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Manager-Magazin: Telekom auf der Kippe khd
Stand:  15.7.2002   (8. Ed.)  –  File: Docs/Telekom_auf_der_Kippe.html




In der Februar-Ausgabe 2001 beschäftigt sich das Hamburger Manager-Magazin (MM) mit den Zukunftsaussichten der Deutschen Telekom. Mit Mega-Deals wollte Telekom-Chef Ron Sommer noch 1999 den schlingernden Dampfer Telekom in ruhigeres Fahrwasser bringen. Es ist ihm gründlich mißlungen.

Die MM-Artikel "Auf der Kippe" [Original] sowie "Radikaler Kahlschlag" [Original] sind im folgenden auf Dauer im Internet dokumentiert. Sämtliche Links und Verweise sowie aktuelle Kommentare mit [Ed: ...] sind in dieser Dokumentation hinzugefügt.



D E U T S C H E  T E L E K O M

Auf der Kippe

Der Druck auf Ron Sommer wächst. Hausgemachte Konflikte, gravierende Fehleinschätzungen und gnadenloser Wettbewerb – der Vorstandschef muss seinen Konzern wieder unter Kontrolle bringen. Sonst droht ihm der Rauswurf.

Von EVA MÜLLER und ANNE PREISSNER

Februar 2001


Ron Sommer (51) ist ein echt cooler Typ. Die T-Aktie oszilliert um ihren Tiefstand; das T-Online-Papier liegt weit unter seinem Ausgabekurs; der Umsatz im Kerngeschäft schrumpft, das operative Ergebnis geht drastisch zurück.

Jeden anderen Vorstandsvorsitzenden würde eine derart desolate Lage sichtlich nervös machen. Der Telekom-Chef indes zeigt keine Regung. Die Fassade sieht glatt und perfekt aus wie immer. Ein Meisterstück an Selbstbeherrschung. Hätte der promovierte Mathematiker doch nur sein Unternehmen so gut im Griff wie seine Gefühle.

Im Bonner Glaspalast jedenfalls mehren sich die Krisenherde. Alle vier Kernbereiche des Konzerns – T-Com, T-Mobile, T-Online und T-Systems – sind schwer angeschlagen. Die Übernahme des US-Mobilfunkanbieters VoiceStream scheint gefährdet. Wichtige Projekte, wie der Teilverkauf des TV-Kabelgeschäfts, sind ins Stocken geraten.

Der Druck auf Sommer wächst. Nicht nur enttäuschte Anleger fordern endlich Taten ein, auch der Mehrheitseigner Bund ist beunruhigt; er fürchtet um den Erfolg künftiger Börsengänge aus der T-Familie. Schon kursieren Spekulationen über eine Ablösung des Konzernlenkers.

2001 wird das Schicksalsjahr für Ron Sommer. Bekommt er das Chaos in seinem Reich nicht unter Kontrolle, muss der einst so hoch gelobte Vorstandschef abtreten.

Sommer und seine Mannschaft haben einen Höllenjob vor sich. Im klassischen Telefongeschäft (T-Com) brechen Umsätze und Gewinne weg. Schuld ist nicht allein der harte Wettbewerb, sondern auch die Telekom selbst.

Mit hektischem Aktionismus versuchte Sommer nach der Öffnung des Telefonmarktes 1998 seinen Herausforderern mit Kampfpreisen den Garaus zu machen.

Keine gelungene Strategie, unversehens waren Sommer im Stammgeschäft die Margen abhanden gekommen. Jetzt braucht der mit Abstand größte Geschäftsbereich (68 Prozent Umsatzanteil) dringend ein neues Konzept, um die Erosion der Marktanteile zu stoppen und die Profitabilität zu steigern. Ein schwieriges Unterfangen – zumal die Telekom bei ihrer Preisgestaltung den strengen Vorgaben der Regulierungsbehörde unterliegt.

Hinzu kommt: Matthias Kurth (48), der neue Chef der Behörde, entscheidet in den nächsten Wochen darüber, wie viel die Telekom bei ihren Wettbewerbern für die Nutzung der Telekom-Leitungen kassieren darf. Neu festgelegt werden unter anderem die Preise für die letzte Meile Telefonkabel in die Privathaushalte. Zudem droht eine Anpassung der Großhandelsrabatte, die die Telekom ihren Konkurrenten für so genannte Flatrate-Tarife, die zeitlich unbegrenzte Internet-Nutzung zum Festpreis, anbieten muss.

