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Telekommunikation in den Medien – Teil 5 khd
Stand:  12.1.2001   (46. Ed.)  –  File: Aus_Medien/05.html




Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante Zeitungsartikel und andere Texte zur Telekommunikation im Original dokumentiert und manche auch kommentiert [Ed: ...]. Tippfehler gehen zu meinen Lasten. Presseberichte zu den Pannen der Telekom sind ab der Seite "Neue Telekom- Ungereimtheiten" gesondert dokumentiert und kommentiert. Hier sind dokumentiert:

  • Neuere Presseberichte  (6. Teil).
  • 28.06.1996: Digitaler Datenschutz steht ­ Auflagen für Telekom-Anbieter.
  • 26.06.1996: Einigung erzielt über Telekomgesetz.
  • 25.06.1996: Großkundenrabatte ab November frei.
  • 24.06.1996: Freie Bahn für Telekom-Rabatte?
  • 23.06.1996: Telekom-Aufsichtsrat weist Vorwürfe zurück.
  • 22.06.1996: Beging Telekom-Aufsichtsrat Leister Amtsmißbrauch?
  • 21.06.1996: Telekom beginnt Rabatt-Tests.
  • 16.06.1996: Telekom: "Schutzgebühr" bezahlt?
  • 15.06.1996: Private Telefondienste verfassungswidrig?
  • 14.06.1996: TKG: Gute Nacht Deutschland!   (Ein Kommentar)
  • 13.06.1996: Nun können die Privaten ans Netz gehen.
  • 13.06.1996: Erneut Telefon-Betrug mit 0190-Nummer.
  • 12.06.1996: EU fordert Gleichbehandlung aller Telekom-Kunden.
  • 05.06.1996: Kompromiß bei den Telekom-Rabatten?
  • Ältere Presseberichte  (4. Teil).



    Kompromiß bei den Telekom-Rabatten?

    Aus: Handelsblatt, 5. Juni 1996, Seite 15 (Unternehmen).

    BONN – 4.6.1996 (wt). Bis Ende Juni wird die Entscheidung zu den umstrittenen Großkundenrabatten der Deutschen Telekom erwartet. Die EU-Kommission und Postminister Wolfgang Bötsch rangeln noch um den Starttermin.

    "Jeder Tag, an dem die Geschäftskundenrabatte nicht genehmigt werden, frustriert unsere Kunden." Ron Sommer, Vorstandschef der Deutschen Telekom AG, forderte in Bonn eine baldige Entscheidung zu den umstrittenen Rabatten für Großkunden. Er erkenne aber das starke Engagement des Postministers, im Einvernehmen mit Wettbewerbskommissar Karel van Miert eine Einigung zu erreichen.

    Postminister Wolfgang Bötsch hat gestern ein Schreiben an van Miert mit einem Kompromißvorschlag abgeschickt. Darin wird nach Ministeriumsangaben das Inkrafttreten der Preisnachlässe zum 1. Juli 1996 favorisiert. Bötsch setze sich dafür ein, daß die Sondertarife auf jeden Fall vor Ende dieses Jahres eingeführt würden. Brüssel hatte den 1. Januar 1997 vorgeschlagen. Eine Antwort van Mierts wird in den kommenden zwei bis drei Wochen erwartet. So könnte die Telekom dem Regulierungsrat auf seiner nächsten Sitzung am 24. Juni ein modifiziertes Modell zur Genehmigung vorlegen. (...)



    EU fordert Gleichbehandlung aller Telekom-Kunden

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 12. Juni 1996, Seite 13 (Wirtschaft).

    BRÜSSEL. Die EU-Kommission erwartet von der Deutschen Telekom, bei den von dem Unternehmen geplanten Preisnachlässen alle Kunden gleichzubehandeln. Es könne nicht darum gehen, nur "Großkunden" einen Gebührenvorteil zu verschaffen, hieß es in Brüssel. Zudem sei eine rückwirkende Senkung der Gebühren inakzeptabel.



    Erneut Telefon-Betrug mit 0190-Nummer

    Aus: B.Z., Berlin, 13. Juni 1996, Seite 5 (Berlin).

    BERLIN. Über 100 000 Mark erschwindelten sich zwei 18jährige Kreuzberger mit der Service-Nummer 0190. Sie telefonierten eifrig mit ihrer eigenen 0190-Nummer, teilweise von fremden Anschlüssen und machten Kasse durch ihren Gebührenanteil von der Telekom. Die Telekom schöpfte aber Verdacht, stoppte die Auszahlung, das Duo flog auf. Festgenommen.



