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Dieser Artikel "Die Megabit-Pipeline" basiert in Teilen auf der Recherche- Vorarbeit des Internet- Magazins "t-off". Er ist im folgenden dokumentiert. Sämtliche Links und Verweise sowie aktuelle Kommentare [Ed: ...] sind in dieser Dokumentation hinzugefügt.
. All Rights Reserved.Die Megabit-Pipeline
Staatliche Regulierung und die Geschäftspolitik der Deutschen Telekom behindern den Umbau von der Industrie- in die Informationsgesellschaft.
Von STEPHAN LORZ
Nun wächst zusammen, was nach bisherigen Vorstellungen eigentlich nicht zusammengehört: der Computer mit dem Fernseher, die Stereoanlage mit der Spielkonsole und das Handy mit dem Laptop. Alle diese Geräte scheinen auf ein Medium zuzustreben: das Internet. Der Cyberspace wird genutzt zur Unterhaltung, zum Einkaufen und zum Arbeiten. Kein Wunder, daß auf allen Kanälen inzwischen drangvolle Enge herrscht. Gesucht wird darum der Turbo- Anschluß an die digitale Welt, der leistungsfähig genug ist, um Filme mit Stereosound genausogut übertragen zu können wie das neueste Online-Spiel.Das Telefonnetz scheint dazu an die Grenzen seiner Kapazität gelangt, das TV-Kabel aber als Multimedia-Super-Highway geradezu prädestiniert zu sein. Während herkömmliche Telefonanschlüsse nämlich maximal 128.000 Bit pro Sekunde durchwinken können, sind die Koaxialstrippen in die Fernseher in der Lage, bis zu 50 Millionen Informationseinheiten durch das Kupfer zu jagen. Damit wäre in einem Lidschlag eine komplette Farbseite dieser Zeitung übermittelt. In den USA und Großbritannien bestimmen deshalb nicht mehr die Telefongesellschaften die Szene, sondern die Kabelbetreiber.
Erst in dieser Woche hat die Kabelgesellschaft Comcast verkündet, sich mit MediaOne zu verbinden. Der neue Konzern erreicht damit auf einen Schlag rund 18 Prozent der US-Haushalte. Und selbst Telefongesellschaften wie AT&T lernen das Fernsehkabel als Megabit- Pipeline schätzen. Erst vor wenigen Wochen schluckte die Telefongesellschaft den Kabelbetreiber TCI.
Auch Online-Dienste wie AOL unterstützen diese Entwicklung nach Kräften. Sie sind davon überzeugt, daß mit dem leistungsfähigeren Kabel das Internet noch stärker zum Massenmedium heranwächst: Eine höhere Datenrate erlaubt lebhaftere Inhalte und wird, so das Kalkül, selbst Kundengruppen begeistern, die der Online-Welt bisher noch skeptisch gegenüberstehen.
Deutschland indes scheint wieder einmal hinterherzuhinken. Die Deutsche Telekom, der ehemalige Monopolist, hat den größten Teil der Kabelinfrastruktur in der Hand, macht aber keine Anstalten, die Leitungen zu modernisieren. Zwar bekundet der Konzern, das Netz veräußern zu wollen, nicht zuletzt auch auf Druck von EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert. Auf der Computermesse CeBIT betonte Telekom-Vorstand Gerd Tenzer jedoch, "daß niemand das Unternehmen zu diesem Schritt zwingen könne". Lediglich ein Teilverkauf ist geplant.
Interessenten für das Netz gäbe es zuhauf: die Deutsche Bank etwa oder der Softwarekonzern Microsoft. Doch der Preis, den die Telekom fordert, ist mit zwanzig Millliarden Mark allen zu hoch. Die Deutsche Bank will höchstens neun Milliarden Mark dafür berappen. Der Augsburger Kabelbetreiber Telekabel Service Süd (tss) plädiert sogar für einen allenfalls "symbolischen Preis". Der Grund: Umfangreiche Investitionen sind nötig, um die Kabelinfrastruktur erst multimediafähig zu machen.
Dieser Umstand hindert auch die zahlreichen freien Kabelbetreiber daran, ihr Netz auf Vordermann zu bringen. Die rund 5.000 ehemaligen Antennenbauer, die in den Wohnanlagen die Kabel verlegt haben und zu Netzbetreibern geworden sind, gelten als zu kapitalschwach, um die neue Technik zu installieren. Die Branche ist außerdem zu zersplittert, um ein Gegengewicht zur Telekom bilden zu können. Auch die Medienpolitiker tun alles, um den Platz im Kabel zu verknappen. TV-Sender genießen Vorfahrt, das Internet hat Überholverbot.
Dabei haben Pilotversuche gezeigt, daß das deutsche Kabelnetz mit dem nötigen Kapital relativ zügig in eine Datenautobahn umzurüsten wäre. Zusammen mit der Nortel Dasa Network Systems hat die "tss" in Berlin 1.200 Kunden angeschlossen. Rund 10.000 Haushalte hängen im Rahmen des Pilotprojekts InfoCity NRW von Otelo [Ed: nunmehr Veba/RWE] am Super-Highway. "Die Kabelnetze eignen sich in besonderer Weise, dem Internet Beine zu machen", heißt es im Abschlußbericht. Schon in diesem Jahr will Otelo multimediafähige Kabelanschlüsse anbieten. [mehr]
Daß man beim Kabel aber nicht an der Deutschen Telekom vorbeikommt, mußte Kabelfernsehen München ServiCentre erfahren. Etwa 400 Kunden wurden via "CableSurf" schon ins Internet gebracht. Insgesamt könnten die Münchner sogar 375.000 Haushalte anschließen und die Geschwindigkeit von 550 Kilobit auf 27 Megabit pro Sekunde erhöhen. Doch die Telekom, von der die Münchner die Kanäle beziehen, erlaubt die Modernisierung nicht, "mit fadenscheinigen Argumenten", wie Cablesurf-Managerin Katharina Fürst betont.
