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Politische Dokumentationen – Teil 2 khd
Stand:  28.2.1999   (50. Ed.)  –  File: Politik/2.html




Diese Dokumentationen sind Bestandteil des Internet-Magazins »t-off«. Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Texte, Pressemitteilungen und Anträge im Originaltext dokumentiert und manches mit [Ed: ...] auch kommentiert. Die meisten Links sind redaktionell hinzugefügt worden.

  • Noch mehr Politik   (3. Teil).
  • 15.12.1997: Hohe Mehrkosten durch Mitwirkung an Überwachungsmaßnahmen.
  • 12.12.1997: Bildungsminister Rüttgers (CDU) zu den Internet-Zugangskosten.   [Kommentar]
  • 07.12.1997: SPD: Aufbruch in die Informationsgesellschaft.
  • 06.11.1997: Von Post, Posten und Pöstchen.
  • 01.11.1997: Begleitgesetz zum TKG verabschiedet.
  • 10.07.1997: Pressemitteilung der Grünen zur Rechtsfalle Internet (IuKDG).
  • 17.03.1997: Pressemitteilung der Grünen zur Telekom-Regulierung und Krypto-Gesetzgebung.
  • 06.03.1997: Pressemitteilung der Grünen zur Klage gegen die Bundesregierung.
  • 01.11.1996: Kommentar zur Ausgestaltung der Regulierungsbehörde.
  • 02.07.1996: SPD: Deutschlands demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft.
  • 18.06.1996: Auf der Suche nach einer SPD-Pressemitteilung zum neuen TKG.
  • 13.06.1996: Infos von Manuel Kiper (MdB, Die Grünen) zum neuen TKG.
  • 06.06.1996: Keine Wegegebühr für die Kommunen.
  • 31.05.1996: Streit ums Telekommunikationsgesetz.
  • Frühere Dokumentationen   (1. Teil).



    Streit ums Telekommunikationsgesetz (TKG)

    Aus: Die Zeit, 31. Mai 1996, Seite 16 (Wirtschaft).

    BONN. Postminister Wolfgang Bötsch (CSU) und sein Kollege aus dem Wirtschaftsressort, Günter Rexrodt (FDP), verhakeln sich immer stärker in Fragen der Postpolitik. Der Streit der beiden Minister droht mittlerweile sogar den Fahrplan für die Verabschiedung des Telekommunikationsgesetzes zu gefährden. Uneins sind sich Bötsch und Rexrodt vor allem über die Ausgestaltung der neuen Regulierungsbehörde, die künftig dafür sorgen soll, daß auf dem freien Fernmeldemarkt tatsächlich fairer Wettbewerb herrscht. Passiert das Gesetz nicht mehr vor der Sommerpause Bundestag und Bundesrat, wird die Zeit für Telekom-Chef Ron Sommer knapp. Er will im Herbst mit seinem Unternehmen an die Börse. (...)

    1.6.1996 (khd/t-off). Wie wir nun aus der BAPT-Studie vom Juni 1995 und aus der neuen VTM-Studie vom Mai 1996 wissen, wird kaum fairer Wettbewerb möglich sein. Denn die bisherigen Regulierungsmechanismen (Postminister + Regulierungsrat) haben so ziemlich versagt, und das kompetente Berliner Kartellamt darf (gesetzlich verordnet) nicht eingreifen. Auch wenn Justizminister Schmidt-Jortzig (FDP) unlängst doch tatsächlich ahnungslos meinte, wenn denn das mit der Telekom alles so schlimm sei, dann würde ja "das Kartellamt einschreiten". Realsatire Bonn 1996! –

    Nein, man sollte sich in Bonn jetzt doch noch etwas Zeit nehmen, um die erkannten Fehlentwicklungen zu korrigieren und um dann ein wirklich wegweisendes Telekommunikationsgesetz auf den Weg zu bringen. Die Börse kann warten. Denn alle bisherigen Deregulierungsbemühungen zielten nur darauf ab, der Telekom de-facto das Monopol noch auf viele Jahre nach dem 1. Januar 1998 zu erhalten. Und damit tut auch die CDU/CSU Deutschland keinen Gefallen. Die SPD will nun in der nächsten Woche ihre Position zur künftigen Telekommunikation nochmals überdenken. Hoffentlich ist sie danach in der Lage, der Koalition einmal marktwirtschaftlichen Nachhilfeunterricht zu geben.



    Keine Wegegebühr für die Kommunen

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 6. Juni 1996, Seite 17 (Wirtschaft).

    BONN (wei). Die Kommunen können nach dem neuen Telekommunikationsgesetz (TKG) keine Konzessionsabgabe für die Nutzung öffentlicher Wege durch die Telekom erheben. Darauf hat sich am Mittwoch [Ed: 5. Juni 1996] der Postausschuß des Bundestages verständigt. Private Grundstückseigner sollen dagegen eine Ausgleichsabgabe erhalten, wenn auf ihren Grundstücken Telekommunikationsanlagen genutzt werden. Nach Abschluß der Ausschußberatungen soll das TKG bereits am kommenden Donnerstag im Bundestag und einen Tag später [Ed: 14. Juni 1996] im Bundesrat abschließend behandelt werden. Gegenüber dem Regierungsentwurf wird vor allem der Einfluß der Länder auf die Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsmarkt gestärkt. Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, daß Telefonnummern beim Wechsel der Telefongesellschaft mitgenommen werden können.



    Manuel Kiper, MdB informiert am 13.6.1996 um 10.08 GMT:


    ACHTUNG! MailboxbetreiberInnen aufgepaßt!

