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Hier werden einige ausgewählte und besonders interessante
Zeitungsartikel und andere Texte zur Telekommunikation im Original
dokumentiert und manche auch kommentiert [Ed: ...]. Tipp- und
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der Telekom und anderer Telcos sind gesondert dokumentiert auf der Seite
"Neue Telekom/Telco- Ungereimtheiten".
Hier sind dokumentiert:
Netz für die Fahndung
Telekommunikationsgesetz soll das Abhören online ermöglichen
Von THOMAS DE PADOVA
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 5. Juli 1996, Seite 22 (Interaktiv).Nach erfolgreichen Verhandlungen im Vermittlungsausschuß soll heute [Ed: 5. Juli 1996] im Bundesrat über das Telekommunikationsgesetz (TKG) abgestimmt werden. Mit dem Gesetz soll das Monopol der Telekom fallen: zunächst für den Betrieb von Netzen, ab 1998 auch für das Angebot von Telefondiensten. (...)
Im TKG werden darüber hinaus wichtige Regeln festgelegt, die einen einheitlichen Datenschutz im Telekommunikationssektor gewährleisten. Das Fernmeldegeheimnis soll auch in den neuen Medien gewahrt bleiben, der Kunde vor einer unberechtigten Weitergabe seiner Daten geschützt werden. Die Regelungen sehen allerdings ebenso vor, daß Polizei und Sicherheitsbehörden jederzeit und unbemerkt auf Kundendateien von Telekommunikationsanbietern und Online-Diensten zugreifen können. Die Anbieter werden dazu verpflichtet, entsprechende elektronische Kundenverzeichnisse zu führen, die in einem automatisierten Verfahren abgerufen werden können. Die technischen Vorraussetzungen für Fahndungsämter und Strafverfolgungsbehörden müssen die Telekommunikationsdienste, Provider und Mailboxen selbst schaffen und bezahlen.
Auch online soll es den Sicherheitsbehörden möglich sein, den Datenverkehr zu überwachen und abzuhören. Wie das im einzelnen technisch funktionieren soll, weiß noch niemand genau. Mit zunehmender Zahl von Netzanbietern muß dazu jedoch eine weitverzweigte Struktur aufgebaut werden, die eine hohe Informationssicherheit gegenüber Hackern und Dritten besitzt. Wollen die Sicherheitsbehörden sämtliche verschlüsselte Texte oder Bilder lesen können, so müssen zudem Filter installiert werden, die das Netz nach Verschlüsselungs- Software absuchen.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka äußert, was den Aufbau eines solchen Netzes betrifft, Bedenken. Denn damit, so Garstka, werde eine "riskante technische Informationsstruktur geschaffen, die, wenn der Gesetzgeber seine Meinung ändert, zur kompletten Überwachung führen kann". "Man sollte kein Auto bauen, daß 300 Stundenkilometer fahren kann, wenn man tatsächlich nur hundert fahren möchte." Die Möglichkeiten, die Telekommunikation zur Strafverfolgung zu nutzen, seien ohnehin begrenzt und mit fortschreitender technischer Entwicklung in den nächsten Jahren kaum mehr gegeben. "Man kann nicht verhindern, daß zwei Ganoven eigene Verschlüsselungsprogramme kaufen." Und die sind inzwischen technisch schon so weit entwickelt, daß nicht nur die Daten sicher verschlüsselt werden können. Darüber hinaus kann auch der Akt der Verschlüsselung selbst in entsprechenden Daten [Ed: z. B. in Bildern] verpackt unkenntlich und unauffindbar gemacht werden.
In Deutschland kann zur Zeit zwar jedermann seine Daten mit beliebiger Software verschlüsseln. Allerdings müssen die Softwarehersteller den Ermittlungsbehörden einen Schlüssel zur Verfügung stellen. Auf Dauer gewährleistet dieses Verfahren den nationalen Sicherheitsbehörden in einem Kommunikationsnetz, das weltweit angelegt ist, jedoch kaum ausreichende Abhörmöglichkeiten. In vielen Ländern allen voran in den USA ist die "Krypto-Debatte" bereits weit fortgeschritten. Ob Verschlüsselungsmethoden in Deutschland in Zukunft jedem Telekommunikationsteilnehmer schon bei seiner Anmeldung von den jeweiligen Diensten angeboten werden, darüber wird derzeit diskutiert.