    Nun können die Privaten ans Netz gehen

    Telekommunikationsgesetz nach langen Querelen so gut wie beschlossen / Politischer Einfluß bleibt

    Von TOM WEINGÄRTNER

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 13. Juni 1996, Seite 17 (Wirtschaft).

    BONN. Das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) wird an diesem Donnerstag voraussichtlich ohne größeren Schlagabtausch vom Bundestag verabschiedet [Ed: siehe Anm]. Auch in der Länderkammer, die das TKG am Freitag [Ed: 14. Juni 1996] berät, wird mit Zustimmung gerechnet [Ed–13.6.1996- 23.00h: Die Länder werden laut InfoRadio-Berlin morgen die Zustimmung verweigern und den Vermittlungsauschuß anrufen], obwohl die Regierung auf die wichtigste Forderung der Bundesratsmehrheit nicht eingegangen ist. Sie wollte den Kommunen zu dem Recht verhelfen, auf die Nutzung öffentlicher Wege für Telefonleitungen Gebühren zu erheben. Einen Ausgleich sollen nur private Eigentümer erhalten, über deren Grundstücke Telefonkabel verlegt werden.

    Allerdings haben die Länder durchgesetzt, daß sie auf die künftige Regulierungsbehörde entscheidenden Einfluß erhalten. Ihr Präsident und die beiden Vizepräsidenten, die Schiedsrichter über den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt, werden von einem 16köpfigen Beirat ernannt, der von den Ländern und vom Bundestag je zur Hälfte besetzt wird. Für die privaten Telekommunikationsfirmen ist das ein Wermutstropfen. Der politische Einfluß, so die Befürchtung, werde vor allem der noch bundeseigenen Deutschen Telekom zugute kommen.

    Insgesamt überwiegt aber die Freude darüber, daß das TKG rasch über die parlamentarischen Hürden kommt. Ihre eigenen Netze können die Privaten damit schon in einigen Wochen in Betrieb nehmen [Ed: zum 1. Juli 1996]. Dann will der Postminister die ersten Lizenzen erteilen. Sie gelten zunächst nur für "geschlossene Benutzergruppen". Telefonanschlüsse für den Normalverbraucher können die Privaten erst ab 1998 anbieten. Bis dahin stehen – neben der Telekom – nur die Netze im Wettbewerb, in die vor allem die Energiewirtschaft bereits viel Geld investiert hat. In den Startlöchern stehen Viag Intercom, ein Gemeinschaftsunternehmen von Viag, Bayernwerk, RWE, Thyssen sowie British Telecom und der US-Gesellschaft MCI, und Vebacom hinter der neben der Veba und Mannesmann, Cable&Wireless und AT&T stehen. Sie versuchen außerdem die DBCom [Ed: Deutsche Bahn] ins Boot zu ziehen.

    Ob diese Giganten den deutschen Wachstumsmarkt am Ende unter sich aufteilen, ist noch nicht sicher. Der Postminister und später die Regulierungs- behörde können nach dem TKG eine unbegrenzte Zahl von Lizenzen vergeben, nicht nur für das gesamte Bundesgebiet sondern auch für lokale und regionale Netze. Mit diesem liberalen Grundsatz hat sich die Koalition gegen die SPD durchgesetzt, die sich zunächst gegen die Möglichkeit des "Rosinenpickens" ausgesprochen hatte. Die Sozialdemokraten wollten auch die Wettbewerber der Telekom zu einem flächendeckenden Angebot verpflichten. Ihre Auflagen hätten nur kapitalstarke Firmen erfüllen können. Nun muß zunächst nur die Telekom eine bundesweite Grundversorgung anbieten. Dazu gehört vor allem ein leistungsfähiger Telefondienst – mit ISDN-Qualität – und ein Notrufsystem.

