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Bei der Deutschen Telekom dreht sich alles um eines: um Sie. Schließlich sind es die Kunden, die über unseren Erfolg entscheiden. Deshalb haben wir uns viel vorgenommen: das kundenfreundlichste Dienstleistungsunternehmen Deutschlands zu werden.Zum 1. Januar 1996 machte die Telekom dann ernst mit der angedrohten Kundenfreundlichkeit: Sie erhöhte erst einmal die Telefongebühren in einem Ausmaß wie niemals zuvor, vor allem bei den Ortsgesprächen. Und in ihrer Werbung erzählte sie dann:So hieß es doch vollmundig in der Telekom- Werbung vom Anfang Januar 1995, die damals vielen Zeitungen beilag.
Mehr als die Hälfte aller Ortsgespräche, die in Deutschland geführt werden, sind kürzer als anderthalb Minuten und werden somit günstiger. Deshalb wird sich also auf Ihrer nächsten Telefonrechnung nichts ändern.(Quelle: Inserat in B.Z. 3.1.1996).
Ob das nun wirklich wahr ist, wird sich bereits im Februar 1996 herausstellen, wenn die Kunden ihre Januar- Telefonrechnungen erhalten. Analysiert man die neue komplexe Tarifstruktur bei den Ortsgesprächen an Werktagen (MoFr) genauer (siehe Analyse), zeigt sich, daß alle Ortsgespräche, die länger als vier Minuten dauern, deutlich teurer als früher sind egal, zu welcher Uhrzeit.
Die größte Verteuerung ergibt sich bei allen Ortsgesprächen, die länger als 12 Minuten dauern, wenn sie in der Zeit von 58 oder von 1821 Uhr geführt werden. Diese werden bis zu 2,6-mal so teuer wie bisher (rote Kurve), sehr lange Gespräche werden 2,4-mal so teuer. Tagsüber verdoppeln sich praktisch die Kosten für alle Ortsgespräche, die länger als 6 Minuten dauern (grüne Kurve). Und so müssen nun Online-Nutzer (Internet) saftige Telefon- Rechnungen befürchten. Wie soll da der Wirtschaftsfaktor Internet wachsen können? Es wird nicht lange dauern, da wird man in den Zeitungen Schlagzeilen lesen, wie "Telekom würgt Deutschlands Zukunft ab" [Ed-4.10.1997: Voilà!].Aus der Abbildung wird auch klar, wie undurchschaubar das von der Telekom gewählte nichtlineare Tarifmodell tatsächlich ist. Die Sägezahnkurven der Teuerung machen deutlich, daß sich mit ansteigender Gesprächsdauer relativ teure und nicht ganz so teuer gewordene Gespräche ständig abwechseln. Betrachtet man beispielsweise die rote Kurve (1821 Uhr): Hier ist z. B. ein 12-Minutengespräch um 161 % teurer, das nur um eine halbe Minute längere 12,5- Minutengespräch ist aber nur um 30 % teurer, das noch längere 23-Minutengespräch ist dann wieder um 161 % teurer als früher. Das liegt an der unterschiedlichen Quantelung der Dauer der Tarifeinheiten, die den einfachen Vergleich von altem und neuem Tarif so erschweren. Und das ist pure Absicht!
Wer aber solche komplexen Tarifstrukturen mit derartig hohen Preis- Steigerungen einführt, der hat das ganz bewußt gemacht, und er hat einfach etwas zu verbergen. Er muß sich der öffentlichen Kritik stellen. Nicht einmal ein Wohnungsvermieter darf die Miete einer Wohnung nach deutschen Mietrecht auf einen Schlag um mehr als 30 % (oder sind es sogar nur 20 %?) erhöhen!
Die Deutsche Telekom hätte zudem gut daran getan, bei der Tarifreform die anachronistischen Tarifeinheiten vollständig über Bord zu werfen, um dann die Telefonate einfach direkt und transparent nach ihrer Dauer in Sekunden zu berechnen, wie es beispielsweise die British Telecom zusammen mit einer deutlichen Preissenkung zum 28. Juni 1995 vorgemacht hat. Das hätte zu wesentlich mehr Klarheit bei den Kunden geführt.
Da die Behauptung der Telekom, daß 53 % aller Ortsgespräche kürzer als 90 Sekunden dauern, sehr wenig glaubwürdig, auch bisher nicht öffentlich belegt worden ist (Experten vermuten sogar ein Gefälligkeitsgutachten), ist zu erwarten: Die meisten Kunden werden ab Januar 1996 wesentlich höhere Rechnungen als früher erhalten, und es wird mit Sicherheit mehr als eine Steigerung von 30 % sein, es sei denn man telefoniert nicht mehr so viel.