Hochbrisante Entscheidungen. Von der Höhe und von den Modalitäten der Nutzungsgebühren hängt das Ergebnis der T-Com zu einem großen Teil ab. Erbittert kämpft die Telekom deshalb um vorteilhafte Konditionen.

Wenn es sein muss, vor Gericht. So klagt der Telefonriese gegen die von Juni an geplante neue Berechnungsformel für die Zusammenschaltung von Netzen (Interconnection). Müssen die Konkurrenten für die Verbindung mit den T-Leitungen lediglich die von der Regulierungsbehörde anvisierten Entgelte zahlen, drohen der T-Com Umsatzeinbußen von mindestens 1,5 Milliarden Mark im Jahr.

Um so wichtiger ist das Geschäft mit den eigenen Telefonkunden. Sommer braucht dringend einen brillanten Verkäufer. Seit Monaten aber wird die wichtigste T-Säule nur kommissarisch betreut, von Telekom- Vertriebsvorstand Josef Brauner (50). Als neuer T-Com-Leiter ist der gegenwärtige COO Hans-Albert Aukes vorgesehen. Brauner soll den Diplomingenieur in den kommenden sechs bis neun Monaten für den Topjob aufbauen.

Ein zweifelhafte Lösung. Aukes gilt zwar als fachkundig und als guter Organisator, aber ein Marketinggenie ist er nicht.

Der Zusammenprall von schwierigen Rahmenbedingungen und internen Problemen belastet nicht nur die T-Com. T-Mobile-Chef Kai-Uwe Ricke (39) kämpft gegen die drückende Last gigantischer Lizenzgebühren für die neue Technologie UMTS, die hohen Aufwendungen für den Netzaufbau und die steigenden Kosten für die Gewinnung neuer Kunden. Keine guten Vorzeichen für den bereits einmal verschobenen Börsengang von T-Mobile International, der nun endlich in diesem Jahr stattfinden soll. Zuvor aber muss der noch schwebende VoiceStream-Kauf über die Bühne gehen.

Ob die Telekom den US-Mobilfunker wie geplant bis zur Jahresmitte übernehmen kann, ist völlig ungewiss. Das hängt vom Börsenkurs ab.

Abgemacht ist Folgendes: Die VoiceStream- Anteilseigner erhalten für jedes ihrer Papiere 3,2 T-Aktien plus 30 Dollar in bar. Liegt der Wert der T-Aktie allerdings binnen einer Frist von 15 Handelstagen vor Abschluss des Deals an sieben zufällig ausgewählten Tagen unter 33 Euro, dürfen die Verkäufer neu verhandeln. Ron Sommer muss auf steigende Kurse hoffen, um sein Prestigeprojekt durchziehen zu können. Sonst wird der ohnehin schon überteuerte Coup – knapp 100 Milliarden Mark – noch kostspieliger oder scheitert ganz. Das wäre der Supergau für Sommers glücklose Internationalisierungsstrategie.

Es ist zum Verzweifeln, nichts läuft nach Plan. T-Systems, das neue Joint-Venture der Telekom mit Debis Systemhaus, dem IT-Dienstleister von DaimlerChrysler, steckt wenige Monate nach der Gründung in einer bedrohlichen Krise. Topmanager und Leistungsträger verließen das Unternehmen in Scharen, von erfolgreicher Zusammenarbeit keine Spur.

Personalquerelen belasteten im vergangenen halben Jahr auch die vierte Säule der Telekom. Bei T-Online musste nahezu die gesamte Führungscrew wegen erwiesener Unfähigkeit gehen. Der neue Chef Thomas Holtrop (45), im Online-Geschäft gänzlich unerfahren, muss bei null anfangen.

