Achtung! Diese Archiv-Seiten dienen nur noch dokumentarischen Zwecken!Sehr viele Links sind nicht mehr aktiv. Aktuelles finden Sie evtl. auf der khd-Page oder im khd-research.net.![]() ![]() |
Dokumentiert sind hier in Auszügen oder als Links zum
SPIEGEL-Archiv einige
ausgewählte und in einer Zusammenstellung besonders interessante
Artikel aus dem SPIEGEL. Dieses
Copyright- geschützte Material wurde hier wegen der permanenten
Link-Möglichkeit (HTML-Anker) dokumentiert. Bitte beachten Sie
das Copyright, das beim Spiegel-Verlag (Hamburg) liegt. Tippfehler
gehen zu meinen Lasten.
Hinweis: Der Zugang zum SPIEGEL-Archiv ist im Mai 1997 kostenpflichtig geworden. Deshalb besteht nun meist keine Möglichkeit mehr, direkte Links zu älteren Artikeln anzugeben. Schade! Beachten Sie auch, daß hier angegebene (ältere) Archiv-Links nun nicht mehr funktionieren. Und der Relaunch zum 1. April 1999 hat alles nur noch mehr durcheinandergebracht.
US-Senatoren: Telekom darf nichts kaufen
Die Deutsche Telekom wird sich bei der Übernahme eines US-Telefonkonzerns schwer tun. Mitglieder des US-Senats wollen den deutschen Konzern daran hindern und haben offenbar das Recht auf ihrer Seite.
Aus: Spiegel Online 4. Juli 2000, 2.11 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BONN. "Die Senatoren scheinen offensichtlich nicht zu wissen, wie Märkte funktionieren", sagte Telekom-Sprecher Ulrich Lissek. Das "Wall Street Journal" hatte zuvor berichtet, 30 der 100 US-Senatoren hätten sich in einem Brief an die Branchenaufsicht FCC gegen eine Übernahme großer US-Telefonkonzerne durch die Telekom gewandt.
Die Senatoren stoßen sich daran, dass die Telekom mehrheitlich im Staatsbesitz ist. Nach dem dritten Börsengang hält der Bund direkt und indirekt noch rund 58 Prozent am Kapital der Telekom. Es gebe keinen Grund, diese Art Protektionismus zu unterstützen. Deutschland sei zehn Mal offener als die US-Märkte. Ein ausländischer Investor könne problemlos in Deutschland investieren, betonte Lissek.
Schlechte Karten für die Deutsche Telekom Das US-Gesetz, so das "Wall Street Journal" weiter, verbiete den Transfer von Lizenzen an Unternehmen, die sich zu mehr als 25 Prozent im Staatsbesitz befänden. So sei gegen den Kauf der US-Mobilfunkfirma AirTouch durch den privaten britischen Konzern Vodafone nichts einzuwenden gewesen.
Nach dem Scheitern der geplanten Fusion von WorldCom und Sprint wird seit Tagen über einen Kauf von Sprint durch die Telekom spekuliert. Vorstandschef Ron Sommer hatte in den vergangenen Monaten immer wieder eine große Akquisition in Nordamerika und Europa angekündigt.
Sprint ist die drittgrößte US-Ferngesprächsgesellschaft und würde nach Einschätzung von Analysten gut zur Telekom passen. Als Preis werden 100 Milliarden Dollar genannt. Auf der Hauptversammlung im Mai hatte sich die Telekom von den Aktionären 1,5 Milliarden Aktien zusätzliches Kapital genehmigen lassen.
Gegenwärtig sind der Telekom noch die Hände gebunden: Für das Unternehmen gilt wegen des dritten Börsengangs Mitte Juni noch eine Stillhaltefrist von 30 Tagen. In dieser Zeit dürfen nach den Regeln der US-Börsenaufsicht SEC keine größeren Kurs beeinflussende Maßnahmen angekündigt werden. [mehr]
Voice over IP: Die Zukunft gehört der Internet-Telefonie
Seit Jahren versprechen die Entwickler den Beginn einer neuen Ära: Das Telefonieren übers Internet soll weltweite Ferngespräche zum Ortstarif ermöglichen, doch noch kämpfen die Hersteller der Voice-over-Internet-Protokoll-Technik (VoIP) mit nicht unerheblichen Problemen.
Aus: Spiegel Online 4. Juli 2000, 2.14 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]Vor allem für Unternehmen besteht der Vorteil der Voice-over-IP-Technologie darin, dass nur ein einziges Netz zur Übertragung von Sprache und Daten benötigt wird. Telefoniert wird dabei über den Computer, entweder mit Headset oder Telefon. Trotzdem ist es möglich, gleichzeitig zu telefonieren und mit dem eigenen Personalcomputer im firmeneigenen Netzwerk Daten zu übermitteln.
Nach der alten Technik sind stets zwei Leitungen notwendig: Zum einen das herkömmliche Telefon, das an der firmeninternen Telefonzentrale, und zum anderen der PC, der an einem firmeneigenen Server hängt. Beide müssen separat verkabelt werden.
Doch das sind nicht die einzigen Vorteile von "VoIP"-Lösungen. Voice over IP senkt nicht nur die direkten Verbindungskosten, es hat auch das Potential, mehrere Gespräche über eine einzige Leitung zu "bündeln". Während man bei der klassischen Telefonie im Grunde zwei Leitungen für die Dauer des Gespräches fest "mietet" (von A nach B und zurück), setzt VoIP auf Internet- Protokollen auf und "zerhackt" die Sprachinformation zu Päckchen. Vorteil: Selbst über eine einzige analoge Leitung lassen sich so die Sprachdaten mehrerer Gespräche parallel übertragen.
Callcenter:
Die Kosten der Servicetelefone ließen sich durch VoIP drastisch reduzieren.Und es geht noch weiter: Mit der IP-Telefonie können sich Unternehmen zwar nicht den Aufbau eines eigenen Netzwerkes für Ihre Hardware ersparen, doch in Zukunft entfällt das teure Nachrüsten der Telefonanlagen. Stattdessen wird das Telefon der Zukunft ein einfaches Netzgerät, und nur die Server- Software bedarf noch regelmäßiger Updates.