    Ob kleinere Anbieter eine Chance erhalten, wird entscheidend von der Regulierungsbehörde abhängen. Sie muß die vorhandenen Spielräume im TKG ausloten und ausschöpfen. Dabei kommt es vor allem darauf an, unter welchen Bedingungen die Wettbewerber der Telekom deren Netz benutzen können. Denn auch die Großen können darauf nicht verzichten. Sie können zwar Daten oder Ferngespräche über lange Strecken auf dem eigenen Netz vornehmen, nur die Telekom verfügt aber über einen Zugang zu allen privaten Haushalten. Zwar kann man die teure "letzte Meile" auch durch eine Funkverbindung überbrücken, wirtschaftlich macht das aber nicht immer Sinn. Schon lange gibt es deshalb Auseinandersetzungen zwischen der Telekom und den privaten Telefonfirmen über die Preise für die Benutzung des Telekomnetzes [Ed: siehe dazu die brisante VTM-Studie "Kosten des Ortsnetzes" vom Mai 1996]. Die Grundsätze für die Verrechnung der Netzpreise werden künftig in einer Verordnung geregelt, die der Postminister dem Bundesrat noch vor der Sommerpause zuleiten will. Im Einzelfall wird jedoch die Regulierungsbehörde den Streit schlichten müssen. [Ed: Die Grünen haben heute zum neuen TKG, insbesondere zur Problematik des Datenschutzes, weitere Infos & Kritik publiziert. Siehe auch den folgenden Artikel].

    18.6.1996 (t-off). Im Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages (Drs. 13/110, Seite 9807) vom 13. Juni 1996 ist zur TKG-Abstimmung zu lesen: "Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und eines Teils der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen, der Gruppe der PDS und eines anderen Teils der SPD-Fraktion bei einigen Enthaltungen der SPD-Fraktion angenommen. Das war kompliziert, aber so ist es." (Bundestagsvizepräsident U. Klose). [Links zum TKG]



    TKG: Gute Nacht Deutschland!

    Aus:
    de.soc.datenschutz (UseNet des Internets), 14. Juni 1996, 1.27 GMT. Artikel von Nikolai Golecki.

    Ich wundere mich, wieso es hier noch so ruhig zugeht. Das TKG ist ein Affront gegen alles, was uns bisher heilig war. Das Gesetz mag in einigen Passagen nützlich sein (in Bezug auf die Regelungen zur Öffnung des Telekom- munikationsmarktes...), jedoch sind insbesondere die Paragraphen 85 und 87 ein Tiefschlag gegen unsere Verfassung und unsere Freiheiten. Mit diesem Gesetz wird die Grundlage für einen Staat nach George Orwells Roman "1984" gelegt, die allumfassende Überwachung des Bürgers gesetzlich legitimiert und durch die zu schaffende "Regulierungsbehörde" institutionalisiert. Gute Nacht Deutschland!

    Der derzeitige Widerstand der SPD ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Anstatt dieses "Orwellsche Gesetz" wegen der oben genannten Überwachungs- paragraphen zu kippen, setzt man sich für ein Wegegeld zugunsten der Kommunen ein. Traurig!

    Ich möchte nicht wissen, was als nächstes kommt. Wahrscheinlich wird in Deutschland per Gesetz der Gebrauch von Programmen wie PGP [Ed: Pretty Good Privacy, ein Programm zur sicheren Verschlüsselung von Texten für jedermann] etc. verboten, sowie es schon in Frankreich, Rußland und anderen totalitären Staaten ( :–] ) geschehen ist. Bestrebungen in den USA und Großbritannien verheißen nichts Gutes. Wir müssen jetzt handeln und gegen das TKG und mögliche Folge-Gesetze vorgehen. Sonst wird man uns in 50 Jahren einmal fragen: "Wieso habt Ihr nichts getan?" – Mein Vertrauen in Deutschland ist hin.



    Private Telefondienste verfassungswidrig?

    Aus: ARD/ZDF-Videotext, 15. Juni 1996, 23.00 Uhr, Tafel 140 (Wirtschaft).

    BONN. Das Engagement der großen Stromkonzerne im Telekommunikations- markt ist möglicherweise verfassungswidrig. Das erklärte der Wettbewerbs- rechtler Wernhard Möschel, Mitglied der Monopolkommission [Ed: und Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Tübingen], dem SPIEGEL [Ed: 25/1996, Seite 84]. Hinter den Stromkonzernen stünden Bund, Länder und Gemeinden. Ein Einstieg der Stromkonzerne in die Telekommunikation, so Möschel, laufe daher auf eine Rückverstaatlichung hinaus. Im Grundgesetz heiße es aber, daß die Telekommunikationdienste von der privaten Telekom und "durch andere private Anbieter" zu erbringen sei.



    Telekom: "Schutzgebühr" bezahlt?

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 16. Juni 1996, Seite 7 (Lesermeinung).