6.7.1996 (hfm). Im Internet regt sich Widerstand gegen den Reformentwurf des Telekommunikationsgesetzes, demzufolge es Strafverfolgungs- und Verfassungsschutzbehörden möglich werden soll, jederzeit unbemerkt auf Kundendateien zugreifen zu können. Der Protest gegen das Gesetz wird mit einer Wanze zum Ausdruck gebracht [Ed: eine solche TKG-Wanze ist abgebildet]. Das winzige Insekt ist auf verschiedenen Webseiten zu finden. Neben der "Wanzen-Aktion" gibt es unter http://www.inm.de/people/nico/tkg.html zahlreiche Informationen, Kommentare und Interviews, die die Facetten und Auswirkungen des Telekommunikations- und des Multimediagesetzes von verschiedenen Seiten beleuchten.
Börse hofft auf Telekom
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 6. Juli 1996, Seite 16 (Wirtschaft).FRANKFURT/MAIN (ro). Der Börsengang der Telekom ist nach Ansicht von Deutsche-Bank-Vorstandsmitglied Rolf Breuer "die letzte Chance", die Aktie in Deutschland einem breiten Anlegerkreis schmackhaft zu machen. Er sei aber zuversichtlich, daß dies gelinge, wobei der Preis der Aktie fast allein ausschlaggebend sei. Immerhin haben sich bei der Telekom nach Angaben von Finanzvorstand Joachim Kröske bislang 1,25 Millionen Interessenten gemeldet, von denen die Hälfte noch nichts mit Aktien zu tun habe. Der Handel mit der Telekom-Aktie solle zum 18. November beginnen. Bereits im August wolle die Telekom Vorzugsanreize für Privatanleger publik machen.
Breuer, der auch Aufsichtsratschef der Deutschen Börse AG ist, sagte beim 5. Deutschen Börsentag "Privatisierung und Going Public" am Freitag in Frankfurt, daß "wir es mit einem hoffnungslosen Fall zu tun hätten", wenn die Popularisierung der Börse mit Hilfe der Telekom-Aktie nicht endlich gelänge. (...)
6.7.1996 (t-off). In seinem SPIEGEL-Leserbrief "Schamlos bedient" hatte Klaus-Dieter Busche bereits im April alles das gesagt, was man zum Kauf von T-Aktien unbedingt wissen muß. Und wird das nun beherzigt, dann kann eine "Popularisierung der Börse" in Deutschland eigentlich kaum stattfinden. Eher könnte das Gegenteil eintreten: Frust über die Börsianer. Die bescheidene Aufklärungsarbeit kritischer Aktionäre wird deshalb wertvoll und wichtig sein, sonst könnten schon 1997 "breite Anlegerkreise" mit dieser "Volksaktie" im Depot das unbarmherzige Gesicht der Börse kennenlernen. Und wie sagte doch Hans Peter Schreib von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz: "Wer sich schon jetzt entschließt, die T-Aktie zu erwerben, der kauft die Katze im Sack!"