Marktführer im Bereich der Internet-Telfonie ist derzeit das Unternehmen Net2Phone. Im letzten Jahr machte die Firma einen Umsatz von immerhin rund 60 Millionen Mark und fuhr Verluste von rund 40 Millionen Mark ein. Der Gesamtumsatz der jungen VoIP-Branche wird vom Marktforschungsunternehmen International Data Corp. (IDC) auf rund 480 Millionen Dollar für 1999 geschätzt. Binnen fünf Jahren soll der Umsatz auf satte 19 Milliarden Dollar steigen.
Drei Milliarden für ein Defizit-Unternehmen?
Eine Mondzahl? Die großen Telekommunikationsunternehmen sehen die "kleinen Konkurrenten" durchaus als ernstzunehmende Bedrohung ihrer Stammmärkte. AT&T, Amerikas größter Telekommunikationsdienstler investierte präventiv in Net2Phone und ließ sich 32 Prozent der Aktien stolze drei Milliarden Mark kosten. Mittelfristig will AT&T diesen Aktienanteil auf 39 Prozent ausbauen. Auch AOL und Yahoo investierten in Net2Phone-Anteile: das VoIP- Unternehmen gilt selbst in Zeiten der Internet-Ernüchterung noch als echter Tipp.Wenn das Potential also so groß ist, was behindert noch den Durchbruch der VoIp-Technologien? Das Hauptproblem ist im Moment das mangelnde Zusammenwirken der unzähligen Produkte. Und dieses beruht auf dem viel zu unscharf gefassten Standard "H.323" der International Telecommunications Union (ITU), der als Basis für die Interoperabilität für Produkte von verschiedenen Herstellern dient.
Bei der Verabschiedung war man noch davon überzeugt, dass der Standard die Hersteller bei ihren Entwicklungen zur Unterstützung von kompatiblen Voice-Produkten verpflichten würde. Tatsächlich wurde dabei aber übersehen, dass gewisse Punkte gar nicht geregelt sind: Heute gibt es zu viele Interpretationen von H.323, die sich in zu vielen Details unterscheiden.
In der Praxis bedeutet dies, dass die Anwender im firmeneigenen Netzwerk zwar jederzeit problemlos über VoIP Gespräche führen können, doch sobald das Gespräch in ein Fremdnetz geht, funktionieren viele Leistungsmerkmale wie Anklopfen oder Rufnummernerkennung nicht. Oft und das betrifft auch Privatanwender bleiben die Telefonate auch eine "Einbahnstraße" oder die Verbindung wird ganz abgebrochen spätestens dann, wenn der Gesprächspartner auf fünf-, sechmaliges "Hallo?" keine Antwort erhält. Da wird die VoIP-Telefonie schnell zum "anonymen Anruf".
Den VoIP-Vorreitern unter den Unternehmen und Privtanwendern bleibt so nichts, als die herkömmliche Telefonanlage bis zu einem nahtlosen Übergang erst einmal weiterzubetreiben.
In Zukunft abhörsicher
Einen neuen Schub erhält die Internet-Telefonie aber gerade durch die nächste Generation des IP-Protokolls IPv6. Im Vergleich zur Vorgängerversion beinhaltet die Fortschreibung einen nahezu unendlich erweiterten Adressraum, eine Bandbreitenreservierung und durch eine eingebettete Verschlüsselung erstmals das Potential für gesicherte Gespräche.
Auch wenn viele Anbieter schon angetreten sind, den großen Telekommunikationsfirmen mit sehr niedrigen Gebühren die Kunden abzujagen, so stecken sowohl VoIP als auch IPv6 noch am Anfang ihrer Implementierung. Beide Technologien werden wahrscheinlich zusammen auf Erfolgskurs gehen.
Internet- Telefonie ist interessant für Kunden, die häufig Ferngespräche führen. Neue Verschlüsselungs- techniken sollen die IP-Telefonie zudem abhörsicher machen. Von den Problemen abhalten lässt sich bei dem ausgemachten Milliardenmarkt so schnell niemand: So bietet Siemens, um den Weg ohne Neuinvestition in die "New World" zu ebnen, einen kostengünstigen Plug-and-Play-IP-Adapter, der die bereits 7,5 Millionen ausgelieferten "optiset E-Systemtelefone" zu echten IP-Telefonen macht.
Net2Phone hat seine Software bereits als neuen Bestandteil im Netscape Navigator 6, Preview Release 1 Anfang April präsentieren können. "Das erste Mal können Internet- User rund um die Welt direkt Anrufe aus ihrem Browser tätigen. Ein Button in der Personal Toolbar des Netscape Navigator ist von höchster Wichtigkeit für das Internet, und wir freuen uns sehr über die Integration in Netscapes Browser", schwärmt Howie Balter von Net2Phone.
Wirtschaftsminister Müller sieht "Neue Ökonomie" in Deutschland
Aus: Spiegel-Pressemeldung 8. Juli 2000, 10.39 Uhr zum Artikel "New Economy auf Deutsch" im SPIEGEL 28/2000, 10. Juli 2000, Seite 86 (Wirtschaft).HAMBURG. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller sieht Deutschland nach einem Bericht des Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL kurz vor dem Eintritt in eine "Neue Ökonomie" nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten. Wie in den USA werde sich in Deutschland "mittelfristig eine langanhaltende, inflationsfreie Aufschwungphase mit einem deutlichen Beschäftigungszuwachs und hohen Produktivitätsraten" entwickeln, zitiert das Magazin aus dem Wirtschaftsbericht 2000, den Müller in der nächsten Woche vorstellen wird.
Bis zum Jahr 2010 würden, angetrieben durch die Unternehmen rund um das Internet, allein in der Informations- und Kommunikationsindustrie 750.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, heißt es in dem Bericht. Schon in diesem Jahr könnte sich die Zahl der in Unternehmen des Neuen Markts Beschäftigten um 80.000 erhöhen und damit fast verdoppeln. Dienste- und Programmanbieter für das Internet, die noch nicht an der Wachstumsbörse gehandelt würden, schafften dieses Jahr noch einmal rund 60.000 neue Arbeitsplätze.