    Sie berichten über den Telekom-Konzerngewinn von 5,3 Milliarden und über die Gewinnausschüttung von 1,1 Milliarden DM. Sie erwähnen mit keinem Wort, daß der Bund bereits vor der Gewinnfeststellung 3,1 Milliarden DM an sich "abliefern" ließ [Ed: doch, am 5.6.1996, Seite 15 in einer Grafik]. Die reale Ausschüttung an den Bund ist bedeutend höher als die erwähnte Dividende [Ed: 4,2 Mrd. Mark]. Seriöser Journalismus hätte die Leser darauf hingewiesen [Ed: siehe Anm.] und zumindest erklärt, wofür der Bund den enormen Betrag "abliefern" ließ. Zu vermuten ist, daß das Geld eine "Schutzgebühr" für die politisch organsisierte Behinderung der privaten Konkurrenz ist. Franz Stoß...

    16.6.1996 (khd/t-off). Der Berliner TAGESSPIEGEL verspricht tagtäglich in seinem Kopf den Lesern, den (allen?) Dingen auf den Grund zu gehen ("RERUM COGNOSCERE CAUSAS"). Dennoch bleibt sehr vieles auf der Strecke, auch wenn er durch Leser ganz gezielt informiert wird. Wo bleibt die (eigene) kritische Berichterstattung zu den vielen brennenden Telekom(munikations)- Problemen? Beispielsweise wurden bisher weder die amtlichen BAPT-Studien noch die brisante VTM-Studie erwähnt, geschweige denn, daß inzwischen fast 1 Million Bundesbürger mit ihren guten Unterschriften gegen die "Tarifreform 96" der Telekom protestiert haben. Warum?



    Telekom beginnt Rabatt-Tests

    Aus: RTL-Videotext, 21. Juni 1996, 22.55 Uhr, Tafel 121, Rubrik Deutschland.

    BONN. Nach einem BILD-Bericht hat die Deutsche Telekom jetzt die Einzelheiten für zwei neue Spartarife für Privatkunden festgelegt. Sie starte schon Ende Juli entsprechende Pilotversuche in Neubrandenburg, Bremen und Weiden/Oberpfalz. Beim geplanten Tarif "City-Plus" kaufe der Kunde für 23,99 DM 400 Einheiten, die er vier Wochen lang zwischen 5.00 und 21.00 Uhr im City-Bereich und bei fünf vorher bestimmten Zielnummern nutzen könne. Die Ersparnis betrage 50 % gegenüber dem normalen Tarif. Beim "City-Weekend" können die Kunden für eine zusätzliche Zahlung von 5 DM im Monat an allen Wochenenden und bundeseinheitlichen Feiertagen im City-Bereich rund um die Uhr zum "Mondscheintarif" telefonieren. [Links zu den Problemem mit den "Rabatt"-Tarifen]



    Spekulationen um Leister

    Beging Telekom-Aufseher Amtsmißbrauch?

    Aus:
    Berliner Zeitung, 22. Juni 1996, Seite 1 + 11 (Wirtschaft) mit 1 Foto.

    BERLIN (ebs). Der überraschende Rückzug Rolf-Dieter Leisters von der Spitze des Telekom- Aufsichtsrats ist möglicherweise auf den Verdacht von Amtsmißbrauch zurückzuführen. Hinweise darauf liefern interne Gutachten der Telekom, die der Berliner Zeitung vorgelegen haben.

    Der Vorstand der Telekom hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beauftragt, anonymen Vorwürfen gegen Leister nachzugehen. Die am 29. Mai abgeschlossenen Gutachten entlasten den Aufsichtsratschef nur bedingt. Insbesondere der Vorwurf, daß Leister private Telekommunikationskosten von jährlich bis zu 120.000 Mark auf die Telekom abgewälzt habe, wurde durch die Prüfung nicht entkräftet. Laut KPMG fehlten für eine solche Prüfung entscheidende Unterlagen.

    Dem ebenfalls erhobenen Vorwurf, daß Leister Insider-Informationen zur strategischen Zukunftsplanung der Telekom über seine Beratungsfirmen an Konkurrenz- und Zulieferunternehmen der Telekom weitergegeben habe, wurde laut KPMG nicht nachgegangen. Nach Recherchen der Berliner Zeitung verdichten sich jedoch die Hinweise, daß Leister in seiner Eigenschaft als Unternehmensberater in geschäftlichen Beziehungen zum Münchner Siemens- Konzern gestanden haben soll. Siemens ist der bedeutendste Zulieferer der Telekom.