Die letzte Meile
Aus: Berliner Zeitung, 6. Juli 1996, Seite xx (Politik).Keine Macht ist stärker als die Macht am Markt. Jedes Land kann Feinde im Innern und Äußern besiegen, solange die sich mit Feuer und Schwert bekämpfen lassen. Wo aber rohe Gewalt versagt und nur geschickte Juristerei weiterhilft, versagen selbst die größten Staaten. So ist mehr als zweifelhaft, ob das jetzt vom Bundesrat verabschiedete Telekomgesetz der Telekom beikommen kann. Was wie ein Schlag gegen den Riesen aussieht, ist in Wahrheit kaum mehr als ein freundschaftlicher Stups in die Rippen. Wenn der Markt in Deutschland wirklich frei wäre, sähe das Telefonieren ganz anders aus. Etwa so wie heute beim Mobilfunk. Dutzende von Anbietern würden einander mit Sonder-Rabatten und Super-Sonder- Rabatten unterbieten, Telefone blitzartig anschließen, Fehler sofort beheben und ihrer Kundschaft jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Wer heute ein Mobiltelefon besitzt, zahlt kaum mehr Grundgebühr als für sein festes Telefon bei der Telekom. Doch ruft der Handy- Besitzer seine Mobilfunk-Zentrale an, bucht die bereitwillig Hotels für ihn, hilft aus dem Stau heraus und erklärt freundlich die letzte Rechnung. Der Telekom-Festnetz- Kunde kann davon nur träumen. Derweil hört er das Besetztzeichen seiner Zentrale und wird wenn überhaupt barsch und quälend langsam abgefertigt. Nun hoffen die Politiker, ihr neues Telekomgesetz würde dem Schrecken ein Ende bereiten. Das Hoffen wird sehr bald dem Staunen weichen. Da die Bonner der Telekom den Boden nicht allzu gründlich unter den Füßen wegreißen wollten, haben sie die entscheidende Flurbereinigung unterlassen: Die gesamten Ortsnetze werden bei der Telekom bleiben. Man mag kaum glauben, welch verheerenden Effekt dieses Detail auf den künftigen Telekommunikationsmarkt in Deutschland haben wird.
Experten sprechen von der "letzten Meile", die zur wirklichen Freiheit fehlt. Zwar darf nach dem neuen Gesetz bald jedermann Gespräche anbieten. Er darf auch Kabel quer durchs Land ziehen und Verbindungen über Satelliten aufbauen. Diese Leitungen übertragen Tausende und Abertausende von Telefonaten in Bündeln. Aber für die Verteilung der Anrufe in den Städten ist jeder Telekom- Konkurrent auch künftig auf das Ortsnetz der Telekom, eben auf die "letzte Meile" angewiesen. Damit fließt der Kommunikationsstrom mindestens an zwei Stellen durch die Kanäle der Telekom beim Anrufer und beim Angerufenen. Die Tarife der Konkurrenten mögen noch so spitz gerechnet sein, durch ihre Preispolitik für die "letzte Meile" hat die Telekom ihre Wettbewerber immer im Griff. In den Vereinigten Staaten entfachte das "last mile"- Problem immer wieder politischen Streit. Erst als die beherrschende US-Telefongesellschaft AT&T Mitte der achtziger Jahre gezwungen wurde, sich von ihren Ortsnetzen zu trennen, sanken die Tarife und ein Dienstleistungsboom brach aus. Mit einem neuen Telekommunikations- Gesetz werden die Amerikaner in diesem Jahr noch stärker vor der "Marktmacht dominanter Netzbetreiber" geschützt.
So entschlossen haben die Deutschen nicht gehandelt. Vom Rausch vermeintlicher Modernität davongerissen, sieht der Gesetzgeber über die Tatsache hinweg, daß er in Wahrheit nicht ein wegweisendes, sondern ein sehr rückständiges Kommunikationsgesetz verabschiedet hat.
Erste Konkurrenz für die Deutsche Telekom
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 7. Juli 1996, Seite 26 (Interaktiv).MÜNCHEN. Die Telekom hat das Leitungsmonopol in Bayern und Thüringen verloren [Ed: in ganz Deutschland]. Die Bayernwerk Netkom GmbH (München) nahm am Freitag als erstes privates Unternehmen ein zur Zeit 4000 Kilometer langes Glasfaser-Leitungsnetz in Betrieb, über das pro Sekunde 30.000 Telefongespräche übermittelt werden können. "Damit fällt zeitgleich mit der Verabschiedung des Telekommunikationsgesetzes das bisherige Netzmonopol der Telekom", sagte der Leiter der Staatskanzlei, Minister Kurt Faltlhauser (CSU), in München. Zwar behält die Telekom noch bis Ende 1997 das Telefonmonopol. Doch Privatfirmen dürfen schon jetzt Sprechvermittlung anbieten, wenn die Telefonate innerhalb einer geschlossenen Benutzergrupee etwa einer Firma geführt werden.