Für ihre Prognosen haben die Beamten des Wirtschaftsministeriums mehrere Gutachten bei Wirtschaftsforschungsinstituten und Unternehmensberatungen, darunter das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und die Unternehmensberatung Roland Berger, in Auftrag gegeben. [mehr]
Die Internetisierung der Old Economy
Weshalb die Vorstandsvorsitzenden großer Firmen deren Internet-Aktivitäten nicht mehr den Youngstern überlassen, sondern zur Chefsache machen auch wenn der Chef an der Schwelle zur Sechzig steht und kein "Heavy User" ist.
Aus: Spiegel Online 11. Juli 2000, 8.31 Uhr (nur elektronisch publiziert) von PETER GLOTZ. [Original]Deutschland tritt in ein neues Stadium der "Internetisierung": Jetzt stellen sich immer mehr traditionelle Unternehmen, so genannte "Incumbents" (Amtsinhaber) auf das E-Business ein. Die Zeit scheint vorbei, als Vorstandsvorsitzende vom World Economic Forum in Davos zurückkamen, einen Workshop einberiefen und irgend einem viel versprechenden Youngster sagten: "Machen Sie mal". Eine Umfrage der weltweiten Beratungsfirma Booz Allen & Hamilton bei 600 CEOs auf der ganzen Welt zeigt, dass die Etablierten wach werden.
92 Prozent von ihnen glauben, dass das Internet den Weltmarkt von Grund auf verändern werde, 61 Prozent sehen die Chance, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, Kosten zu reduzieren, ihre Aktivitäten zu globalisieren und schneller am Markt zu sein. Die erstaunlichste Zahl der Umfrage aber besagt, dass 30 (!) Prozent der Befragten davon ausgehen, dass das Internet sie zwingen werde, ihre gesamte Strategie zu überarbeiten, weil sie sonst von kleineren, aber schnelleren Konkurrenten überholt würden. Das zeigt das gewaltige Ausmaß der Veränderungen, die bevorstehen.
Natürlich: Noch sind die meisten "Incumbents" zwar auf dem Sprung, aber noch nicht gesprungen. In Deutschland gibt es Ausnahmen: Bertelsmann, SAP, die Kirch- Gruppe, Metro, Lufthansa, DaimlerChrysler liegen in der Kurve oder haben sie gar schon gekriegt. Viele haben aber erst ein Website- Angebot platziert, höchstens die Hälfte stellen schon Kundendienstleistungen übers Netz zur Verfügung und nur etwa ein Drittel haben tatsächlich ein E-Business, mit dem sie Transaktionen online entwickeln können. Die Old Economy hat das Internet am Horizont entdeckt und marschiert in Richtung Horizont. Aber nur wenige schöpfen schon handfesten Mehrwert aus dem Netz der Netze.
Das hängt mit Anfangsfehlern zusammen, die immer wieder gemacht werden. Erfolgreiche E-Business- Ansätze brauchen zum Beispiel eine klare Vision, die nur bei vollem Engagement des Top-Managements realisiert werden kann. Zwar kann es bei großen Unternehmen sinnvoll sein, die Internet- Aktivitäten zuerst einmal in ein eigenes, neues, kleines und schnelles Unternehmen auszulagern. Die Machtkämpfe in der Linie großer Läden können allzu verzögernd wirken. Man denke nur an die Ängste, dass traditionelle Produktlinien kannibalisiert werden könnten. Solche Ängste die oft genug einen realen Hintergrund haben können zu einer rigiden Blockadepolitik führen. Es ist aber höchst fragwürdig, das Engagement den Freaks und Spezialisten zu überlassen, die dann oft genug ohne Abstimmung mit den operativen Bereichen herumtappen und die Sicht des Gesamtunternehmens vernachlässigen. Das Internet muss Chefsache sein, und zwar auch dann, wenn der Chef an der Schwelle zur Sechzig steht und kein "Heavy User" des Internets ist.
Auch wird für etablierte Unternehmen die Rekrutierung und Bindung fähiger Mitarbeiter zu einem entscheidenden Problem. Die hochklassigen Symbolanalytiker verlangen flache Hierarchien, hohe Teamorientierung, echte Delegation von Verantwortung und Stock Options oder andere attraktive Anreizsysteme. Das ist bei "Incumbents" oft nur schwer zu realisieren oder braucht jedenfalls Übergangsfristen, die zu lang sein können. Auch deswegen kann das Internet nicht die Probebühne für Vorstandsassistenten sein. Die Internetisierung verlangt die Entscheidung für strategische Bündnisse, ein neues Preismanagement oder ein entschiedenes "Branding", alles Aktivitäten, die das Engagement des Top- Managements erfordern. Langsam setzen sich diese Erkenntnisse durch. Künftig muss man nicht nur auf die Start-ups schauen. Die "Incumbents" ziehen nach; das wird die deutsche Wirtschaft nachhaltig verändern.
Intelligent dargestellt ist diese Entwicklung bei Booz Allen & Hamilton: "10 Erfolgsfaktoren in e-business". FAZ-Institut, Frankfurt am Main; 180 Seiten; 49,80 Mark.
Doch keine Steuer auf privates Surfen am Arbeitsplatz
Das Finanzministerium hat angesichts des Sturms der Empörung auch aus den eigenen Reihen seine Pläne zur Besteuerung des Privatsurfens am Arbeitsplatz ganz schnell wieder eingepackt.
Aus: Spiegel Online 16. Juli 2000, 14.31 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BERLIN. Die FDP-Bundestagsfraktion moserte umgehend, als am Freitag der Plan des Finanzministeriums bekannt wurde, privates Surfen am Arbeitsplatz ebenso wie private Telefongespräche zu besteuern. Auch aus der eigenen Fraktion kamen harsche Töne: Der Medienexperte der SPD, Jörg Tauss, forderte, der Erlass müsse "unverzüglich vom Tisch".