    Zum Stand des Telekommunikationsgesetzes

    Stand der Gesetzgebung

    Das TKG wird am Donnerstag, den 13.6.1996 in 2. und 3. Lesung im Bundestag behandelt und damit verabschiedet. Am 14.6.1996 soll es dann durch den Bundesrat. Bei der Fraktionssitzung der SPD gab es gestern die Überraschung, daß mit Mehrheit gegen das TKG gestimmt wurde (Zur Erinnerung: das TKG wurde von CDU/CSU, FDP und SPD ausgehandelt). Grund der Ablehnung war vor allem eine fehlende Kompensationslösung für Kommunen: Während Kommunen unentgeltlich Wegerechte für TK-Unternehmer abtreten müssen, haben sich die Bauern mit Nutzungsentschädigungen durchgesetzt. Die minimale Universaldienstdefinition (nun nur noch Sprachtelefonie) ist zwar lächerlich, war aber dabei unbedeutend. Der von den SPD-Verhandlungsführern im Postausschuß eingebrachte Antrag zugunsten der Kommunen wurde heute abgelehnt. Ob die SPD danach bei ihrem Nein bleibt, ist abzuwarten. Da eine Ländermehrheit im Bundesrat derzeit gesichert ist, hat diese Position der SPD keinen Einfluß mehr auf das TKG.

    Das TKG ist in einigen Teilen merklich verändert worden. Im folgenden beschränke ich micht vor allem auf den Bereich Datenschutz und dabei erst mal mit den

    Verbesserungen im TKG

    Auch die gibt es. Durchsetzen konnten sich Ansichten und Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen bei den Beratungen zu folgenden Punkten im Bereich Datenschutz:

  • § 85: Statt des Verbots, Abhörstatistiken zu veröffentlichen, enthält das TKG nun die Vorschrift, diese im Bericht der Regulierungsbehörde zu veröffentlichen.

  • § 86: Die TK-Datenschutz-Verordnung gilt nun nicht mehr allein für gewerbliche Anbieter. Der gesamte Abschnitt 11 TKG (Datenschutz ) rekurriert nun auf das "geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten", auf unser Drängen definiert als "nachhaltiges Angebot von Telekommunikation" (... einschl. Übertragungswege) "für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht" – es betrifft also vom TK- Unternehmen und Corporate Network bis zum Hobby-Mailboxbetreiber ("ohne Gewinnerzielungsabsicht") eine große Zahl von Anbietern.

  • § 86 (2) 1.e und (3): Die allgemeine Befugnis zum Abhören von Inhalten zur Aufklärung von Leistungserschleichung wurde eingeschränkt durch die Erfordernis konkreter Anhaltspunkte und die maschinelle Erhebung von Steuerdaten im Einzelfall mit Benachrichtigung nach Abschluß der Maßnahme.

  • § 86 (6) 2. enthält nun die Einwilligungspflicht der KundInnen für Nutzung ihrer Daten zu Werbezwecken,

  • § 86 (7) zu Einträgen in Register ist bei elektronischen und nicht-elektronischen Registern differenziert besser, und erlaubt KundInnen, ihren Eintrag nach Wunsch zu gestalten.

    Verschlechterungen

  • § 86 (6), in dem vorher schon die Verpflichtung von Betreibern enthalten war, den zuständigen Stellen bei Strafverfolgung und Ordnungwidrigkeiten und Geheimdiensten bei deren Aufgaben Daten zu geben (analog zu den Verpflichtungen von Behörden – das echte Novum ist, daß hier erstmals Privatunternehmen derartig weitreichend zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft und der Geheimdienste gemacht werden [Ed: Werden damit nicht auch bei uns IMs eingeführt?]), ist nun um eine Verschwiegenheits- Klausel erweitert worden, nach der die Benachrichtigung des Kunden über eine Datenweitergabe verboten ist.

  • § 87, der den automatischen und unbemerkten Datenabruf von Kundendaten und Rufnummern aus den Anbieter-Registern durch die Regulierungsbehörde für Strafverfolger und Geheimdienste regelt,
    • enthält auch weiterhin keine Zweckbindungklausel,
    • wurde erweitert auf das JEDERZEITIGE Erteilen von Auskünften (entsprechend der Bundesratsforderung) und
    • wurde erweitert auf geschäftsmäßige Anbieter von TK-Diensten (Definition dafür: s. o.), also auch Mailboxanbieter ohne Gewinnerzielungsabsicht.
  • § 88 (Durchsetzung von Verpflichtungen) gilt nun auch für geschäftsmäßige Anbieter von TK-Diensten: Ihnen kann nun auch bei Verstößen der Betrieb untersagt werden.

    Ein effektiver Schutz des Fernmeldegeheimnisses wurde abgelehnt, der § 12 FAG wurde ebenfalls nicht gestrichen.

    Was bedeutet das für wen?

    Aus KundInnensicht sind vor allem ein einheitlicher Datenschutz im TK-Bereich, aber auch die anderen angeführten Verbesserungen zu begrüßen.

    Nicht aufgewogen wird das allerdings durch das abgrundtiefe Unverständnis gegenüber einem wesentlich verbesserten Fernmeldegeheimnis. Telekommunikation ist die Basis der Informationsgesellschaft. Teledienste wie Telemedizin, Telebanking oder Telearbeit nutzen vernetzte Computer zum Austausch sensibelster Daten. Arzt-, Bank- und Betriebsgeheimnis und andere Schutz- und Verschwiegenheitsrechte werden dabei auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses reduziert. Das Fernmeldegeheimnis wird in der Informationsgesellschaft zum strategischen Grundrecht. Seine Wahrung müßte deshalb einen besonderen Stellenwert haben. Dem wird der Entwurf zum TKG nicht im Mindesten gerecht. Der § 87 TKG fügt den bisherigen Überwachungs- Ebenen direktes Abhören und Beschlagnahme von Verbindungsdaten nun als dritte Ebene den unbemerkten Datenabruf von Stammdaten der Anbieter hinzu. Zwischen den für eine demokratische Informationsgesellschaft erforderlichen Zielen und der im TKG erweiterten Praxis klafft so ein immer weiterer Abgrund. Praktisch heißt das – um auch diese Fragen noch zu beantworten – für Anbieter und vor allem MailboxbetreiberInnen folgendes:

    Die umstrittenen TKG-Paragraphen richten sich wie gesagt an alle, die ein "nachhaltiges Angebot von Telekommunikation" (... einschl. Übertragungswege) "für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht" machen. Telekommunikation ist definiert als "der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten jeder Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen" (§ 3 Punkt 13). Das trifft problemlos auch für Mailboxen zu.