Telefonieren für einen Groschen
Aus: B.Z. am Sonntag, Berlin, 7. Juli 1996, Seite 1 und 4.BERLIN Ab August gibts in Berlin [etwas] Konkurrenz für die Telekom. Ein Groschen reicht. Spätestens in vier Wochen sollen in Berlin die ersten Telefon- Apparate stehen, bei denen ein kurzes Ortsgespräch nur noch zehn Pfennig kostet. Fast wie im Märchen. Nur das die gute Fee ein Mann ist. Heinrich Brüll aus Köln. Der Geschäftsführer von "Tele-Net" verspricht: "Ich stelle meine signalgrünen Telefonzellen überall in der City auf. Die erste Einheit für 'nen Groschen, jede weitere zum Telekom- Tarif." (...) In Berlin könnten nach Schätzungen der "Tele-Net" bald über 500 Geräte stehen. In München sollen noch bis Jahresfrist 200, in Hamburg 50 installiert sein. Und was sagt die Telekom über die Preis-Offensive? Sprecher Jürgen Will ganz zurückhaltend: "Konkurrenz bei öffentlichen Münz-Fernsprechern ist rechtlich möglich. Wenn die Tele-Net neben dem Billig-Tarif dann auch noch Mieten zahlt, kann ich sie nur beglückwünschen."
8.9.1997 (t-off). Der Berliner "Tagesspiegel" berichtet heute unter der Überschrift "Der Traum vom billigen Telefonieren ist geplatzt", daß öffentliche Apparate für Spartarife nicht in Sicht seien. Das Kölner Unternehmen "Tele-Net" existiert nicht mehr. Die vor einem Jahr angekündigten billigen Telefonate gibt es weder in Berlin noch in Hamburg oder München. Unter der "Tele-Net"-Nummer in Köln meldet sich heute nur eine genervte Frau, die den Anschluß übernommen hat. Von dem Unternehmen weiß sie nichts.
Hier zeltet die Telekom
Aus: TAZ, Berlin, 15. Juli 1996, Seite 20 (Die Wahrheit) mit 1 Foto.Auch Zelten in Brandenburg ist nicht ganz ungefährlich: Auf dortigen Campingplätzen werden jetzt immer häufiger anschlußsuchende Telekomgegner gesichtet. Ihre Nummer geht ungefähr so: Sie holen sich von den Kabel- Baustellen die hübschen naturfarbenen Zelte und ziehen dann von Campingplatz zu Campingplatz. Dort verteilen sie die ebenso begehrten wie praktischen Berechnungstabellen ("T-Timer") der Telekom sowie Kugelschreiber der Post AG und versuchen penetrant, Telekom-Aktionäre zu werben. Erst wenn die anderen Camper so richtig zornig und ausfallend werden, outen sie sich. Dann steigen im Telekom-Zelt ganz tolle Kennlern-Feten. Rund um Potsdam und Berlin sollen bereits sechs Partyzelte unterwegs sein.
Gericht: Telekom hat die Beweispflicht
Kundenfreundliche Urteile zu Telefonrechnungen
Aus: Berliner Zeitung, 22. Juli 1996, Seite ?? (Ratgeber).Zahlung verweigert: Die Forderungen der Telekom summierten sich auf über 3 600 Mark, doch der Kunde weigerte sich, diesen Betrag zu zahlen. Daraufhin kündigte die Telekom den Anschluß im Oktober 1992 fristlos, sperrte ihn und klagte vor dem Amtsgericht Essen.
Jahrzehntelang galt die Überzeugung, daß bei fehlerfreier Vermittlungs- und Zähltechnik im Telefonverkehr auch die Rechnungen korrekt sind. Doch dann kam es zu Lasten Hunderttausender von Teilnehmern zu so vielen Ungereimtheiten und Pannen bis hin zu Betrügereien, daß von einem stets regulär arbeitenden System nicht mehr die Rede sein konnte. Im Interesse des Kunden hat jetzt das Landgericht Essen in einem Urteil (AZ: 13 S 501/95) entschieden. Es bestätigte damit das vorangegangene Urteil des Amtsgerichts Essen. Bei dem Verfahren ging es um einen Kunden, der zehn Monate lang einwandfreie Telefonrechnungen über durchschnittlich rund 60 Mark bekommen und bezahlt hatte. Plötzlich wechselten sich in unregelmäßiger Reihenfolge stark überhöhte mit normalen Rechnungen ab. Die schlimmste betrug fast 1 500 Mark. Der Kunde reklamierte und verwies darauf, daß der Verteilerkasten im Keller des Mehrfamilienhauses frei zugänglich war eine weit verbreitete Schwachstelle des Telefonnetzes, die die Telekom jedoch regelmäßig zu verharmlosen sucht.