    Seite 11 (1/2 Seite mit 1 Foto "Veränderte seine Lebensplanung: Telekom-Aufsichtsratschef Rolf-Dieter Leister"):

    »In allen Punkten vollständig entlastet«

    Ein anonymer Brief und die Folgen: Trotz veränderter Lebensplanung steht Telekom-Aufsichtsratschef Rolf-Dieter Leister im Zwielicht

    Von EWALD B. SCHULTE

    Anonyme Briefe sind in Bonn nichts Besonderes. Immer wieder gibt es Versuche, Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft durch gezielte Anschwärzereien in Mißkredit zu bringen. In den seltensten Fällen halten die anonym erhobenen Vorwürfe einer ernsthaften Überprüfung stand. Daher landen solche an Bonner Ministerien gerichtete Schreiben in aller Regel dort, wo sie hingehören: im Papierkorb.

    Ein anderes Schicksal indes war jenem dreiseitigen Epos beschieden, das Ende Februar den Bundesminister für Post und Telekommunikation, Wolfgang Bötsch (CSU), erreichte. Auf schönstem Telekom-Papier hatte ein offenkundig sachkundiger Anonymus überaus brisante Vorwürfe gegen den amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Telekom, Rolf-Dieter Leister (55), zusammengestellt. Danach soll Leister, hauptberuflich Unternehmensberater mit Firmen in Berlin und Stuttgart, die Oberaufsicht über Deutschlands Telefon- monopolisten sträflichst für eigene Zwecke mißbraucht haben. Die Vorwürfe im einzelnen:

    Brisante Vorwürfe

    • Leister nutze von der Telekom bereitgestellte Dienstwagen samt Fahrer nicht nur für telekomrelevante, sondern stets auch für private Zwecke.
    • Ein Teil der aus der privaten Geschäftstätigkeit Leisters resultierenden Telekommunikationskosten werde über die Telekom abgewickelt. Allein hieraus erziele Leister einen jährlichen Vorteil von ca. 120.000 Mark.
    • Bei größtenteils privat motivierten Auslandsreisen schiebe Leister immer auch einen offiziellen Termin als Telekom-Repräsentant ein, so daß das Unternehmen für die Reisekosten aufkommen müsse.
    • Der Aufsichtsratschef habe bei Auftragsvergaben der Telekom gezielt zugunsten eigener Beratungskunden interveniert.
    • Zu den privaten Kunden Leisters zählten Zulieferer der Telekom ebenso wie Konkurrenten. Angesichts des Einflusses Leisters auf die Telekom müsse davon ausgegangen werden, daß er solche Kunden auch über "streng vertrauliche strategische Entscheidungen der Telekom" informiere. Damit aber sei der geplante Börsengang des Unternehmens tangiert.
    Bötsch reagierte prompt: Eine Kopie des Schreibens ging an den Telekom- Vorstand, Mitte März konfrontierte der Minister den bis dato überaus selbstbewußt agierenden Aufsichtsratschef persönlich mit den Vorwürfen, die Leister sämtlich bestritt.

    Schwache Gutachten

    Telekom-Chef Ron Sommer wollte die anonymen Vorwürfe nicht auf sich beruhen lassen. Ein Rechtsanwalt überprüfte das Schreiben auf "justitiable Vorwürfe", auf solche Sachverhalte also, die wie die persönliche Vorteilsnahme strafrechtlich relevant sein können. Ergebnis: Mit Datum vom 10. Mai beauftragte der Telekom-Vorstand die renommierte Wirtschaftprüfungs- gesellschaft KPMG (Frankfurt/Main), dem angeblichen Mißbrauch bei den Telekommunikationskosten, den Dienstreisen sowie der Vergabe von Telekom-Aufträgen nachzugehen. Als "nicht relevant" fiel der Dienstwagen- Vorwurf von vornherein durch das Raster. Es sei schließlich "selbstverständlich", so die Telekom, daß Leister auf Wunsch überall dort, wo dies möglich sei, ein Dienstwagen samt Fahrer zur Verfügung gestellt werde. Für welche Zwecke der Wagen jeweils benötigt werde, sei einzig und allein Angelegenheit des Aufsichtsratschefs.