    Ob das BAPT oder die Regulierungsbehörde damit ernst machen, ist für den Anfang zwar kaum zu erwarten, das große ABER ist jedoch, daß sie mit dem TKG die Befugnis dazu haben, auch kleine Mailboxen an ihr Netz anzuschließen und dies nutzen werden, wenn ihre Organisationsstruktur aufgebaut ist und es politisch und für die amtlichen "Bedarfsträger" opportun ist. Nach dem Motto "das wird doch nicht so schlimm" nun den Kopf in den Sand zu stecken, dürfte daher zu einem bösen Erwachen führen.

    Dasselbe gilt übrigens auch für die Fernmeldeanlagen- Überwachungsverordnung (FÜV), die sich an alle Betreiber von Fernmeldeanlagen richtet, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind: Auch die umfaßt jede Art von Mailbox, soweit sie nicht in einem Inhouse-Netz oder für eine geschlossene BenutzerInnengruppe arbeitet (dafür ist der endliche Kreis angemeldeter UserInnen nicht hinreichend!).

    Damit bekommen wir mit dem TKG kein Gesetz zur Vielfalt der Netze, sondern eher das Gegenteil. Ohne jetzt vom Abbau von Grundrechten – vom Arzt- über das Bankgeheimnis und was sich sonst noch durch das Aushöhlen des Fernmeldegeheimnisses auf Netzen verflüchtigen läßt – zu reden, läßt sich dies auch rein marktwirtschaftlich folgern: Wer, der ohne Gewinnerzielungsabsicht anbietet, soll die Infrastruktur ("dritte Leitung") und die Schnittstelle für den "jederzeitigen" Datenabruf berappen? Auch so läßt sich Konkurrenz "verschlanken".

    Trotz einiger Verbesserungen wird die Bewertung des TKG daher negativ ausfallen. Die wichtigsten Weichenstellungen wurden hier verschlafen. Letzte vage Hoffnung ist allenfalls die Drohung großer Anbieter mit dem Gang vor die Gerichte gegen eine Kostenübernahmepflicht.

    Das TKG hat immerhin gezeigt, wie nötig die Aufklärung der Verantwortlichen über die Probleme einer demokratischen Informationsgesellschaft und die Vermittlung der praktischen Bedeutung ihres Tuns ist. Das sollte verstärkt werden.

    An dieser Stelle möchte ich auch all jenen herzlich danken, die sich eingemischt und sich mit ihrem Protest hier in Bonn durchaus Gehör verschafft haben.

    Manuel Kiper, MdB, Bündnis 90/Die Grünen,
    E-Mail: manuel@kiper.bn.eunet.de



  • Auf der Suche nach einer Pressemitteilung
    von Hans Martin Bury (MdB, SPD)
    am 18.6.1996 – 19.25 Uhr

    Zum Stand des Telekommunikationsgesetzes

    [Ed: Angesichts des zerissenen Abstimmungsverhaltens der SPD-Faktion am 13. Juni 1996 im Bundestag (eine Teilmenge dafür, eine andere dagegen, die Restmenge enthielt sich) verblüfft es, daß auf dem WWW-Server der SPD-Fraktion noch immer keine Pressemitteilung zum Stand des TKG (z. B. Wahrung freiheitlicher Grundrechte, Datenschutz, Verbraucherschutz) zu finden ist. Und der WELT sagte Bury nur, daß "wegen Firlefanz" das TKG nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfe. Hat's der SPD nun die Sprache verschlagen? Das aktuellste dort zum TKG ist vom 1. Februar 1996, 16.25 Uhr, und das geht so (PM-0197)]:

    Telekommunikationssektor ist zu wichtig, um ihn dieser Regierung zu überlassen

    Zur heutigen Ersten Lesung [Ed: 1.2.1996] des interfraktionellen Entwurfes eines Telekommunikationsgesetzes (TKG) erklärt der Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion für Post und Telekommunikation, Hans Martin Bury:

    Der Telekommunikationssektor ist von herausragender Bedeutung für die Entwicklung neuer Märkte, moderner Schlüsseltechnologien und neuer Dienstleistungsangebote, die für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft sowie die Entstehung und Sicherung moderner Arbeitsplätze entscheidend sind. Mit der interfraktionellen Einbringung stellen wir das Signal für die Innovationslokomotive Telekommunikation auf Grün. Der Telekommunikationssektor ist angesichts seiner Dynamik und seiner Schlüsselstellung für die Wirtschaft und die Menschen zu wichtig, um seine Gestaltung dieser Bundesregierung zu überlassen.

    Die SPD hat wesentliche Verbesserungen durchgesetzt: einen hochwertigen und zukunftsweisenden Universaldienst für die Kunden und einen fairen Wettbewerb der Unternehmen untereinander. Dennoch bleiben wichtige Fragen, die im Gesetzgebungsverfahren geregelt bzw. präzisiert werden müssen. Dazu zählt die Sicherstellung einer unabhängigen und kompetenten Regulierung. Die jetzige Lösung ist nur das Ergebnis koalitionsinternen Postengeschachers und allenfalls als Beratungsgrundlage geeignet. Zudem sind die Lizenzauflagen hinsichtlich der Versorgung mit Universaldienstleistungen im Gesetz durch präzise Vorgaben für den Regulierer vorzugeben.