Das Eichel-Ministerium lenkte schnell ein, nach dem Motto: Bloß keine Diskussion über die Technikfeindlichkeit der Bundesregierung. "Es ist für die Entwicklung dieses Zukunftsmarktes von entscheidender Bedeutung, dass die Initiativen von Unternehmen, die Mitarbeiter an diese Technologien heran zu führen, nicht behindert werden", erläuterte der Sprecher des Ministeriums, Torsten Albig, am Sonntag in Berlin.
Überzeugt ist man in der Behörde immer noch von der Fairness der Steuer: Es wäre steuersystematisch richtig, dass die bereits für private Telefonate am Arbeitsplatz geltenden Regeln auch auf das Surfen angewendet und als "geldwerter Vorteil" versteuert werden müssten, sagte Albig. Doch man dürfe dieses Thema nicht allein unter diesem Gesichtspunkt diskutieren. Die Bundesregierung werde deshalb "das Gespräch mit den Ländern suchen, ob es andere Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem gibt", sagte Albig und fügte hinzu, die Überlegungen zur Besteuerung von Internet-Surfen gingen auf Vorschläge von Steuerfachleuten zurück.
Das Finanzministerium hatte am Samstag zunächst einen Bericht der "Stuttgarter Zeitung" bestätigt, wonach privates Internet-Surfen künftig wie Telefonieren am Arbeitsplatz behandelt werden solle. Telefonate oder das Einwählen in das Internet müssten somit aufgezeichnet und versteuert werden. Es könne in jedem Bereich der Nachweis geführt werden, ob sich der Arbeitnehmer privat oder dienstlich in das Internet eingewählt habe. Der Arbeitgeber könne jedoch auch das private Surfen und Telefonieren verbieten. Dann verlange der Fiskus aber einen Nachweis der Kontrolle. [mehr]
Surfsteuer "lebensfremd und kontraproduktiv"
Das Vorhaben sorgte für einen Proteststurm in der Netzgemeinde. Im Bundesfinanzministerium gab es Pläne, das private Surfen am Arbeitsplatz zu besteuern. Jetzt ruderte die Bundesregierung zurück. Der Staatsminister im Kanzleramt, Hans Martin Bury, im SPIEGEL Online- Interview über lebensfremde Überlegungen und eifrige Beamte.
Aus: Spiegel Online 17. Juli 2000, 18.43 Uhr (nur elektronisch publiziert). Das Interview führte RÜDIGER DITZ. [Original]SPIEGEL Online: Am Freitag hieß es noch, privates Surfen am Arbeitsplatz soll besteuert werden. Jetzt rudert die Bundesregierung zurück: Warum der rasche Rückzug?
Bury: Die Pole Position in der Silicon Rallye gewinnt man nicht mit Bürokratie, sondern mit qualifizierten und motivierten Arbeitnehmern, deshalb werden wir keine bürokratischen Hürden aufbauen. Im Gegenteil: Die Bundesregierung will den Weg frei machen für die breite Nutzung des Internet. Eine private Nutzung des Internet im Betrieb bleibt deshalb steuerfrei. Auch eine Aufzeichnungspflicht wird es nicht geben.
SPIEGEL Online: Woher rührten denn die Pläne?
Bury: Da haben sich ein paar fleißige Finanzbeamte etwas ausgedacht, was weder den Vorstellungen des Bundesfinanzministers, geschweige denn denen des Bundeskanzlers entspricht. Steuersystematisch, formal haben sie sicherlich richtig argumentiert, aber das ist lebensfremd und kontraproduktiv. Deshalb werden die Pläne auch nicht Wirklichkeit werden.
SPIEGEL Online: Aber die Argumentation, geldwerte Vorteile am Arbeitsplatz sind steuerpflichtig, ist doch eingängig.
Bury: Wir reden hier über Beträge, bei denen der Verwaltungsaufwand mögliche Einnahmen bei weitem überstiege. Deshalb ist die Steuerfreiheit eine pragmatische Lösung. Und auch von der Symbolik her ist es ungeheuer wichtig, dass wir keine bürokratischen Hürden errichten.
SPIEGEL Online: Der Aufschrei in der Netzgemeinde war nicht zu überhören.
Bury: Stimmt. Auch ich bin mit E-Mails überschüttet worden.
SPIEGEL Online: Offenbar auch aus den eigenen Reihen. Der SPD- Medienexperte Jörg Tauss forderte, die Pläne müssten unverzüglich vom Tisch. Geben Sie dem öffentlichen Druck nach?
Bury: Nein. Noch mal: Wir wollen keine bürokratischen Hürden. Die Besteuerungsidee war politisch nicht abgestimmt. Im Gegenteil: Ich finde, dass auch der Internet-Zugang zu Hause einer steuerlichen Abzugsfähigkeit des PCs nicht grundsätzlich entgegenstehen sollte. Deshalb habe ich das Finanzministerium gebeten, hier Pauschalregelungen zu erarbeiten.
SPIEGEL Online: Wie schnell könnte es hierfür eine Regelung geben?
Bury: Ich denke, da werden wir sehr zügig zu pragmatischen Lösungen kommen. Damit diejenigen, die sich intensiv mit dem Medium beschäftigen, rasch Unterstützung bekommen.
18.7.2000 (t-off). Ausgelöst wurde die ganze Diskussion durch einen Erlaß des Bundesfinanzministeriums, die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz der privaten Nutzung des Telefons am Arbeitsplatz gleichzustellen [Ed: und was ist mit dem geldwerten Vorteil beim Klopapier, das der Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung stellt?]. Das Finanzministerium hatte den Entwurf bereits Ende Mai im Internet als RTF-Datei in einem EXE-Archiv veröffentlicht, was nur auf PCs lesbar ist. Erst nach der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt gab es nun Protest. Der Vorschlag für die Besteuerung privaten Surfens am Arbeitsplatz kam nach Angaben des Finanzministeriums auf Bitten der Länder zustande, die vermeiden wollen, daß es 16 verschiedene Regelungen in dieser Frage gibt.