    Am 29. Mai legte die KPMG dem Telekom-Vorstand die drei Teil-Gutachten vor. Die Berliner Zeitung hatte Gelegenheit, die Expertisen der Wirtschafts- prüfer einzusehen. Am plausibelsten erscheint danach die Entlastung Leisters hinsichtlich einer möglichen Einflußnahme auf die Telekom- Auftragsvergabe. Die Prüfer nahmen in diesem Zusammenhang 1924 im Telekom- Aufsichtsratsbüro dokumentierte Vorgänge – darunter 917 persönliche Anfragen des stets überaus regen Telekom- Aufsehers Leisters – unter die Lupe. Lediglich fünf dieser Vorgänge seien vergaberelevant gewesen, eine unzulässige Intervention Leisters sei aber nicht nachweisbar. So sei ein ostdeutscher Hochregallager- Hersteller, der sich persönlich bei Leister über die mangelnde Berücksichtigung bei einer Ausschreibung beschwert hatte, nicht zum Zuge gekommen. Gleiches gelte für jenen westdeutschen Möbelfabrikanten, der sich vom Kontakt zum Aufsichtsratschef einen profitablen Auftrag für die Innenausstattung des neuen Telekom- Gebäudes erhofft hatte.

    Bei den Reisekosten kamen die Prüfer nach Durchsicht der Belege und diversen Rücksprachen u. a. auch mit Telekom-Chef Sommer zu dem Ergebnis, daß Leister keinen einzigen Auslands-Trip abgerechnet hatte, bei dem nicht auch ein Telekom-Termin wahrgenommen worden wäre. Etwas anderes aber hatte der Anonymus gar nicht behauptet. Auf eine Abwägung, ob Leister solche Dienstreisen in überdurchschnittlichem Ausmaß für Zwecke seiner privaten Geschäftstätigkeit genutzt haben könnte, verzichteten die Prüfer.

    Am wenigsten aussagekräftig ist das Gutachten hinsichtlich der Telekommunikationskosten. Hier beschränkte sich die KPMG auf eine reine Plausibilitätsprüfung der von Leisters Beratungsfirmen bezahlten Telefon- Rechnungen. Danach ist der jährliche Telefon- und Fax-Aufwand dieser Unternehmen zwischen 1987 und 1995 von 45.000 Mark auf 105.000 Mark jährlich gestiegen – ein für Beratungsfirmen dieser Größenordnung angeblich akzeptabler Wert. Ob Leister in seinen Büros oder aber von seinem Wohnort aus die für ihn als Telekom-Aufsichtsratsvorsitzender zusätzlich geschalteten Telefon- und Fax-Anschlüsse überproportional für Zwecke seiner privaten Unternehmen genutzt hat, konnte laut KPMG nicht überprüft werden. Grund: Technisch sei bei diesen Anschlüssen der Abruf von Einzelgesprächs- nachweisen nicht vorgesehen gewesen.

    Moderne Technik

    Eine Feststellung, die selbst Laien den Atem verschlägt, sind die doch via Telekom- Reklame über die diversen Vorzüge der modernen ISDN-Technik bestens informiert. Zudem weigert sich die Telekom allen vermeintlichen Aufklärungsbestrebungen zum Trotz beharrlich, die vom Aufsichtsrats- Vorsitzenden Leister im letzten Geschäftsjahr real verursachten Telekommunikationskosten offenzulegen. Nicht einmal die KPMG-Prüfer konnten daher nachvollziehen, in welcher Dimension Vieltelefonierer Leister seine diversen Dienstleistungen in Anspruch genommen hat. Geschweige denn, ob Leister genügend Raum blieb, die Dienst-Infrastruktur im vom Anonymus behaupteten Umfang für private Zwecke zu nutzen.

    Dennoch sieht die Telekom ihren Aufsichtsratschef nach diesen Gutachten "in allen Punkten vollständig entlastet". Ein Persilschein, mit dem Postminister Bötsch und Leister selbst – der zu all diesen Gerüchten um seine Person nicht zu sprechen ist [Ed: nun doch, siehe SPIEGEL-Interview] – offenkundig leben können. Als der Unternehmensberater vor Wochenfrist "überraschend" kundtat, aufgrund "einer veränderten persönlichen und beruflichen Lebensplanung" für eine weitere Amtsperiode als Aufsichtsratsvorsitzender nicht mehr zur Verfügung stehen zu wollen, dankte Bötsch seinem Telekom-Oberaufseher für das siebenjährige Engagement. Mit dem ehemaligen Henkel-Chef Helmut Sihler konnte der Minister dem Bundeskabinett auch prompt einen geeigneten Nachfolge-Kandidaten für den vakanten Chefsessel präsentieren.

