den Rechtsproblemen um die Telekom auseinanderzusetzen.

Karlsruhe muß nun klären, ob die Telekom Preiswucher betreibt

MÜNCHEN – 25.7.1997 (piht/t-off). Das Oberlandesgericht München (OLG) hat am Dienstag [22.7.1997] die Berufungsklage von Rechtsanwalt Volker Thieler wegen der "Tarifreform 96" zurückgewiesen und zwei weitere Prozesse gegen die Telekom vorerst auf Eis gelegt. Nach Auffassung des OLG stellen die seit Januar 1996 geltenden Ortstarife der Deutschen Telekom keinen Preiswucher dar. Wegen der grundsätzlichen "Bedeutung der Sache" hat das Gericht die Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen. [mehr] [vollständiger Urteilstext]

Bei dieser Gerichtsentscheidung haben die neueren Erkenntnisse aus dem KPMG-Gutachten der EU-Wettbewerbskommission zu den Telekom- Kosten des Ortsnetzes (noch) keine Rolle gespielt. Danach liegen die tatsächlichen Kosten für die Nutzung des Ortsnetzes zwischen 6/13 Pfennig pro Minute (rund 0,28 DM/h) und 6 Pfennig – 80 % (0,72 DM/h) [Ed: Die Telekom hatte den Konkurrenten den Ortsnetzzugang mit 6 Pfennig pro Minute angeboten]. Die Telekom berechnet ihren Kunden aber seit 1996 zwischen 1,80 DM/h (nachts) und 4,80 DM/h (am Tag in der Woche). Nun müssen die Bundesrichter in Karlsruhe (BGH) klären, ob tagsüber kalkulatorische Aufschläge (inkl. MwSt) von 567 bis 1614 % Preiswucher sind. [mehr] [noch mehr]


BGH: Telekom-Preise von 1996 nicht überhöht

Aus:
vwd-Wirtschaftsnews, 2. Juli 1998, 13.51 + 14.48 Uhr (Wirtschaft).

KARLSRUHE (vwd). Die Preise der Deutschen Telekom AG, Bonn, können nicht als überhöht angesehen werden, heißt es in einem Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH), Karlsuhe, vom Donnerstag über die Wirksamkeit der Tarifreform 1996 der Deutschen Telekom AG. Der Bundesgerichtshof habe die bei der Umsetzung der Tarifreform zu beachtenden förmlichen Voraussetzungen als erfüllt angesehen. Insbesondere waren der Wortlaut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihre Änderungen rechtzeitig amtlich veröffentlicht. Der BGH erachtete auch die materiell- rechtlichen Beanstandungen des Klägers gegen die neuen Tarife der Telekom für nicht durchgreifend.

Ein Vertreter des klagenden Münchener Rechtsgelehrten Volker Thieler kritisierte die Entscheidung: "Hier ist der Verbraucher ziemlich kraß durchgefallen." Das Gericht habe den "Monopolmißbrauch" der Telekom nicht eingehend geprüft, sagte Thielers Mitarbeiter Hubert Bauriedl. Telekom- Sprecher Ulrich Lissek betonte demgegenüber, die Klage sei "halt- und grundlos" gewesen. Thieler hatte durch alle Instanzen geklagt, weil er die 1996 geänderten Telefongebühren für "Wucher" hält. Laut Thieler hätte die Telekom bei einer gegenteiligen BGH-Entscheidung mit Rückforderungen in dreistelliger Mio-DM-Höhe rechnen müssen. Die Telekom sieht dies anders: Anspruch auf Rückzahlungen hätten ohnehin nur jene gehabt, die damals Einspruch gegen die Tarifreform erhoben hatten.

Die Vereinbarung eines überhöhten Preises ist nach Darstellung des BGH im Regelfall dann sittenwidrig, wenn sie auf der Ausnutzung einer Monopolstellung gegenüber einem Partner beruht, der auf den Geschäftsverkehr mit dem Monopolisten angewiesen ist. Ob die besonderen Wirkungen der Tarifgenehmigung einer dahingehenden Prüfung entgegenstehen, ließ der Senat offen. Als Vergleichsmaßstab für die neuen Tarife könnten nicht ohne weiteres die alten Tarifentgelte herangezogen werden, weil sich insoweit durch die im Zuge der Postreform vollzogene Aufgliederung der Deutschen Bundespost in zunächst drei teilrechtsfähige öffentliche Unternehmen und die spätere Umstrukturierung dieser Unternehmen in eine Aktiengesellschaft die für die Telekom geltenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend verändert haben.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind laut BGH die Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle unterworfen. Das Erfordernis der behördlichen Genehmigung solcher Tarife und Entgelte schließt die Billigkeitskontrolle dann nicht aus, wenn sich die öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungs- empfänger beschränkt und im übrigen der privatautonomen erwerbswirtschaftlichen Entscheidungsbefugnis der Vertragsparteien freien Raum läßt.