In erster Instanz wies das Amtsgericht Essen die Klage der Telekom als unbegründet zurück (AZ: 133 C 486/94). In seiner Begründung lehnte das Gericht den pauschalen Anscheinsbeweis, den die Telekom nach alter Gewohnheit angeboten hatte, als untauglich ab: Die Telefonrechnung mit recht geringen und gleichbleibenden Monatsbeträgen stieg plötzlich auf über 700 Mark und einmal sogar auf 1 500 Mark an. Als eine von mehreren Ursachen sei nicht auszuschließen, "daß von Dritten außerhalb des Einflußbereichs des Kunden Manipulationen am Netz oder den Erfassungseinrichtungen vorgenommen worden sind". Die Telekom habe die technische Möglichkeit und die Pflicht, nach Beanstandung einer Telefonrechnung "die einzelnen Gespräche aufzuzeichnen und die Aufzeichnungen bis zur Bezahlung aufzubewahren".
Mobilfunk-Pannen: Selbst bei Mobilfunk-Netzen passieren Rechnungspannen. Das Landgericht Berlin (Az.: 5 O 68/95) wies die Zahlungsklage eines Dienstanbieters wegen unbewiesener Rechnungshöhe zurück.
In dem strittigen Fall war einem Kunden nach nur vier Tagen für zwei Funktelefone eine Rechnung von rund 18 000 Mark präsentiert worden. Das Service-Unternehmen wunderte sich nicht lange über den hohen Betrag und den Protest des Kunden, sondern nahm für die Richtigkeit der Rechnung eben jenen "Beweis des ersten Anscheins" in Anspruch. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Mobilfunk-Tarife deutlich über denen des Festnetzes liegen und daß Auslandsgespräche mit dem Handy besonders teuer sind, hielten die Richter die Forderung des Anbieters für nicht gerechtfertigt. Wegen des fehlenden Anscheinsbeweises lag die Beweislast nun beim Service Provider. Da er die Verbindungsdaten gelöscht hatte, obwohl in Fällen der Aufklärung von Störungen oder des Mißbrauchs eine weitere Speicherung zulässig ist, konnte er nicht beweisen, daß der Kunde tatsächlich so viel telefoniert hatte.
Telekom zahlt für Waigel
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 26. Juli 1996, Seite 20 (Im Blickpunkt).BONN. Die Abgabenlast der Deutschen Telekom AG wird 1996, im Jahr ihres Börsengangs, um etwa 5 auf 8 Mrd. DM steigen. Diese Zahl nannte ein Telekom-Sprecher am Donnerstag auf Anfrage. 1995 hatte die Telekom noch 3,1 Mrd. DM an den Bund abgeführt und 700 Mill. DM Steuern gezahlt. Wie jedes private Unternehmen wird die Telekom von 1996 an aber auch zur Mehrwert-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer herangezogen. In den kommenden Jahren rechne man daher sogar mit einer Steuerlast von rund 10 Mrd. DM.
Deutsche Telekom Der Drahtseilakt
Vier Monate vor dem Börsengang korrigiert der Vorstand seine Ergebnisprognose massiv. Ron Sommer zieht die Notbremse.
Von TASSO ENZWEILER
Aus: CAPITAL 8/1996, 26. Juli 1996, Seite 1921 mit 2 Fotos.Schonungslos analysierte Gerd Tenzer, Technik-Vorstand der Deutschen Telekom, die Lage. Geschockt von einem Controllingpapier, das 1996 einen Gewinneinbruch im Telefongeschäft von über einer Milliarde voraussagt, stellt er den im Herbst geplanten Börsengang in Frage: "Wir sollten die Aktion um ein halbes Jahr verschieben." Telekom-Chef Ron Sommer und Finanz-Vorstand Joachim Kröske widersprechen erregt. Natürlich müsse die T-Aktie im November an die Börse, die Kampagne laufe auf Hochtouren. Sommer: "Wir haben nur eine Chance."