    Ein Problem jedoch bleibt: Der brisante Vorwurf gegen Leister – die Möglichkeit nämlich, daß der Aufsichtsratschef Insider- Informationen zur strategischen Zukunftsplanung des Telefonriesen über seine Unternehmensberatungsfirmen interessierten Zulieferer- oder Konkurrenzunternehmen zugespielt haben könnte – ist bislang nicht ausgeräumt. Auf eine Überprüfung der "privaten" Firmenkontakte Leisters hinsichtlich einer möglichen Interessenkollision zu seinem Aufsichtsratsjob nämlich hat der Telekom- Vorstand ebenso wie das Postministerium ausdrücklich verzichtet. Dabei wäre für eine solche Untersuchung der ohnehin hinzugezogene Sachverstand der KPMG – die mit mindestens zwei ihrer drei Leister-Gutachten eindeutig unter Niveau beschäftigt wurde – prädestiniert gewesen. Der bewußte Verzicht auf die Prüfung dieser Vorwürfe kann für die Telekom schwerwiegende Folgen haben. Sollten sich die Insider-Vorwürfe gegen Leister auch nur ansatzweise bestätigen, ist der für den Herbst geplante Börsengang des Unternehmens kaum mehr zu halten.

    Beredtes Schweigen

    Telekom-Konkurrenten wie der Veba-Konzern, RWE oder Mannesmann- Mobilfunk bestritten auf Anfrage der Berliner Zeitung nach eingehender Prüfung jeden Geschäftskontakt zum Unternehmensberater Leister. Anders der Siemens- Konzern. Noch am Dienstag vormittag hatte die Pressestelle des Münchner Elektronik- Multis eine rasche Aufklärung zugesagt. Nach Einschaltung diverser Vorstandsmitglieder aber war es mit der ansonsten so gepflegten Transparenz im Hause Siemens nicht mehr weit her. Der vom Konzernvorstand abgesegnete Zwischenbescheid von Freitag [Ed: 21. Juni 1996]: Zu Geschäftsverbindungen mit Beratungsunternehmen gebe man grundsätzlich keine Auskunft. Dabei hatte der Anonymus in seinem Schreiben das Münchner Unternehmen möglicherweise direkt im Visier. Er behauptet: "Herr Leister hat mindestens fünf, wahrscheinlich sogar acht bis zehn Beratungsverträge mit Lieferanten der Telekom. Darunter sind zwei Unternehmen, die zu den größten deutschen Konzernen gehören." Siemens aber ist nicht nur einer der größten Industriekonzerne Deutschlands, sondern auch der mit Abstand größte Lieferant der Telekom.



    Telekom-Aufsichtsrat weist Vorwürfe zurück

    Kein Einfluß auf Auftragsvergabe

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 23. Juni 1996, Seite 21 (Wirtschaft).

    HAMBURG. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Telekom AG, Rolf-Dieter Leister, hat bestritten, jemals Einfluß auf die Auftragsvergabe der Gesellschaft genommen zu haben. Er habe sein Wissen auch nie an Zulieferer oder Konkurrenten der Telekom weitergegeben, sagte Leister dem Nachrichten- magazin "DER SPIEGEL" [Ed: 26/1996, Seite 89]. "Ich habe mit keinem Unternehmen, auch nicht mit Siemens, Beratungsverträge [Ed: sollte er nun nicht eine Liste aller seiner Verträge publizieren?], die in irgendeinem Zusammenhang mit der Deutschen Telekom stehen." Leister versicherte, daß ausschließlich persönliche Gründe für seinen vor einigen Tagen angekündigten Rücktritt ausschlaggebend gewesen seien. Die anonymen Briefe, in denen er unter anderem beschuldigt wird, seine persönlichen Reise- und Telefonkosten über die Telekom abgerechnet zu haben, hätten eher seine "Kämpfernatur geweckt".



    Freie Bahn für Telekom-Rabatte?

    BONN – 24.6.1996 (t-off). Die Deutsche Telekom AG darf ab 1. November 1996 ihren Großkunden (Monatsrechnung höher als 5000 Mark) Mengenrabatte von bis zu 35 % einräumen. Darauf einigten sich heute der Bundespostminister und der Regulierungsrat auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause.
    Bescheidenere Rabatte für Privatkunden wird es hingegen erst ab dem 1. Januar 1997 geben. Ob die EU-Kommission mit diesen Preisnachlässen, die von ihr kürzlich geforderte Gleichbehandlung aller Kunden als gewährleistet ansieht, war heute nicht mehr zu erfahren.