Telekommunikation: EU verabschiedet Reformpaket
Europas Telekommunikationsmärkte waren noch vor wenigen Jahren fest in den Händen weniger, meist staatlicher Monopolisten. Das ist vorbei, geht der Europäischen Kommission aber noch nicht weit genug. Überraschend legte sie ein Vorschlagspaket vor, das die Branche noch einmal erschüttern könnte.
Aus: Spiegel Online 22. Juli 2000, 18.14 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BRÜSSEL 17. Juli 2000. Kurz vor der Sommerpause stellte die Europäische Kommission ein Paket von Legislativ- Vorschlägen vor, die den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikation verschärfen sollen. Damit will sie die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte weiter vorantreiben. Überraschend ist das Verbot von Spams im Rahmen der neuen Datenschutzrichtlinie.
Schon heute stellt die Industrie der Informationsgesellschaft bereits jeden vierten neuen Arbeitsplatz in Europa. Zwar sind die TK-Märkte in fast allen Mitgliedstaaten seit dem 1. Januar 1998 vollständig liberalisiert, doch der Wettbewerb auf den lokalen Märkten lässt nach wie vor zu wünschen übrig [Ed: so gibt es in Deutschland wg. Falschregulierung praktisch keinen Ortsnetzwettbewerb]. IT-Kommissar Erkki Liikanen stellte fest: "Die etablierten Betreiber belegen noch immer eine mit Abstand beherrschende Position." Niedrigere Preise, höhere Qualität und neueste Telekom- und Internet-Dienste werde es aber nur durch einen "intensiven, lauten Wettbewerb" geben.
EU-Kommissar Erkki Liikanen setzt auf die Formel "Verschärfter Wettbewerb = mehr Liberalisierung" Eine logische Konsequenz der nur halbherzigen TK-Liberalisierung in den EU-Ländern auch in Deutschland Mit den neuen Vorschlägen wird der Rechtsrahmen von derzeit 28 auf acht Rechtsvorschriften reduziert: Fünf Harmonisierungsrichtlinien unter anderem über Genehmigungen, Zugang und Zusammenschaltungen, Universaldienste und Nutzerrecht sowie den Datenschutz bei Telekommunikationsdiensten liegen jetzt auf dem Tisch. Ebenso eine Verordnung über die Endbündelung des Teilnehmeranschlusses, ein Entwurf einer Liberalisierungsrichtlinie sowie eine Entscheidung über die Grenzpolitik der Gemeinschaft müssen jetzt noch durch das Europäische Parlament.
Schneller und billiger in die Ortsnetze
Bis Ende 2001 sollen die neuen Rechtsvorschriften eingeführt werden. Für die Verbreitung des Internet am entscheidendsten ist der Entschluss über die Entbündelung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss. Denn damit wird ein billigerer und schnellerer Internet-Zugang über die Kupferdraht-Ortsnetze ermöglicht. Diese Verordnung sollen alle Mitgliedstaaten schon bis zum 31. Dezember 2000 umsetzen [Ed: wobei die Berliner Regierung schon signalisierte, daß sie wg. der noch ausstehenden Telekom- Börsengänge derzeit keine Novellierung des unzulänglichen TK-Gesetzes von 1996 wünsche].So muss in Deutschland die Deutsche Telekom ihren Wettbewerbern den Zugang zu ihren Kupfer-Teilnehmeranschlüssen "zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen" ermöglichen. Darunter versteht die Kommission die "gleichen Bedingungen, wie sie für die Betreiber selbst oder deren angeschlossenen Unternehmen gelten". Die Preise dafür müssen sich an den Kosten orientieren, "so lange der Wettbewerb nicht ausreicht, um überhöhte Preise zu verhindern."
Tatsächlich verläuft auch der Privatisierungsprozess bei Fernsehkabeln äußerst schleichend. Erst am 20. Juni hatte die Kommission den ersten Verkauf eines regionalen Kabelfernsehnetzes der Deutschen Telekom genehmigt: Die US-amerikanische Investmentgruppe Callahan erwarb von der Deutschen Telekom die Kabel Nordrhein-Westfalen (KNW).
Mehr europäisches Gewicht im Funknetzen
Nicht zu unterschätzen ist die Entscheidung der Kommission zur Funkfrequenzvergabepolitik. Nicht zuletzt die milliardenschweren UMTS-Auktionen zeigen, welche Rolle die Funklizenzen für Mobilkommunikation spielen werden. Die beschlossenen Regelungen zielen auf eine "harmonisierte Verfügbarkeit."Die Regelung ist auch Voraussetzung für die Implementierung von "Galileo", dem geplanten europäischen Satellitennavigationssystem und Konkurrenten des US-amerikanischen GPS-Systems. Mit ihrer Politik will die EU ihre Interessen in internationalen Verhandlungen absichern.
Spams europaweit geächtet
Die im Bereich des Datenschutzes vorgeschlagene Richtlinie, die die am 15. September 1997 verabschiedete 97/66/EG ersetzen soll, sorgt für Überraschungen. Das Wichtigste zuerst: Sie verbietet das Spamming. Mit einer Ausnahme: Erlaubt sind Spams nur, falls Teilnehmer angegeben haben, dass sie unerbetene elektronische Post für Zwecke der Direktwerbung erhalten wollen (Opt-In-Lösung).Hintergrund ist, dass aus E-Mail-Adressen oft nicht hervorgeht, in welchem Land der Empfänger wohnt. Unterschiedliche Regelungen im Binnenmarkt funktionieren deshalb nicht immerhin verbieten derzeit vier Mitgliedstaaten das Spamming. Damit bleibt den Mitgliedstaaten es nicht wie bislang laut E-Commerce-Richtlinie überlassen, welche Maßnahmen sie gegen Spams ergreifen wollen.
Die Datenschutzrichtlinie soll die bisherigen Bestimmungen an die neuen Entwicklungen im Bereich der elektronischen Kommunikationsdienste und -technologien anpassen. So wird klargestellt, dass neben Telefonverbindungen, auch paketvermittelte Übertragungen geschützt sind. Die Verarbeitung von Verkehrsdaten ist nur mit Einwilligung der Nutzer möglich.