Hinsichtlich der für Leistungsentgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Monopolbereich der Telekommunikation und des Postwesens notwendigen Genehmigung des Bundespostministeriums ist die Rechtslage dagegen entscheidend anders: Die privatrechtsgestaltende Wirkung dieser Genehmigung hindert die ordentlichen Gerichte, die Preise der Deutschen Telekom AG nach den Maßstäben der Billigkeitskontrolle zu überprüfen. (Urteil vom 2. Juli 1998, AktZ.: III ZR 287/97)



7. Neues vom Hamburger Musterprozeß:

In einer Pressemitteilung teilt Michael Hesemann am 13. Juli 1996 mit:

Teilerfolg gegen die neuen Telekom-Tarife

Am 30. Januar 1996 habe ich u. a. wegen Wuchers Zivilklage gegen die neuen Telekom-Tarife erhoben. Am 11. Juli 1996 fand vor dem Amtsgericht Hamburg eine 2,5-stündige mündliche Verhandlung statt, bei der ich einen Teilerfolg erzielen konnte. Die Anträge der Telekom-Anwälte, wurden abgewiesen.

Damit wurde die Telekom-Strategie, das Verfahren endlos hinzuziehen bzw. mich über horrende Kosten zur Aufgabe zu zwingen, zunichte gemacht. In der Sache anerkannte das Gericht den Fakt, daß sich für mich als Privatkunden die Gebühren um 60 % erhöht haben. Allerdings reiche mein persönlicher Fall nicht aus, allgemein von Wucher auszugehen. Mir wurde auferlegt, das sittenwidrige Verhalten noch weiter zu untermauern. Die Urteilsverkündung erfolgt Ende August.

Nach Abschluß der Verhandlung – aber noch im Gerichtssaal – kam es dann zu einer Telekom- typischen Szene. Ein Anwalt der Telekom bot dem zum großen Teil sitzungs- führenden Rechtsreferendar des Gerichts eine Referendarstelle bei sich an. Mein Anwalt bot daraufhin das gleiche an, um diesen Versuch einer Einflußnahme abzuwehren.

Neue Termine angesetzt

21.9.1996 (t-off). Das Hamburger Amtsgericht hat im August noch kein Urteil verkündet. Für Ende Oktober wurde vom Gericht eine weitere mündliche Verhandlung im Streit um die Telekom-Tarife angesetzt.

24.11.1996 (t-off). Das Urteil des Amtsgerichts soll nun am 9. Januar 1997 verkündet werden.

9.2.1997 (t-off). Die Entscheidung wurde im Januar auf März 1997 vertagt. Die mit der Telekom ausgetauschten Schriftsätze umfassen inzwischen rund 2000 Seiten.

Noch immer keine Entscheidung im Streit um die "Tarifreform 96"

HAMBURG – 26.3.1997 (t-off). Im Hamburger Musterprozeß um die "Tarifreform 96" ist vom Amtsgericht im März – obwohl angekündigt – noch keine Entscheidung gefällt worden. Das Gericht hat jetzt von der Deutschen Telekom eine weitere Stellungnahme angefordert. In dem Zivilprozeß geht es um die enorme Preissteigerung bei den Ortsgesprächen seit dem 1. Januar 1996. Wann es nun zu einem Urteil kommt, ist ungewiß.

HAMBURG – 19.7.1997 (t-off). Im Hamburger Musterprozeß um die "Tarifreform 96" ist vom Amtsgericht Hamburg – obwohl schon mehrfach angekündigt – noch immer keine Entscheidung getroffen worden. Ein neuer Verhandlungstermin ist für September angesetzt. Dieser wird aber vermutlich erneut verschoben werden, denn es gab einen Richterwechsel. In dem Zivilprozeß geht es um die enorme Preissteigerung bei den Ortsgesprächen seit dem 1. Januar 1996. Als besonders interessant wird die Bewertung des Gerichts zu der ganz aktuellen Entwicklung bei den Interconnection-Tarifen, den Tarifen für den Ortsnetzzugang durch die Konkurrenz, von den Klägern eingeschätzt [siehe auch Kommentar vom 18.7.1997].




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