    Großkundenrabatte ab November frei

    Grünes Licht vom Regulierungsrat

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 25. Juni 1996, Seite 11 (Wirtschaft).

    BONN. Die Deutsche Telekom AG kann die seit Monaten blockierten Geschäftskundenrabatte zum 1. November 1996 einführen. Das beschloß der Regulierungsrat von Bund und Ländern am Montag in Bonn. Die Telekom wollte ihren Großkunden ursprünglich bereits zum 1. Januar Rabatte bis deutlich über 30 Prozent geben. Nach einer Beschwerde von Konkurrenten der Telekom bei der Europäischen Kommission hatte Postminister Wolfgang Bötsch diese Genehmigung jedoch nicht in Kraft gesetzt. Mit der Kommission wurde nun ein Kompromiß gefunden. Die Telekom darf die Rabatte nicht rückwirkend einführen. Außerdem muß sie unter anderem auch Ortsgespräche einbeziehen und den Monopolbereich vom Wettbewerbsbereich trennen [Ed: und was bedeutet das nun praktisch?].



    Einigung erzielt über Telekomgesetz

    Bundesrat soll am 5. Juli entscheiden

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 26. Juni 1996, Seite 13 (Wirtschaft).

    BONN. Das Telekommunikationsgesetz kann aller Voraussicht nach am 10. Juli in Kraft treten. Postminister Wolfgang Bötsch sagte am Dienstag in Bonn, er gehe davon aus, daß der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat dem Gesetz am morgigen Mittwoch [Ed: 26. Juni 1996] zustimmen werde. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern hatte sich zuvor auf einen Kompromiß verständigt. Wesentliche Änderungen am bisherigen Entwurf habe es nicht gegeben, betonte Bötsch. Zum Thema Regulierung sei kein einziger Satz verändert worden. Der FDP- Telekom- Experte Rainer Funke erklärte, der Bundestag werde das Gesetz am Freitag erneut beschließen. Am 5. Juli solle dann der Bundesrat entscheiden. Den Ländern sei ein Mitbestimmungsrecht bei der Frequenzvergabe zugesichert worden, sagte Funke, der auch Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium ist.



    Digitaler Datenschutz steht

    EU-Postminister einig / Auflagen für Telekom-Anbieter

    Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 28. Juni 1996, Seite 13 (Wirtschaft).

    LUXEMBURG. Die Postminister der Europäischen Union haben sich am Donnerstag in Luxemburg über den Datenschutz in digitalen Telekom- munikationsnetzen (ISDN) geeinigt. Das teilte die italienische Ratspräsidentschaft mit. Die Richtlinie verpflichtet die Anbieter solcher Netze, die Sicherheit übermittelter Daten zu garantieren und den Kunden über mögliche Risiken und Schutzmaßnahmen zu informieren [Ed: Gilt das in Deutschland auch für die "Abhör"- Möglichkeit der Geheimdienste nach dem neuen TKG, oder bricht hier ein Widerspruch auf?]. Das Dokument muß noch vom Europäischen Parlament gebilligt werden.

    Die Richtlinie verbietet, daß persönliche Daten eines Teilnehmers ohne dessen ausdrücklicher Zustimmung nur für einen begrenzten Zeitraum und in einem Maße gespeichert werden dürfen, wie sie beispielsweise für die Gebühren- abrechnung nötig sind. Der Kunde muß die Möglichkeit haben, das Netz anonym zu nutzen. Da bei Telefonaten im ISDN die Nummern von Anrufer und Angerufenem schon vor dem Gespräch auf einer Anzeige sichtbar sind, muß gewährleistet sein, diese Informationen zu unterdrücken. Anrufe von nicht identifizierbaren Anschlüssen können abgelehnt werden. Teilnehmer- verzeichnisse müssen öffentlich verfügbar sein. Kunden bestimmen, welche Informationen sie eintragen lassen.

    Die Postminister einigten sich zudem auf einen gemeinsamen Standpunkt, daß bei der Liberalisierung der Telekommunikationsdienste neuen Anbietern von Netzen technische Auflagen gemacht werden können. Vom 1. Januar 1998 an sollen in der EU staatliche und private Anbieter von Telekommunikationsnetzen miteinander konkurrieren. Den Kunden muß ein technischer Mindeststandard beim Telefonieren und Übertragen von Daten gewährt werden. Je nach technologischer Entwicklung können Zusatzleistungen verordnet werden.




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      Zum Teil 6

    © 1996-2009 1 – Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 31.12.2009 05.35 Uhr