Ortung per Standortdaten
Geschützt sind auch Standortdaten, wie sie in Mobilfunknetzen nötig sind. Grund: "Die Fähigkeit zur Verarbeitung sehr genauer Standortdaten in mobilen Kommunikationsnetzen sollte nicht dazu führen, dass sich die mobilen Nutzer unter ständiger Überwachung befinden". Die Neuregelung sieht vor, dass Standortdaten nur mit Einwilligung verwendet werden dürfen und dass die Teilnehmer die Verarbeitung ihrer Standortdaten zeitweise einfach unterdrücken können.Allerdings gibt es davon Ausnahmen: Notdienste sowie Strafverfolger benötigen keine vorherige Einwilligung. In Deutschland schrieb die im Mai 1995 erlassene Fernmeldeverkehrs- Überwachungsverordnung (FÜV) erstmals die technischen Details der TK-Überwachung vor. Abgehörter TK-Verkehr sollte demnach unverschlüsselt an die "Bedarfsträger" Polizeien, Geheimdienste und Zollkriminalamt geliefert werden.
Mit der Übermittlung der Funkzelle beim Anruf eines Handys ermöglichte die FÜV erstmals im Ansatz Bewegungsbilder in Funknetzen ein Anrufversuch der Überwacher genügt, um die Übermittlung der Funkzelle zu erzwingen. Mit so genannten IMSI- Catchern, die Handys eine Basisstation vorgaukeln, wollten die Bundesländer sogar auch die richterliche Kontrolle der Telefonüberwachung aushebeln. Die ehemalige liberal-konservative Bundesregierung wollte sie dagegen nur zur Ermittlung der Handy-Kennung, der IMSI, nutzen. Nach wie vor steht die uneingeschränkte Nutzung des IMSI-Catchers auf der Wunschliste der Strafverfolgungsbehörden, erlaubt ist sie bislang nicht.
Justiz: Aufrüstung im Patentkrieg
Mit fragwürdigen Monopol-Ansprüchen auf Computerprogramme und Gene zetteln Konzerne einen weltweiten Streit um den Rohstoff der Informationsökonomie an: das Eigentum an Basiswissen. Experten warnen vor Stillstand in den Boombranchen Software- und Biotechnologie.
Hinweis auf: Der Spiegel 30/2000, 24. Juli 2000, Seite 5458 (Deutschland) von HARALD SCHUMANN.[Der Spiegel hat leider diesen lesenswerten Artikel noch nicht ins Internet gestellt]
Telekommunikation: Wir sind keine Invasoren
Telekom-Vorstand Ron Sommer über die politischen Hürden bei seiner geplanten Expansion in den USA
Aus: Der Spiegel 30/2000, 24. Juli 2000, Seite 97 (Wirtschaft). Das Interview führte KLAUS-PETER KERBUSK.SPIEGEL: Seit Monaten sind die Telekom-Unterhändler mit den Taschen voller Geld in Amerika unterwegs, um ein US-Unternehmen aufzukaufen. Bislang ohne Erfolg. Nun taucht ein weiteres Problem auf. US-Politiker wollen ausländische Firmen mit einem Staatsanteil von mehr als 25 % künftig völlig aus dem Land heraushalten. Sehen Sie noch eine Chance, demnächst in den USA Fuß fassen zu können?
Sommer: Ich bin davon fest überzeugt, denn ich halte diese Stimmen nicht für repräsentativ. Außerdem haben wir ja nicht nur Geld, sondern auch 1,5 Milliarden neue Aktien, die wir als Akquisistionswährung einsetzen können. Wenn wir die alle verwenden, sinkt der Anteil des Bundes von jetzt 58 automatisch auf 38 %.
SPIEGEL: Das hilft Ihnen nur bei einer wirklich großen Übernahme [Ed: SBC?]. Beim Kauf einer kleineren Firma würde die Telekom an der vom demokratischen Senator Ernest Hollings geplanten Hürde scheitern.
Sommer: Die Initiative von Senator Hollings ist sicher ein sehr ernstes Thema. Aber lautes Getöse wäre der falsche Weg.
SPIEGEL: Immerhin gibt es im Senat inzwischen ein parteiübergreifendes Bündnis, das die Hollings-Initiative unterstützt.
Sommer: Politiker, die das Rad der Liberalisierung zurückdrehen wollen, gibt es überall. Für mich stehen die USA aber als Vorbild für einen liberalen Welthandel.
SPIEGEL: Die US-Politiker wehren sich ja nicht gegen ausländische Unternehmen allgemein, sondern gegen Konzerne, bei denen der Staat das Sagen hat.
Sommer: Dieser Argumentation kann ich nicht folgen. Bei einem Börsenwert von rund 340 Milliarden Mark, den die Telekom verkörpert, wird jeder einsehen, dass der Bund seinen Anteil nicht plötzlich auf null fahren kann.
SPIEGEL: Die Amerikaner warten auf eine klare Aussage, bis wann sich der Bund von seinen Anteilen trennt.
Sommer: Der Bund hat immer erklärt, dass er seinen Anteil rasch reduzieren will, aber ein genauer Zeitplan würde mit Sicherheit gewaltige Aktionärswerte zerstören. Ich habe ja auch gewisses Verständnis für die Haltung der Amerikaner, aber man darf uns nicht in einen Topf werfen mit Italien [Telecom Italia] oder Spanien [Telefónica]. In Deutschland hat der Staat keine Golden Shares, die ihm ein Veto einräumen. Und man darf uns auch nicht verwechseln mir France Télécom, wo der Staat per Gesetz mehr als 50 % der Aktien halten muss.
SPIEGEL: Die USA argwöhnen, dass sich ein Staatsunternehmen mit Monopolgewinnen [Ed: aus dem lukrativen Ortsnetzgeschäft seit 1996] breit machen könnte. Wie wollen Sie diese Vorbehalte ausräumen?