Die hitzige Debatte in der Vorstandssitzung der Telekom am 31. Mai wirft ein Schlaglicht auf die aktuelle Lage des Telefonriesen: Nach dem Rekordergebnis im vergangenen Jahr, als Sommer neun Milliarden Mark Gewinn vor Steuern meldete, schaffte der Konzern von Januar bis Juni 1996 gerade mal eine Milliarde Mark Profit vor Steuern ein Desaster: "Im Traum habe ich damit nicht gerechnet", klagte Sommer vor Vertrauten [Ed: im Internet (UseNet) hätte er das schon 1995 erfahren können]. Der herbe Rückschlag, der nichts damit zu tun hat, daß der Fiskus den Giganten steuerlich jetzt erstmals voll in die Pflicht nimmt, traf den 47jährigen Topmanager massiv. Doch der Mann an der Telekom- Spitze handelte schnell. Er schmiß das Budget um und nutzte die Gelegenheit, die Bilanz von Altlasten zu befreien.
Vom ursprünglich geplanten Gewinn vor Steuern von 7,6 Milliarden Mark bleiben so nur vier Milliarden Mark übrig. Das geht aus Sommers streng vertraulicher Hochrechnung hervor, die Capital vorliegt. Bei einem erwarteten Umsatz von rund 62 Milliarden Mark kommt der Telefongigant in diesem Jahr nur noch auf eine Umsatzrendite von 6,5 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es mit 13,6 Prozent noch mehr als doppelt so viel. Die Talfahrt des Gewinns hat drei Gründe:
Ihm bleiben 16 Wochen, um die Scharte auszuwetzen. Der Zeitplan für die Börseneinführung steht: Spätestens am 18. November wird die Telekom in Frankfurt notiert sein. Das Schicksal der T-Aktie wird sich aber womöglich schon im September entscheiden. Dann präsentiert Ron Sommer Analysten und Fondsmanagern aus aller Welt sein Unternehmen im Detail eine Art Striptease. Auch die Öffentlichkeit will er im September über die Geschäfte informieren [Ed: Und er wäre sehr gut beraten, dann auch gleich die niedrigen Ortstarife zu präsentieren]. Der Marketingprofi steckt in der Zwickmühle: Er muß für die T-Aktie werben und den Konzern in ein gutes Licht rücken, darf negative Fakten aber nicht verschleiern ein Drahtseilakt.
- Nach der Tarifreform, die seit Anfang des Jahres gilt, telefonieren die Bundesbürger inzwischen weniger und kürzer. "Die Telekom hat ganz einfach unterschätzt, wie empfindlich die Verbraucher auf höhere Preise für Ortsgespräche reagieren", meint der Unternehmensberater Bernd Jäger, Chef der Bonner Telecom Consulting.
- Finanzchef Kröske stellt in der Halbjahresbilanz 1,7 Milliarden Mark zurück, um ausscheidende Mitarbeiter abzufinden. Die finanziellen Konsequenzen des Stellenabbaus bis zum Jahr 2000 fast 40 000 Arbeitsplätze verschwinden hat der Konzern damit bereits heute verkraftet.
- Bei der strategischen Allianz Global One fallen hohe Anlaufsverluste an. Sie verringern den Gewinn im laufenden Jahr außerplanmäßig um knapp eine Milliarde Mark. (...) Doch die[se] Kooperation hat einen Haken: Weil in den Global-One- Verträgen nicht genau festgelegt ist, wie sich die Finanzlasten auf die Partner verteilen, wurde die Telekom von der Höhe der Kosten böse überrrascht. "Unklare Vertragsverhältnisse", schimpft Sommer [Ed: ach, sind das nicht Profis, die solche wichtigen Verträge aushandeln?].
Mannesmann verklagt Postministerium
Aus: ARD/ZDF-Videotext, 31. Juli 1996, 23.57 Uhr, Tafel 135, Rubrik Nachrichten.DÜSSELDORF. Die Mannesmann Mobilfunk GmbH hat jetzt das Bundespostministerium auf Zahlung einer zweistelligen Millionensumme verklagt. Zur Begründung hieß es, Mannesmann habe das D2-Netz Anfang 1995 auf Weisung des Ministeriums so umrüsten müssen, daß Polizei und Geheimdienste Telefongespräche abhören könnten. Die investierte Summe wolle man zurück. Die Konkurrenten E-Plus und T-Mobil teilen den Mannesmannstandpunkt.