Dabei hat die Deutsche Telekom AG auch bei den Ortsgesprächen bisher schon gut verdient. Die Einnahmen bei den Ortsgesprächen lagen zuletzt immerhin um 39 % über den Kosten. Insgesamt hat die Telekom 1995 bei Einnahmen von 45 Milliarden einen beachtlichen Gewinn von 14 Milliarden Mark erwirtschaftet (Focus Nr. 2/1996). Da die Telekom gegen diese Berichterstattung des Focus bisher nicht gerichtlich vorgegangen ist, darf angenommen werden, daß der Focus die volle Wahrheit geschrieben hat. Und das würde auch bedeuten, daß sich die Telekom die Bonner Zustimmung zu der drastischen Verteuerung bei den Ortsgesprächen mit unrichtigen Angaben erschlichen hat, oder daß der genehmigende Bundespostminister uns über die wahren Hintergründe täuscht. Herr Bötsch, was ist da eigentlich 1993/94 im Vorfelde der Tarif-Genehmigung [am 18. März 1994] wirklich passiert?
Denn nach Angaben des Verbands der Postbenutzer hatte die Deutsche Telekom schon 1991 bei den Ortsgesprächen einen Überschuß von 1,553 Milliarden Mark über den Kosten von 3,921 Milliarden Mark erwirtschaftet. Die Erlöse aus den Ortsgesprächen betrugen demnach 5,474 Milliarden Mark. Diese Zahlen hatte die Telekom selbst dem Genehmigungsantrag für ihr "Tarifkonzept 96" beim Bundespostminister beigefügt. Seit 1991 sind nun die Telekom-Umsätze erheblich gestiegen, der Überschuß wird dementsprechend gewachsen sein [Ed-28.7.1996: Die aktuellen Wirtschaftsdaten der Telekom von 1995 bestätigen nun diese Vermutung]. Dennoch behauptet die Telekom heute ohne es zu belegen, daß Ortsgespräche defizitär seien. [Ed-3.10.1996: Durch die VTM-Studie vom Mai 1996 ist diese Behauptung eindeutig widerlegt].
Fazit: Mit den künftig noch höheren Gewinnen bei den Ortsgesprächen will die Deutsche Telekom ganz offensichtlich die Ferngespräche vor allem ihrer Geschäftskunden quersubventionieren. Denn die Telekom befindet sich bei den Ferngesprächen schon 1996 (nicht erst 1998) im Wettbewerb mit anderen Anbietern und den vielen ausländischen Callback-Services.
Macht sie die Ferngespräche nicht billiger, dann laufen ihr die großen Kunden zur privaten Konkurrenz weg. Die vielen privaten Ortsgesprächskunden können aber (noch) nicht weglaufen. Deshalb müssen diese Wettbewerbskosten nun der kleine Mann und die Rentnerin bezahlen, und die Bonner Politiker haben diese unsoziale Tarifreform 1994 auch noch abgesegnet.
Ob sich das die Telekom-Kunden wohl gefallen lassen werden ?
Alle 40 Millionen Telekom-Kunden sind auch Wähler. Und um diese nun zu besänftigen und zu vertrösten haben sich die Politiker "Family & Friends"- Rabatte einfallen lassen. Die Rechnung der Politiker wird aber kaum aufgehen, denn auch alle im Gespräch befindlichen Rabatte stellen gegenüber der Situation bis 1995 immer noch eine erhebliche Verteuerung dar. Außerdem benötigt dazu die Telekom erneut aufwendige Software, und diese kann erst 1997 zur Verfügung stehen. [Ed-4.10.1997: zu den Erfahrungen mit den Sondertarifen]Da muß man sich doch wirklich fragen, warum werden überhaupt erst die Ortsgespräche so teuer gemacht, um sie dann wieder kompliziert zu rabattieren. Zumal diese Ortsgespräche im internationalen Vergleich schon vor der Preiserhöhung dreifach überteuert waren. Nein, wir brauchen keine solchen undurchsichtigen Rabatte. Wir brauchen schlichtweg nur wirklich soziale und kommunikationsfreundliche Ortstarife. Wir hatten bis zum 31. Dezember 1995 eine relativ ausgewogene Tarifstruktur im Ortsbereich. Man braucht diese nur wieder einzuführen oder gleich ein kundenfreundliches Tarifsystem wie in den USA mit 25 DM Grundgebühr und freien Ortsgesprächen [Flat-rate]. Dann klappt das auch mit der vollständigen Privatisierung der Telekom und dem Gang an die Börse im November 1996, und die Kunden bleiben der Telekom treu. Eine wirklich weise Entscheidung der Deutschen Telekom ist längst überfällig.
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