    Die SPD wird weiterhin konstruktiv und kritisch den Wettbewerbsrahmen mitgestalten. Auch unser erfolgreiches Engagement für eine Korrektur der vom Bundespostminister genehmigten Telekom- Tarifreform, die durch attraktive Optionstarife für Privatkunden sowie kleine und mittlere Unternehmen ergänzt werden muß, macht deutlich, daß die SPD längst die treibende Kraft bei der Gestaltung dieses wichtigen Zukunftsmarktes ist.



    Pressemitteilung von Wolfgang Thierse (MdB, SPD) und
    Jörg Tauss (MdB, SPD) vom 2.7.1996 – 14.55 Uhr

    Deutschlands demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft

    Die SPD-Bundestagsfraktion hat einstimmig den Antrag "Deutschlands demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft" beschlossen. Dazu erklären der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Wolfgang Thierse und der für Informations- und Kommunikationstechnik in der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung zuständige Abgeordnete, Jörg Tauss:

    [Der vollständige Text]   [Der Antrag der SPD-Bundestagsfraktion]   [mehr]



    Ein Kommentar zum Stand der
    Ausgestaltung der Regulierungsbehörde:

    Zentrale im Dunkeln

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 1. November 1996, Seite 17 (Wirtschaftskommentar zum Artikel "
    Zweifel am freien Telekom-Markt").

    (dw). Deutschlands Erfolg auf dem Zukunftsmarkt Telekommunikation galt bislang als ausgemachte Sache. Das Medienspektakel um die T-Aktie, Reklamebilder mit schnittigen Handy- Nutzern und gewaltigen Satellitenanlagen haben Zweifel an Deutschlands Vorreiterrolle nicht aufkommen lassen. Der Werbehammer hat ein Volk in Tiefschlaf versetzt. Ulrich Immenga will es wachrütteln. Entscheidend für unseren Erfolg ist nicht, ob ein Monopolist ein paar Aktien verkauft, warnt Deutschlands renommiertester Kartellrechtler. Entscheidend ist, ob es Konkurrenz geben wird. Denn nur Wettbewerber werden die Telekom zu Preiskämpfen und Innovationswettläufen herausfordern. Das hat die Bundesregierung zwar erkannt: Das neue Telekommunikations- Gesetz hat ideale Voraussetzungen für freien Wettbewerb geschaffen [Ed: na, ob's eine "ideale" Basis ist, muß sich erst noch erweisen].

    Doch ein Gesetz ist nur so gut wie die Institutionen, die es anwenden. Und hier knirscht es im Gebälk. Ein Amt mit dem unspektakulären Namen "Regulierungsbehörde" soll den freien Marktzugang schaffen und überwachen. Wie es aber arbeitet, welche Verwaltungsgrundsätze und Leitlinien es verfolgt, darüber wissen die künftigen Telekom- Konkurrenten nichts. Der Bundespostminister läßt gut ein Jahr vor der Marktfreigabe die künftige Entscheidungszentrale des wichtigsten Zukunftsmarktes im Dunkeln. Dies verschreckt ausländische Investoren. Die glauben ohnehin nicht an einen wirklich freien Markt, solange der Bund Hauptaktionär der Telekom und gleichzeitig Chef der Marktaufsichtsbehörde ist. Erste Zweifel über die Unparteilichkeit der Regulierungsbehörde schießen ins Kraut. Will die Bundesregierung nicht eine Chance verspielen, muß sie endlich Transparenz herstellen – und sich möglichst schnell aus der Telekom verabschieden.



    Pressemitteilung von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN
    vom 6.3.1997 – Nr. 196/97

    Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen Bötsch-Ministerium

    Zur Einreichung einer Organklage beim Bundesverfassungsericht durch die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN gegen die Bundesregierung erklärt Christa Nickels:

    Die Bundesregierung verweigert permanent Informationen zu Petitionen im Telekommunikationswesen. Darauf hat aber das Parlament einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch. Jedermann hat das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag zu wenden (Art. 17 GG). Hieraus resultiert das Recht auf Aufklärung über die von der Bevölkerung formulierten Petitionen, soweit es um die Verantwortlichkeit der Bundesregierung geht. Dieser Aufforderung kommt das zuständige Postministerium nicht nach. Auf Petitionen über mangelnde Versorgung mit Telefonanschlüssen oder zu überhöhten Telefonrechnungen antwortet das Bötsch- Ministerium lapidar: "Zuständigkeit und Einwirkungsmöglichkeit sind nicht gegeben". Dabei ist die Regulierung der Telekommunikation eine hoheitliche Aufgabe. Zudem ist der Bund Hauptaktionär im Aufsichtsrat der Telekom AG und hat dort umfassende Kontrollrechte und Kontrollpflichten.

    Daher soll durch die Organklage das Recht auf umfassende Information zu den von Bürgerinnen und Bürgern vorgetragen Anliegen sichergestellt werden. Schließlich ist das Postministerium die zuständige Regulierungsbehörde, die über die Einhaltung des Verfassungsauftrages der flächendeckenden, angemessenen sowie ausreichenden Versorgung mit Telekommunikationsdiensten nach Art. 87f GG wachen soll. Bei der Organklage geht es nicht allein um die Informationsrechte des Parlamentes. Es geht in erster Linie um Kundenschutz, um Transparenz bei der Telekommunikation und um ein Petitionsrecht, das diesen Namen auch verdient.