Europas größtem Internet-Anbieter fehlt es an attraktiven Inhalten. Auf den Seiten des US-Konkurrenten AOL verweilen die Surfer mindestens doppelt so lange wie beim deutschen Konkurrenten. Nicht nur das. Sommers vermeintlicher Geniestreich, die Nutzer mit einer attraktiven Monatspauschale (Flatrate) an T-Online zu binden, erwies sich als herbes Verlustgeschäft für die börsennotierte Web-Tochter. Die Dauersurfer blockierten die Leitungen, sorgten aber kaum für zusätzliche Werbeeinnahmen oder E-Commerce-Umsätze. T-Online musste der Mutter Telekom für jede Minute, die ihre Pauschalkunden das Netz okkupierten, satte Gebühren überweisen.

Das dicke Ende des Flatrate-Coups kommt noch. Die Telekom muss jetzt auf Anordnung der Regulierungsbehörde den Konkurrenten von T-Online einen Pauschaltarif für die unbeschränkte Web-Nutzung anbieten. Nun droht ein Desaster. Weil das Leitungsnetz der Telekom technisch nur für den Telefonverkehr ausgelegt ist, wird es demnächst wohl unter der Last der Dauersurfer zusammenzubrechen.

Rechtzeitig hatte Technikvorstand Gerd Tenzer seinen Vorstandschef vor den fatalen Folgen einer Flatrate gewarnt. Vergeblich. Sommer bestand auf der Einführung des Supertarifs. Hausgemachte Konflikte, gravierende Fehleinschätzungen und gnadenloser Wettbewerb – Ron Sommer droht der Absturz. Die schlechte Branchenkonjunktur tut ein Übriges, seine hochfliegenden Vorhaben zu vereiteln.

Zum Beispiel den geplanten Verkauf der TV-Kabelnetze. Noch Anfang 2000 rechneten Experten den Wert der Fernsehkabel auf rund 30 Milliarden Mark hoch. Mittlerweile liegt er nur noch bei etwa 23 Milliarden Mark. Ob es überhaupt noch gelingen kann, finanzstarke Partner zu finden, ist mehr als ungewiss [Ed: weil die Preisvorstellungen der Telekom völlig überzogen sind, zudem will die Telekom u. a. via Sperrminorität unbedingt Einfluß auf das Geschäft behalten].

Bislang hat die Telekom erst in drei von neun Regionen Mehrheitsanteile losgeschlagen. Weil die Käufer klamm waren, musste die Telekom zwei Investoren, der US-Kabelfirma Callahan und dem amerikanischen Finanzanleger Klesch, 10 bis 15 Prozent des Preises stunden. Andere Kaufinteressenten wie die niederländische UPC haben an der Börse so dramatisch an Wert verloren, dass sie nicht mehr mitbieten können.

Nein, leicht hat Ron Sommer es wahrlich nicht. Jetzt muss er sogar noch ohne Chefstrategen auskommen. Vordenker Thomas Baubin verließ ihn zu Silvester aus "persönlichen Gründen". Den vakanten Posten übernahm Sommers Büroleiter Max Hirschberger.

Kein guter Start in das Jahr, das für den Telekom-Chef über Sein oder Nichtsein entscheidet.



T - S Y S T E M S

Radikaler Kahlschlag

Das Joint-Venture zwischen Telekom und Debis droht zu scheitern. Der Machtanspruch der Telekom, unterschiedliche Firmenkulturen und die Uneinigkeit in strategischen Fragen machen dem neuen Chef Christian Hufnagl zu schaffen.

Von EVA MÜLLER und ANNE PREISSNER

Februar 2001


Das Ambiente war edel, die Stimmung glänzend – doch nicht lange. Ende März 2000 hatte die Telekom die Übernahme des Debis Systemhauses von DaimlerChrysler angekündigt. Als sich am 2. Mai im Bankettsaal auf dem Petersberg die Spitzen von Debis und DeTeSystem zum Kennenlernen trafen, verdarb ihnen Ron Sommer (51) gleich die Laune.

Wem seine Strategie nicht passe, verkündete der Telekom-Chef selbstherrlich, der könne das geplante Joint-Venture gleich verlassen.

Nahezu das gesamte Topmanagement des DaimlerChrysler-Ablegers nahm die Aufforderung wörtlich. Mit den Führungskräften stiegen zudem tausende wertvoller Kopfarbeiter aus dem neuen Gemeinschaftsunternehmen T-Systems International GmbH aus. Die knapp elf Milliarden Mark teure Mehrheitsbeteiligung der Telekom am Debis Systemhaus droht zur fatalen Fehlinvestition zu werden.