Telekom will von einer Zensur nichts wissen
Online-Angebote bleiben ungefiltert
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 12. August 1996, Seite 22 (Interaktiv).BONN. Die Telekom beabsichtigt keine Filterung unliebsamer Inhalte aus ihrem Internet-Angebot. Der für den Online- Bereich zuständige Sprecher versicherte, das Unternehmen habe "keinerlei Interesse, in Richtung inhaltlicher Kontrolle im Internet aktiv zu werden". Er nahm damit zu einem Artikel der Zeitschrift "Wired" Stellung. Das amerikanische Magazin hatte geschrieben, die Telekom habe sich ebenso wie die Rundfunkbehörde von Singapur bei der Firma SurfWatch Software nach einer Version von deren Zugangskontrollsystemen erkundigt, die in den nationalen Telefonnetzen verwendet werden könnte. SurfWatch vertreibt für den Heimgebrauch ein Programm, mit dem Eltern ihre Kinder von bestimmten Seiten im World Wide Web (WWW), beispielsweise mit pornographischen Inhalten oder rechtsradikalen Pamphleten, fernhalten können.
"Wired" zitiert SurfWatch-Mitgründer Jay Friedland, das Unternehmen zögere, seine Filtersoftware an Deutschland und Singapur zu verkaufen. Das Unternehmen sei absolut Verfechter des verfassungsmäßigen Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit. "Aber manchmal fühlen wir uns wie ein Waffenhändler: Man ist nie sicher, ob der Kunde die Waffe kauft, um sein Heim zu verteidigen, oder um den Schnapsladen an der Ecke auszurauben."
Telekom-Sprecher Homeyer sagte, er könne zwar Kontakte zu SurfWatch nicht ausschließen. Es gebe aber keine Zensur- Pläne. "Die Verantworlichen haben heftig den Kopf geschüttelt", sagte der Sprecher. Die Telekom stelle Infrastrukturen bereit, die von den Kunden genutzt würden. Genauso wenig, wie sie jedes Telefongespräch abhören könne oder wolle, sei es ihre Aufgabe, Inhalte der Datenübertragung zu kontrollieren. "Das können und wollen wir nicht." [Ed: Aber beim Start des Homepage-Services von T-Online am 1. September 1996 sah es dann doch anders aus].
TV via Internet
Technische Entwicklung überholt deutsche Regulierungsbemühungen
Aus: t-off Nr. 110, 26. August 1996.
SAN FRANCISCO 25.8.1996 (cyf/t-off). In Deutschland gelten künftig die Multimedia-Dienste wie das interaktive Fernsehen (Satelliten- oder Kabel- TV mit Rückkanal via Telefon), Pay-TV, Video-on-demand und Teleshopping rechtlich als Rundfunk. Und daher müssen diese Angebote von den deutschen Bundesländern per Staatsvertrag reguliert werden. Die Online-Kommunikation hingegen auch via Internet wird nun Bundesangelegenheit. Sie wird durch das Informations- und Kommunikationsdienste- Gesetz (IuKDG) geregelt, das jetzt in Bonn vorbereitet wird (Begründung zum IuKDG).
Diesen Artikel
gibt es auch inDiese Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern geht aber von der irrigen Fiktion aus, daß es immer eine (technische) Trennung zwischen Fernsehen und Online-Diensten geben wird. Das wird sich bereits 1997/98 nachhaltig ändern, wenn auch im Internet Fernsehen im größeren Stil verbreitet werden wird. Schon heute sind aktuelle Videoclips im Internet erhältlich beispielsweise von CNN, die auf Multimedia-tauglichen Computern betrachtet werden können (QuickTime- Technik von Apple). Bereits im Spätherbst sollen noch besser geeignete "Empfangsgeräte", die ersten Network Computer (NC) lieferbar sein. Diese NCs verbinden das Internet mit dem heimischen Fernseher und sollen unter 1000 Mark kosten. Diese wegweisende Technik aus dem innovativen Kalifornien wird von renommierten Firmen wie IBM, Sun, Apple, Netscape, Oracle und viele andere entwickelt. Die British Telecom gehört beispielsweise zu den Unterstützern des NCs, nicht aber die Deutsche Telekom, die ja noch immer an ihren KIT- "Standard" glaubt.