    Pressemitteilung von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN
    vom 17.3.1997

    Bötsch und Kanther hintertreiben die Infogesellschaft

    Zur abgesagten Postregulierungsratssitzung und zu neuen Verschlüsselungsplänen der Bundesregierung erklärt der forschungs- und postpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis90/ Die Grünen im Bundestag, Dr. Manuel Kiper:

    Bundespostminister Bötsch hat kurzfristig die für Montag, den 17. März vorgesehene Postregulierungsratssitzung abgesagt. Wesentlicher Tagesordnungspunkt war die Organisation der künftigen Regulierungsbehörde. Bereits auf der Januarsitzung des Postregulierungsrats konnte Bötsch keinen Fahrplan und nur vage Ideen zur Regulierungsbehörde vorstellen. Ohne Klarheit über die Struktur und Arbeitsweise der zukünftigen Regulierungsbehörde bleibt der Wettbewerb in der Telekommunikation zahnlos. Ohne Bündelung von Sachverstand zur Regulierung bereits im Jahre 1997 kann die Öffnung der Telekommunikationsmärkte zum 1.1.1998 nicht funktionieren. Bundes- postminister Bötsch hat weder einen Zeitplan, noch ein Konzept, noch offensichtlich ein Interesse an der fristgerechten Arbeitsaufnahme der Regulierungsbehörde. So entläßt die Telekom zwar planmäßig insgesamt 70.000 Mitarbeiter und bereitet sich aggressiv auf den Wettbewerb vor. Die Konkurrenten der Telekom haben aber – ohne neutrale Regulierungsbehörde in Aussicht – ihre Investitionen auf Eis legen müssen. Bötsch verhindert die neuen Arbeitsplätze.

    Informations- und Kommunikationstechnologie ist der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung, so die Bundesregierung. Doch sie hält nicht nur Telekommuni- kationsunternehmen hin, sie wirft auch Informationstechnik- Unternehmen Knüppel zwischen die Beine. Mit dem Informations- und Kommunikations- technik-Dienstegesetz (IuKDG) schafft die Bundesregierung keine Rechtssicherheit, sondern errichtet neue juristische Stolpersteine. Bürgerinteressen wie der Verbraucherschutz blieben unberücksichtigt. Die widersprüchlichen Gesetzes-Definitionen lassen offen, welcher Dienst unter das Gesetz oder den Mediendienste- Staatsvertrag fällt. Klären müssen das die Gerichte – auf Kosten der Anbieter. Das von Rüttgers vorgelegte Konzept zur digitalen Unterschrift mit zwischengeschalteten notariellen Zertifizierungsstellen (Digitale-Signatur-Gesetz) ist völlig unflexibel und kostentreibend.

    Die Vorschrift zu Zertifizierungsstellen für digitale Signaturen soll den Zugriff für staatliche Schnüffelei offen halten. Gegen die Bedenken des Wirtschafts- und Justizministeriums berät die Bundesregierung auf Druck von Kanther zur Zeit drei Varianten eines Kryptogesetzes, die allesamt den Interessen der Bürger und der Unternehmen zuwider laufen. Die erste Variante sieht Auflagen für Anbieter von Verschlüsselungsdienstleistungen vor, nach denen diese zum Aufbewahren der geheimen Schlüssel ihrer Kunden verpflichtet werden sollen. Die zweite Variante macht zusätzlich das Inverkehrbringen von Verschlüsselungssystemen von einer Genehmigung abhängig. Bei der dritten Variante soll dazu noch das Verbot ungenehmigter Verfahren hinzukommen.

    Obwohl der Bundesregierung die Unwirksamkeit dieser Regelungen bekannt sind, erwägt sie, den durch solche Verbote drohenden immensen wirtschaftlichen Schaden und den Verlust von Bürgerrechten in Kauf zu nehmen. Im Bereich der Telekommunikation wie der Informationstechnologie zeigt sich damit die Bundesregierung unfähig, die viel beschworenen zukunftsfähigen Arbeitsplätze durch neue Technologien und die Informationsgesellschaft zu schaffen.



    Pressemitteilung von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN
    vom 10.7.1997

    Rechtsfalle Internet

    Zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum IuKDG erklärt der forschungs- und postpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne im Bundestag, Dr. Manuel Kiper:

    Trotz ihrer Lesehilfen für das Informations- und Kommunikations- Dienstegesetz (IuKDG) hat die Bundesregierung keine Rechtssicherheit für das Internet geschaffen. Viele Rechtsfragen bleiben auch danach ungeklärt, neue Probleme kommen sogar hinzu. Deutschlands Internet-Provider, aber auch einfache Internet-Nutzer müssen sich auf eine Vielzahl von Rechtshändel einrichten, die dem Internet hierzulande schwerwiegenden Schaden zufügen werden.

    Obwohl die Bundesregierung für sich in Anspruch nimmt, aus den Ermittlungen und Verfahren um die Sperrung des Internet-Zugangs zur elektronischen Ausgabe der "radikal" gelernt zu haben, läßt sich das an ihrer Antwort kaum festmachen. Für eine neue Vorsicht spricht allenfalls, daß sich die Bundesregierung nun genauer über die Verhältnismäßigkeit von Zugangssperrungen äußert. Ob die da getroffene Aufwandsabwägung weiterhilft, bleibt fraglich.

    Nach dem IuKDG sind Provider nicht für Inhalte Dritter verantwortlich. Sie müssen aber den Zugang zu gesetzeswidrigen Inhalten auf Wunsch der Strafverfolgungsbehörden sperren. Wird keine Sperrung durchgeführt, führt das laut Bundesregierung zu polizei- und gewerberechtlichen Zwangsmaßnahmen, die Zwangsgeld, unmittelbaren Zwang oder Entzug der Gewerbezulassung bedeuten können. Ob eine Sperrungsanordnung rechtens ist, kann ein Provider noch durch ein Verwaltungsgerichtsverfahren klären lassen. Doch genausogut kann ihm eine Sperre durch eine "Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage" abverlangt werden, die kein rechtsförmiger Verwaltungsakt ist und gegen die der Rechtsweg daher ausgeschlossen ist. Dann hat ein Provider die Wahl, ob er Zwangsmaßnahmen in Kauf nimmt oder sperrt.