Sommer: Deutschland ist nicht das Schlaraffenland des Monopols, hier herrscht knallharter Wettbewerb [Ed: aber nur beim Fernverkehr per Call-by-call]. Deutschland hat den liberalsten Telekommunikationsmarkt unter allen G8-Staaten. Es gibt hier keinerlei Restriktionen für US- Investoren. Schon bei der Vergabe der ersten Mobilfunklizenz an D2 waren bei Mannesmann zwei US-Unternehmen mit im Boot. Inzwischen sind hier zu Lande 30 US-Firmen im Festnetzgeschäft aktiv, zahlreiche Ministerien und Behörden in Deutschland wickeln ihren gesamten Telefonverkehr über ausländische Firmen ab.
SPIEGEL: Selbst wenn der Hollings-Vorstoß scheitert, sind Sie auf das Wohlwollen der amerikanischen Aufsichtsbehörde [FCC] angewiesen. Nur wenn sie feststellt, dass die Übernahme einer US-Firma nationalen Interessen dient, darf sie den Kauf genehmigen.
Sommer: Da mache ich mir keine Sorgen. Wir kommen ja nicht als Invasoren, wir schaffen ja auch Arbeitsplätze. Deshalb bleibe ich dabei: Liberalisierung darf keine Einbahnstraße sein.
US-Blockade: EU droht Konsequenzen an
Aus: Spiegel Online 24. Juli 2000, 12.21 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BRÜSSEL. Die EU-Kommission will sich gegen die mögliche US- Blockadepolitik wehren. US-Senatoren hatten angekündigt, dass sie Übernahmen von US-Telefongesellschaften durch ausländiche Staatsunternehmen per Gesetz untersagen wollen. Von den Gegenmaßnahmen der EU wäre besonders der internationale Handel betroffen.
"Es ist klar: Wenn diese Politik durchgesetzt wird, wird das Auswirkungen auf den internationalen Handel haben", sagte EU-Sprecher Michael Curtis in Brüssel. Welche Maßnahmen damit gemeint sein könnten, sagte er allerdings nicht. "Wir sind in einer Frühwarnposition. Es gibt die Möglichkeit, dass dieses Gesetz verabschiedet wird. Wir hoffen aber, das dies nicht passiert." Die EU-Kommission beobachte die Situation in den USA sehr genau und werde ihre Position von der Entwicklung in den USA abhängig machen.
Der EU-Handelsbeauftragte in Washington, Bert van Barlingen, wurde in der Financial Times mit den Worten zitiert, die EU werde sich aus Vereinbarungen mit der Welthandelsorganisation zurückziehen, wenn die USA solche Übernahmen per Gesetz untersagen sollten. Die EU werde voraussichtlich am Montag der US-Handelsbeauftragten Marlene Barshefsky einen Brief mit der Ankündigung überreichen.
Van Barlingen erklärte zudem, das US-Gesetz würde auch Washingtons Verpflichtungen im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) aushebeln, das nicht zwischen Staats- und Privatunternehmen unterscheide.
Telekom-Chef Ron Sommer zeigte sich indes optimistisch. Er sei trotz politischer Hürden zuversichtlich, dass der Telekom der Markteintritt in den USA gelingen werde, sagte Sommer dem Spiegel. Er halte die Stimmen derjenigen, die ein solches Gesetz fordern würden, nicht für repräsentativ. "Außerdem haben wir ja nicht nur Geld, sondern auch 1,5 Milliarden neue Aktien, die wir als Akquisitionswährung einsetzen könnten. Wenn wir die alle verwenden, sinkt der Anteil des Bundes von jetzt 58 automatisch auf 38 Prozent." Er habe zwar gewisses Verständnis für die Haltung der USA. Man dürfe aber die Telekom nicht mit Unternehmen etwa in Italien oder Spanien vergleichen, in denen der Staat ein Vetorecht bei Entscheidungen habe.
Ein US-Gesetz verbietet bereits heute den Kauf einer US-Telefongesellschaft durch einen Konzern, an dem ein ausländischer Staat mehr als 25 Prozent der Anteile hält. Das Gesetz lässt aber Ausnahmen zu, wenn eine Übernahme im öffentlichen Interesse liegt. Das neue Gesetz, das eine Gruppe von US-Senatoren durchbringen will, sieht eine Abschaffung der Ausnahmen vor. Die Deutsche Telekom ist derzeit noch etwa zu 58 Prozent im Besitz des deutschen Staates. Die US-Aufsichtsbehörde FCC kündigte eine eingehende Prüfung des Kaufs an und begründete dies mit dem Schutz der "nationalen Sicherheit".
Internet fordert Banken heraus
Die digitale Revolution wird sich auf das Bankwesen auswirken. Die Frage ist nur: Wird sich alles verändern oder wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
Aus: Spiegel Online 26. Juli 2000, 11.24 Uhr (nur elektronisch publiziert) von PETER GLOTZ. [Original]Schaut man auf die Situation von heute, dann müsste man sagen: Wenn man einmal von einer Aktivität, vom Aktienhandel, absieht und von einem Teil der Welt, von Skandinavien, dann ist das Internet basierte Privatkundengeschäft der Banken bisher noch im Kindheitsalter, bestenfalls in der Pubertät. Wir stehen meistens noch bei geschlossenen, proprietären Netzwerken.
Sicherlich haben Internet-Banken mit ihren geringen Kosten in einigen Ländern Anlagen von klassischen Banken abgezogen. Aber insgesamt hat die Revolution noch nicht stattgefunden. Das liegt vor allem an Problemen der Datensicherheit.
Für anspruchsvolle Transaktionen bräuchte man die elektronische Signatur. In Deutschland gibt es 60 Millionen Erwachsene; aber nur 7000 bis 8000 Menschen nutzen die elektronische Signatur. Und darüber darf sich niemand wundern. Man muss für diese Signatur Gebühren bezahlen, sich ein Lesegerät anschaffen. Es entstehen erhebliche Kosten, denen noch keine Gewinne gegenüberstehen.