Der Grund für die Blockadehaltung: Sie sehen im TV-Kabel eine Konkurrenz für ihre erst mühevoll modernisierte Telefoninfrastruktur. Kunden, die einen breitbandigen Anschluß wollen, sollen statt zum TV-Kabel lieber zu TDSL greifen. Die neue Technik bringt den dünnadrigen Telefondraht auf Touren: Statt 128.000 Bit pro Sekunde kann die Telekom damit 768.000 Bit übertragen. Ein solcher Zugang ist damit zehnmal so schnell wie ein herkömmlicher Telefonanschluß und immer noch sechsmal flotter als das vielgepriesene ISDN. Für 98 Mark im Monat werden Internet-Surfer in einen regelrechten Geschwindigkeitsrausch verfallen, gibt sich Telekom-Vorstand Tenzer überzeugt.
Doch durch diese aus Konzernsicht durchaus verständliche Geschäftspolitik droht Deutschland den Anschluß an das digitale Zeitalter zu verlieren. TV-Kabelnetze sind nämlich nicht nur schneller als Telefonnetze, sondern auch geradezu dazu prädestiniert, Haushalten eine Standleitung ins Internet zur Verfügung zu stellen. Telefoniert werden kann ja nach wie vor via Telefonnetz. Umfragen zufolge wird die Nutzung des Internets schließlich erst dann für den Privatkunden selbstverständlich, wenn alle Geräte permanent am Datennetz hängen, der Cyberspace sich quasi auf Mausklick öffnet. In den USA ist dies bereits schon länger gang und gäbe. AT&T etwa bietet seinen Kunden für knapp 40 Dollar einen solchen 24-Stunden-Zugang an.
Die Blockade der Telekom hat nun dazu geführt, daß sich die Anbieter um Techniken bemühen, die Telekomnetze zu umgehen. Relativ gute Chancen rechnen sich dabei die Anbieter von Internet- Zugängen via Satellit aus. Sigram Schindler von der Teles AG ist sich sicher, daß "ein permanenter Internet- Zugang mit handelsüblichen Antennen und Satelliten kostengünstig zu realisieren ist". Ab Juli will Teles für einen monatlichen Pauschalpreis von 50 Mark auch Privathaushalten ihren SkyDSL-Dienst anbieten mit einer Kapazität bis zu zwei Megabit pro Sekunde. Das ist deutlich mehr, als die Telekom mit TDSL heute offeriert.
Mit Satellitentechnik wären auch die kleinen Kabelbetreiber die Bremser der Telekom los. Aus dem Erdorbit könnten die Kabel-Kopfstellen mit einem Internet- Zugang versorgt und das Signal dann via Draht weitergeleitet werden. Vergleichbare Installationen hat die Firma Hot-Telecommunications, eine Tochter des amerikanischen Hughes- Konzerns, bereits für große Unternehmen realisiert. Und je mehr Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen werden, desto günstiger ließe sich eine solche Verbindung auch schalten, prognostiziert Hot-Manager Christoph Baus.
Einen anderen Telekom-Bypass könnte die Stromleitung darstellen. Daten über das Stromnetz zu übertragen ist zwar nicht neu, denn schon in den dreißiger Jahren wurden Signale über das Ab- und Anschalten von Nachtspeicheröfen über Stromkabel übertragen, doch inzwischen erscheinen Datengeschwindigkeiten von bis zu zwei Megabit pro Sekunde in greifbarer Nähe. "Künftig wird es möglich sein, mit einem Vielfachen von ISDN im Internet zu surfen und über das Stromnetz zu telefonieren", erklärte unlängst der Stromversorger RWE.
Doch die aufkommende Euphorie ist überzogen. Die Stromer sind noch weit vom großtechnischen Einsatz entfernt. Die elektromagnetischen Abstrahlungen können den Radioempfang in der Nähe und den Mobilfunk stören. Und der ist als Alternative zur Telekominfrastruktur in der Entwicklung schon viel fortgeschrittener. Der neue Mobilfunkstandard UMTS etwa erlaubt eine Übermittlungsgeschwindigkeit von bis zu zwei Millionen Bit pro Sekunde. Auch hiermit wäre eine Internet-Anbindung zu realisieren noch dazu schneller als die Telekom mit TDSL "erlaubt".
Angesichts dieser Möglichkeiten mögen sich in naher Zukunft die Telekom- Manager fragen, ob es 1999 nicht besser gewesen wäre, die Kabelnetze gleich internettauglich zu machen und der Konkurrenz zu öffnen [Ed: statt aufs jahrelange Verzögern des Verkaufs zu setzen]. Dann bekäme der Ex-Monopolist zumindest noch eine Nutzungsgebühr. Bei Internet via Stromnetz oder Funk indes geht die Telekom leer aus.
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