    Die Flucht aus Deutschland hilft Providern auch nicht: Die Bundesregierung weist ausdrücklich darauf hin, daß im IuKDG nichts darüber ausgesagt wurde, in welchem Land ein Inhalt gespeichert wird oder der Provider seinen Sitz hat. Selbst für per Satellit übertragene Internet-Inhalte gilt: Vor dem IuKDG sind alle gleich.

    Auch zu Verweisen im Internet – sogenannten Hyperlinks – hat die Bundesregierung nun eine Meinung. Hyperlinks als rein technische Zugansvermittlung – etwa in Suchmaschinen – sind danach grundsätzlich frei von Auflagen. Werde dagegen aus dem inhaltlichen Zusammenhang klar, daß sich der Anbieter des Hyperlinks mit dem Inhalt der darunter gespeicherten Daten identifiziert, dann hat der Anbieter eines Hyperlinks nach Ansicht der Bundesregierung für diese Inhalte auch die volle Verantwortung zu tragen.

    Am Dienstag dieser Woche noch hatte die Bundesregierung die "Bonner Erklärung" unterschrieben und gefordert, zwischen Urhebern und Zugangsvermittlern zu trennen und letzteren nicht das rechtliche Risiko aufzubürden. In ihrer Antwort auf unsere Anfrage macht dieselbe Bundesregierung klar, daß Zugangsvermittler und selbst Internet-Nutzer, die eine Webseite anbieten, im Zweifelsfall immer mit dem Staatsanwalt rechnen müssen.



    Begleitgesetz zum TKG verabschiedet

    Aus:
    Spiegel Online – 1. November 1997 (nur elektronisch publiziert).

    BONN. Der Bundestag hat mit den Stimmen von Union und FDP ein Begleitgesetz zur Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes beschlossen. SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS votierten am Donnerstag abend gegen den Entwurf. Das Gesetz regelt die Schaffung einer Regulierungsbehörde, die Anfang 1998 an die Stelle des Bundespostministeriums und des Bundesamtes für Post und Telekommunikation treten wird. Darüberhinaus paßt das neue Paragraphenwerk eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen an die neuen Anforderungen des Telekommunikationswesens an. Vor Inkraftreten muß das Gesetz noch den Bundesrat passieren.

    Die SPD begründete ihre Ablehnung mit dem Hinweis auf mangelnden Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Der ursprünglich von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf sah eine Änderung der Strafprozeßordnung vor, nach der Polizei und Geheimdienste auch Telefonate von Berufsgeheimnisträgern wir Rechtsanwälten, Ärzten, Journalisten und Geistlichen hätten abhören dürfen. Dieser Passus wurde jedoch auf Druck der FDP gestrichen und soll später durch eine noch nicht gefundene Ergänzungsregelung ersetzt werden. Der SPD-Abgeordnete Arne Börnsen sagte, seine Fraktion könne dem Gesetz nicht zustimmen, ohne zu wissen, wie die endgültige Regelung in diesem Punkt aussehen werde. Er wolle sich aber dafür einsetzen, daß das Begleitgesetz im Bundesrat nicht durch die dort dominierende SPD gestoppt werde.

    Ebenso wie die SPD kritisierte Manuel Kiper von den Grünen, daß die in dem Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zum Abhören von geschlossenen Telekommuniationsnetzen bei Firmen und öffentlichen Einrichtungen zu weit gingen. "Wo unbemerkt Strafverfolgungsbehörden eindringen können, werden auch ohne Problem Hacker und ausländische Dienste eindringen können", warnte am Freitag der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss. Nach Ansicht Kipers führt das Gesetz außerdem zu einem Kostenschub im Bundeshauhalt. Die Führungsspitze der Regulierungsbehörde liege mit ihren Besoldungsgruppen um zwei Stufen über den sonst üblichen Bezügen in solchen Positionen.

    Dagegen verteidigte Elmar Müller von der CDU die Personalpläne der Behörde. Die Ausstattung mit gut 2.700 Mitarbeitern sei notwendig, wenn aus der Telekommunikation schnell der größte deutsche Wachstumsmarkt werden solle. Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundespostministerium, Paul Laufs (CDU), verteidigte das Gesetz als wichtige Voraussetzung zur Durchsetzung von mehr Wettbewerb [Ed: und wann kommt nun der Internet- Telefontarif für alle?].



    Von Post, Posten und Pöstchen

    Die Nachfolgebehörde des Bonner Postministeriums droht zum Selbstbedienungsladen für Spitzenbeamte zu werden

    Aus: TAZ, 6. November 1997, Seite 7 (Inland).

    BONN (taz). Vor allem um Posten und Pöstchen geht es in der deutschen Postpolitik – und bei der Auflösung des Postministeriums. Nichts verdeutlicht dies besser als der Streit um die Regulierungsbehörde, die nach der Auflösung des Ministeriums für einen fairen Wettbewerb im Telekommunikations- und Postmarkt sorgen soll. Die Liberalen drohen daher jetzt im Haushaltsausschuß, bei der Verabschiedung des entsprechenden Etats der Regierung die Gefolgschaft zu versagen.