Diese Situation wird sich allerdings in den nächsten Jahren deutlich ändern. Noch gibt es für die Banken keinen Druck der Kunden, ihr Geschäft wirklich umzustellen. In etwa einem Jahrzehnt aber wird die elektronische Signatur so gängig sein wie die Kreditkarte.
Den Banken entsteht potente Konkurrenz
Deswegen hat der Konservativismus vieler Banken keine Zukunft. In den neuen Internet-Unternehmen erwachsen den Banken wichtige Konkurrenten. Zum Beispiel die Discount-Broker e-trade und Charles Schwab. Sie fordern inzwischen auch die größten und prestigeträchtigsten traditionellen Banken heraus. Bill Gates, ein Frechling, aber ein höchst erfolgreicher, hat schon vor sechs Jahren den Satz geprägt: Banking ist notwendig, Banken nicht.Was wird sich tun? Das Internet bringt den Incumbents, den Platzhaltern, den großen etablierten Firmen sowohl neue Möglichkeiten als auch Risiken. Es bietet zum Beispiel viele Möglichkeiten, Kosten einzusparen und Produkte viel effektiver an den Markt zu bringen. Ein erheblicher Teil der Filialstruktur der Banken wird überflüssig werden. Sie werden per Internet schneller an den Kunden kommen und sie werden sich rascher und problemloser globalisieren können.
Ein anderer Vorteil wird das Cross-Selling sein, zum Beispiel der Verkauf von Versicherungspolicen an Bankkunden. Noch halten sich die Erfolge des Cross-Selling zwar in Grenzen. Aber in der Zukunft ist da manches möglich. Im "Economist" hieß es kürzlich: "The Internet can be a precision-guided marketing tool". Das ist richtig.
Kunden sind nur Mausklick vom Wettbewerber entfernt
Aber jedem Plus steht auch ein Minus gegenüber. Da die Kosten für internetbasierte Transaktionen so sehr viel geringer sind als beim klassischen Bankgeschäft, sind natürlich auch die Markteintrittsbarrieren geringer. Das heißt, dass die Margen unter Druck kommen werden und die Kunden beweglicher werden. Ein Internet-Kunde ist nur noch einen Mausklick vom Konkurrenten seiner Hausbank entfernt. Immer mehr Portale, Suchmaschinen und Websites werden ihm Wettbewerbsprodukte anbieten.Wenn man diese Common-Sense-Prognose wissenschaftlich resümieren wollte, müsste man sagen: Die digitale Technologie wird gerade auch bei den Banken tiefe Spuren hinterlassen. Globale Medien wie das Internet werden eine Industrialisierung der Wissensverarbeitung einleiten, bei welcher Bankdienstleistungen wie Massengüter auf globalen Märkten angeboten werden. Das Stichwort heißt Modularisierung, das heißt Komponentenbildung: Handelstransaktionen, Zahlungsverkehr, Dokumentengeschäfte, Portfolio-Analyse und Portfolio-Optimierung sowie viele andere Dienstleistungen werden als Massengüter (Commodities) im globalen elektronischen Markt für jedermann zu immer günstigeren Preisen angeboten.
Die Konsequenzen für die Banken
Was sind die Konsequenzen für die Bank? Professor Beat Schmid von der Universität St. Gallen hat sie folgendermaßen zusammengefasst:
Dies führt zu einer Zerlegung der heutigen Bankwirtschaft. Auf den globalen Komponentenmärkten werden auch bankähnliche oder bankfremde Institute (wie Bill Gates sie androht) vermehrt mitmischen. Bei der gescheiterten Fusion von Deutscher Bank und Dresdner Bank wurde heftig kritisiert, dass die neue Bank sich von bestimmten Teilen des Privatkundengeschäftes (unter einem Bestand von 200.000 Mark zurückziehen wollte. Unter Umständen wird das aber unausweichlich werden. Jede Bank wird sich überlegen müssen, was ihre Rolle beim Zahlungsverkehr, bei Handelsleistungen und so weiter sein wird, ob sie als Anbieter auftreten will oder ob sie diese Produkte auf den Weltmärkten fremdbeziehen möchte. Für diese Produkte werden die gleichen Gesetze gelten wie für industrielle Massengüter.
- "Die Kunden der Bank der Zukunft erlangen die gleiche Markttransparenz wie jene der Fluggesellschaften seit der Einführung der globalen Reservationssysteme: Sie finden auf demselben Bildschirm alle Angebote im Vergleich und wählen im globalen Markt das für sie beste Produkt. Das Wissen des Bankgeschäfts und die damit verbundenen Leistungen werden somit als Billigprodukte und Commodities im Internet für jedermann auf Knopfdruck abrufbar.
- Die Privilegien und Rechte der heutigen Bank, etwa der Börsenzugang, verlieren im globalen offenen Markt ihre Bedeutung meist schneller, als die damit verbundenen Pflichten aufgehoben werden, was Konkurrenten aus dem Nicht-Bank-Bereich begünstigt.
- Die heutigen Produkte werden sich zum Teil massiv verändern müssen, um die Bedürfnisse der Kunden zu treffen. Allfinanz ist ein Beispiel für diesen allgemeinen Trend zu einer integralen Abdeckung von Kundenbedürfnissen. Produkte wie der Zahlungsverkehr werden lediglich als Produktkomponenten auftreten und als solches für den Endkunden oft so wenig von Interesse sein wie etwa Drähte und Schrauben im Automobil oder im Fernseher."
Das Fazit? Es gibt Leute, die behaupten, es gebe heute schon gar keinen Unterschied mehr zwischen New Economy und Old Economy. Das ist übertrieben. Die Kultur der Deutschen Bank ist von der Kultur von Charles Schwab noch sehr unterschieden. Aber die alten Banken könnten sehr wohl von neuen, schnellen, kleinen Konkurrenten überholt werden, wenn sie ihre Produkte und Arbeitsabläufe nicht neu gestalten. Die Hektik, die man heute allenthalben spürt, ist berechtigt.
Weitere Services im Rahmen des Archivs "t-off" von khd | ||
|
|
|
Hier gibt es keine gekauften Links! |
|