Grund für den Massenexodus: gravierende Differenzen über die Strategie, extrem unterschiedliche Firmenkulturen, und vor allem: der absolute Machtanspruch der Telekom.

Den wollten sich die selbstbewussten Systemhaus-Manager nicht gefallen lassen; die Liste hochkarätiger Abgänge wuchs von Monat zu Monat.

Als Erster quittierte der Chef des Gemeinschaftsunternehmens, Konrad Reiss (43), im September den Dienst. Dem Ex-Systemhaus-Chef folgte Karl-Heinz Achinger (58) nach.

Achinger, vor Reiss lange Jahre Vorsteher des Systemhauses, hielt den Machtkampf nur bis Mitte November durch. Der eigenwillige Manager verkrachte sich mit dem T-Systems-Aufsichtsratsvorsitzenden Jo Brauner (50) heillos über die Organisation des neuen Unternehmens.

Hans-Jürgen Schwerhoff, der weltweit für die Betreuung von Industriekunden zuständig war, wechselte als Deutschland-Chef zum Konkurrenten EDS. Werner Bongartz, Geschäftsführer der Softwaredivision, zog eine Karriere bei Wettbewerber Atos Origin vor.

Kurt Ring (58), international für Computing Services verantwortlich, flüchtete in den Ruhestand. Ebenso Albert Blau (57), Leiter des nationalen Bereichs Systems Integration.

Zum Jahresende räumte Norbert Reithmann (42) seinen Chefsessel bei den Desktop Services – dies allerdings nicht ganz freiwillig.

Jetzt hat die Telekom endgültig die Macht übernommen. Nachfolger Achingers an der Spitze des Joint-Ventures wurde Christian A. Hufnagl (55), ehemals DeTeSystem-Chef und klar auf Sommer-Kurs. Von den sechs Geschäftsführern der T-Systems stammt mit Karl-Heinz Streibich nur noch einer aus dem Systemhaus.

Die Relation stellt die ursprünglichen Größenverhältnisse beider Unternehmen auf den Kopf. DeTeSystem war vor dem Zusammenschluss nur 1800 Mitarbeiter stark. Die Stuttgarter dagegen brachten mehr als 20.000 Kollegen ein. Die allerdings werden von Tag zu Tag weniger.

Alles ganz normal, lässt die Telekom offiziell verlauten. Insgesamt habe die Zahl der Debis-Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt 2000 nur um 2990 unter der des Vorjahres gelegen.

Insider gehen allerdings davon aus, dass bis zum 31. Dezember mindestens doppelt so viele der begehrten Kopfarbeiter abgewandert sind. Ein dramatischer Verlust an Know-how für ein Unternehmen, dessen Wert vor allem aus dem Wissen seiner Angestellten besteht. Schon spotten Telekom-Kenner, T-Systems – Europas größter IT-Dienstleister – stelle nur noch einen Hohlkörper dar.

Die Kunden beginnen zu murren. Sie vermissen ihre vertrauten Ansprechpartner und ärgern sich über Kompetenzwirrwarr.

Wichtige Kunden wie Viag Interkom, Henkel oder Debitel, die ihre Datenverarbeitung langfristig an Debis vergeben haben, sehen sich veranlasst, die Verträge zu überdenken. Höchst unangenehm, da in den kommenden ein bis zwei Jahren viele Kontrakte zur Erneuerung anstehen.

Im kurzfristigeren Geschäft mit Software-Projekten kommen ohnehin kaum noch Aufträge ins Haus. Und selbst der wichtigste Kunde, DaimlerChrysler, will in Zukunft auch bei anderen IT-Dienstleistern einkaufen. So vergibt der Autoriese heute schon Netzwerkprojekte nicht mehr allein an das Systemhaus, sondern auch an den US-Konkurrenten Worldcom.

Das "Projekt der Superlative" (Originalton Sommer), ein international führendes IT-Serviceunternehmen aufzubauen, ist im ersten Anlauf kläglich gescheitert. T-Systems-Chef Hufnagl wird sich schwer tun, einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden.

[07.07.2002: Muß Ron Sommer gehen? – Die Tage des erfolglosen „Sony-Boys“ sind gezählt]



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