    Nicht nur die Liberalen meinen, daß die Gehälter der leitenden Angestellten dieser Regulierungsbehörde kräftig "überreguliert" wurden. Der Präsident der Behörde, die mit 2.800 Mitarbeitern weitaus personalintensiver ist als das Ministerium, das sie ablöst, soll etwa 350.000 Mark im Jahr bekommen. Ein Gehalt, das laut Bundesrechnungshof für die Führung einer Bundesbehörde "ohne Beispiel" ist. Jürgen Koppelin, für die FDP im Haushaltsausschuß, ist sich jedoch sicher, daß die Koalition sich wohl noch vor der Abstimmung auf eine Anpassung der Löhne an die üblichen Spitzengehälter bei Bundesbehörden einigen kann.

    Die SPD ist dagegen bei den Gehältern der obersten Regulierer mit Postminister Wolfgang Bötsch (CSU) einer Meinung. Etwa weil der SPD-Abgeordnete Arne Börnsen Vizepräsident der Behörde wird? Manuel Kiper, Postexperte der Fraktion der Grünen, meint, daß da jemandem "ein goldenes Bett bereitet" werde.

    Der postpolitische Sprecher der CDU, Elmar Müller, verteidigt die hohen Gehälter mit dem Argument, die Regulierungsbehörde brauche Fachleute aus der Wirtschaft. Die Löhne müßten sich daher an denen in der Privatwirtschaft orientieren. Kiper findet dieses Argument "witzig". Die Präsidentenriege komme schließlich gar nicht aus der Wirtschaft. Der zukünftige Präsident Klaus- Dieter Scheuerle wechselt aus dem Postministerium. Volker Schlegel, der neben SPD-Mann Börnsen Vizepräsident wird, kommt aus dem diplomatischen Dienst.

    Außer bei den Gehältern der Behördenspitze gibt es erstaunlich wenig Streit um die Regulierungsbehörde. Dabei sollen nach dem Haushaltsentwurf 1998 sogar 36 Millionen Mark mehr für Post- und Telekommunikation ausgegeben werden als in diesem Jahr. Und das, obwohl das Postministerium aufgelöst wird. Parteiübergreifend herrscht die Einsicht vor, die Mehrausgaben ließen sich durch dringend notwendige Investitionen begründen, die das Postministerium in den vergangenen Jahren zurückgestellt habe. Das seien immerhin 900 Millionen Mark gewesen, meint der Grünen-Postexperte Kiper.

    Zudem gibt es in den ersten Jahren der Marktöffnung viel Regulierungsbedarf. Rund 280 Mitarbeiter der Regulierungsbehörde sind überwiegend dafür da, im Telekommunikationsmarkt einzugreifen, wenn es zwischen der Telekom AG als bisherigem Monopolisten und anderen Anbietern Streitigkeiten gibt – zum Beispiel über die entscheidenden letzten Meter Telefonkabel, die in die einzelnen Haushalte führen und bundesweit der Telekom gehören. Ohne eine Mitbenutzung dieser Ortsnetze hätte kein Anbieter eine Marktchance. Wenn die Telekom dafür zu hohe Preise verlangt, schreiten die Regulierer ein. Im Postbereich vergibt die Behörde Lizenzen für neue Zustelldienste.

    Die anderen rund 2.500 Beschäftigten der Regulierungsbehörde werden nicht regulieren, sondern technische Aufgaben erledigen. Bisher arbeiten sie noch im Bundesamt für Post und Telekommunikation (BAPT) in Mainz, das 1998 in die Regulierungsbehörde eingegliedert wird. Sie teilen Frequenzen und Telefonnummern zu, übernehmen den Störmeßdienst und prüfen technische Geräte. Erst wenn das Wirtschaftsministerium die vom Postminister geplante Regulierungsbehörde leiten darf, soll der Rotstift angesetzt werden. Wirtschaftsminister Rexrodt will langfristig etwa 1.000 Stellen einsparen.



    Hinweis zum SPD-Leitantrag
    I-159 vom 27.10.1997:

    Aufbruch in die Informationsgesellschaft

    HANNOVER – 7.12.1997 (t-off). Die SPD hat auf ihrem Parteitag in Hannover den Leitantrag zur Informationsgesellschaft ohne große Kritik verabschiedet. In dem Antrag, der ab Herbst 1998 in wegweisende Regierungspolitik umgesetzt werden soll, werden behandelt:

    1. Die Herausforderungen der Informationsgesellschaft annehmen.
    2. Integrierte Kommunikationspolitik für Arbeitsplätze und Innovationen.
    3. Chancengleichheit im Informationszeitalter sichern.
    4. Arbeit und Sozialstaat in der Informationsgesellschaft.
    5. Qualifikation, Bildung und Medienkompetenz stärken.
    6. Forschung und Entwicklung in Deutschland wiederbeleben.
    7. Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern.
    8. Informations- und Kommunikationstechniken zur Entlastung der Umwelt nutzen.
    9. Die Chancen der Informationsgesellschaft für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung einsetzen.

    [Der vollständige Text]



    E-Mail von Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU)
    vom 12.12.1997:

    Internet-Zugangskosten

    Return-Path: <Juergen.Ruettgers@BMBF.BUND400.DE>
    Received: from postix.bmbf.de (postix.bmbf.de [193.17.184.112])
    by rzdspc1.informatik.uni-hamburg.de (8.8.8/8.8.8) with SMTP id OAA26004
    for [...]; Fri, 12 Dec 1997 14:23:43 +0100 (MET)
    Received: by postix.bmbf.de with SMTP (Microsoft Exchange Server Internet Mail Connector Version 4.0.995.52) id <01BD0709.77C1EDA0@postix.bmbf.de>; Fri, 12 Dec 1997 14:23:08 +0100 Message-ID: <c=DE%a=BUND400%p=BMBF%l=BMBF/SMTPGATE/004EE6AD@postix.bmbf.de>
    From: "Ruettgers, Juergen" <Juergen.Ruettgers@BMBF.BUND400.DE>
    To: [...]
    Subject: AW: Internet Zugangskosten
    Date: Fri, 12 Dec 1997 14:22:00 +0100
    Return-Receipt-To: <Juergen.Ruettgers@BMBF.BUND400.DE>
    X-Mailer: Microsoft Exchange Server Internet Mail Connector Version 4.0.995.52
    MIME-Version: 1.0
    Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1"
    X-MIME-Autoconverted: from quoted-printable to 8bit by rzdspc1.informatik.uni-hamburg.de id OAA26004
    Content-Transfer-Encoding: quoted-printable
    X-MIME-Autoconverted: from 8bit to quoted-printable by rzdspc1.informatik.uni-hamburg.de id VAA10672

    Sehr geehrter Herr [...],

    vielen Dank fuer Ihre e-mail vom 24.10.1997, in der Sie die Telefongebuehren fuer die Internet-Nutzung ansprechen und eine Senkung der Telefongebuehren fordern. Ihr Anliegen teile ich.

    Fuer mich sind optimale Rahmenbedingungen fuer Multimedia in Deutschland ein zentrales Anliegen. Hierzu zaehlen auch nutzerfreundliche Telefongebuehren.

    Ab dem 1. Januar 1998 wird es eine vollstaendige Oeffnung des Telekommunikationsmarktes geben. Dies bedeutet auch Deregulierung und das Zurueckfahren der staatlichen Einflussnahme auf Tarife zugunsten von mehr Markt. Die Wirkung ist bereits sichtbar: Die Deutsche Telekom hat fuer 1998 Gebuehrensenkungen angekuendigt. Ich erwarte, dass sich als Folge des Wettbewerbs eine deutliche Senkung der Tarife ergeben wird. Dies betrifft auch guenstigere Tarife fuer die Nutzung des Internets.

    Unabhaengig davon ist mein Haus mit der Deutschen Telekom im Gespraech. Sie koennen versichert sein, dass ich mich weiterhin aktiv fuer die Belange der Internet-Nutzer auch bei der Frage der Telefongebuehren einsetzen werde.

    Mit freundlichen Gruessen

    gez. Dr. Juergen Ruettgers

    Wann beginnt Deutschland mit der Aufholjagd?

    18.12.1997 (t-off). Die gestern in Bonn publizierten Telekom-Tarife zeigen nun sehr deutlich, daß in Deutschland eine intensive Nutzung des Informations- Mediums Internet ganz offensichtlich unerwünscht ist. Denn die Deutsche Telekom will auch 1998 keinen speziellen Internet- Telefontarif anbieten, wie es ihn beispielsweise bei unseren Nachbarn Frankreich (France Télécom) und Österreich (PTA) gibt. Und da die bundesweit operierenden neuen Telefongesellschaften (Telcos) keinerlei Alternativen bieten, bleibt Deutschland weiterhin ein Internet- Entwicklungsland, schon in Europa weit abgeschlagen auf einem der letzten Plätze, was die (ernsthafte) Nutzung angeht.

    Wie da die Vision des Bundesbildungsministers Rüttgers, bis zur Jahrtausendwende in Deutschlands Schulen (in allen Klassenzimmern ­ denn dieses sind nun einmal die Orte, wo gelernt wird) einen Internet- Anschluß zur "puren Selbstverständlichkeit" werden zu lassen, Wirklichkeit werden soll, bleibt sein Geheimnis. Denn die Schulen sind schon angesichts ihrer desolaten Mittelausstattung überhaupt nicht in der Lage, die hohen Einwahl- Telefonkosten von 4,80 DM pro Stunde und PC aufzubringen. Die deutsche Gegenwart sieht also völlig anders aus. [siehe auch: In vier Jahren sollen alle Schulen ans Netz]

    Hingegen haben die Franzosen entschlossen gehandelt und eine massive Aufholjagd begonnen. In den USA nutzt bereits jeder vierte Erwachsene das Internet und für das nächste Jahr werden hier erneut hohe Zuwachsraten erwartet. Für Deutschland besteht also sehr dringender Handlungsbedarf. Mit Schönreden der verantwortlichen Politiker ist es da nicht mehr getan, soll nicht Deutschlands Wirtschaft völlig von der globalen Entwicklung abgehängt werden.

    [Jede vernetzte Schule braucht 7.500 DM pro Jahr extra] [In den USA fast 80 % der Schulen im Netz]



    Hohe Mehrkosten durch Mitwirkung an Überwachungsmaßnahmen

    Aus:
    Spiegel Online – 15. Dezember 1997 (nur elektronisch publiziert).

    BONN. Bündnis 90/Grüne befürchten für die Telekommunikations- Branche durch deren Mitwirkungspflicht bei der behördlichen Telefon- Überwachung erhebliche Mehrkosten. Auch Betriebe, die lediglich die Technik zum Datenabruf in ihre interne Telefonanlage einbauen müßten, hätten mit Kosten von "weit über 10.000 Mark" zu rechnen, erklärte der postpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Manuel Kiper, am Montag in Bonn.

    Kiper bezog sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage seiner Fraktion zur "lückenlosen und flächendeckenden Überwachung der Telekommunikation". Nach Angaben der Regierung müßten nicht nur Netzbetreiber an einer Telefonüberwachung mitwirken, sondern auch Betreiber von "Nebenstellenanlagen in Hotels, Krankenhäusern und Betrieben, soweit sie den Beschäftigten zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt sind". Mitwirkung, so Kiper, beinhalte die Pflicht zur Installation von Überwachungstechnik. Über Ausnahmen berate die Bundesregierung noch. "Die Bundesregierung ordnet die Telekommunikation dem Primat der Überwachung unter", kritisierte Kiper. Der Abbau des Fernmeldegeheimnisses "ohne Begründung, aber um jeden Preis" sei "nicht verfassungsverträglich".




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