Nicht nur die großen amerikanische TV- Nachrichtenanbieter wie CNN und auch das neue MSNBC sind gerüstet, Teile ihres Fernseh- Programmangebots auch per Internet zu verbreiten. Der Bedarf dafür ist da, denn beispielsweise ermöglicht diese Technik interaktiv zusammengestellte individuelle TV- Nachrichten weltweit. Zwar gibt es mancherorts durchaus noch Bandbreitenprobleme im Internet, die aber durch den Einsatz von Hochleistungs- Verbindungen und noch bessere Komprimiertechniken (höhere MPEG- Normen) sowie beispielsweise der leistungsfähigeren ADSL- Modemtechnik (etwa 6 MBits/s) leicht zu überwinden sind. Die Technik dafür ist also vorhanden.
Die deutschen Regulierer haben nun ein Problem: Ist auch das Welt-TV auf dem Internet Rundfunk und damit Sache der vielen Bundesländer? Da könnte es sich dann doch noch als günstig erweisen, daß in Deutschland das Internet wegen der exorbitant hohen Ortstarife der Telekom (am Tage 4,80 DM pro Stunde, hinzu kommen noch die Provider- Kosten) noch nicht so stark genutzt wird. Was zwar der Wirtschaft abträglich ist, könnte nun nützen, um deutschen Politikern wenigstens noch etwas Zeit zum Informieren und Nachdenken zu spendieren. Letztendlich wird sich aber Deutschland nicht von der weltweiten Online- Entwicklung abkoppeln können. Und digitales Fernsehen via Internet wird 1998 auch nicht an den Landesgrenzen haltmachen.
Aber es dauerte dann noch 10 Jahre
31.8.1996 (khd). Bahnbrechendes mochten bzw. konnten die vielen Firmen in Hannover auf dem Vergnügungspark CeBIT Home nicht zeigen. Das wird sich aber zur IFA 1997, der Internationalen Funkaustellung in Berlin, ändern. Dort und vermutlich schon vorher auf der amerikanischen COMDEX wird dann bereits echtes TV via Internet zu sehen sein. Das haben jetzt vor allem japanische Unternehmen, darunter Mitsubishi und Sony, angekündigt. Es sei denn, die deutschen Gesetzgeber durchkreuzen noch solche wegweisenden "Rundfunk"-Pläne.23.4.2005 (khd). Im Jahr 2005 ist es dann so weit: Das Fernsehen via Internet wird dank der Breitband- Technik ADSL2+ Wirklichkeit. Alle TV-Kabelnetzbetreiber haben es verpennt. Und natürlich gibt es nun hierzulande Ärger. [mehr]
Bötsch ordnet 6 % Tarifsenkung an
Aus: ARD/ZDF-Videotext, 31. August 1996, 15.03 Uhr, Tafel 140, Rubrik Wirtschaft.BONN. Bundespostminister Bötsch hat der Deutschen Telekom nach Angaben des Magazins "Focus" (36/1996, Seite 14) eine Preissenkung von 6 % ab 1.1.1998 verordnet. Zwei Jahre später sollen die Tarife noch einmal um 6 % sinken, hieß es. Ein Telekom- Sprecher bestätigte die Existenz eines Schreibens von Bötsch, in dem es um Gebühren geht. Zum genauen Inhalt wollte er sich nicht äußern. [mehr]
Postministerium dementiert 6 %ige Tarifsenkung
Aus: ARD/ZDF-Videotext, 31. August 1996, 19.38 Uhr, Tafel 140, Rubrik Wirtschaft.BONN. Die Deutsche Telekom AG wird ihre Telefontarife 1998 wie lange geplant um rund 4,5 % senken. Die entsprechende Vereinbarung von 1994 bestehe unverändert weiter, sagte ein Sprecher des Postministeriums. Er wies damit einen Bericht des Magazins "Focus" (36/1996, Seite 14) zurück, Postminister Bötsch (CSU) habe der Telekom eine Preissenkung von 6 % verordnet. [Ed: Es stellt sich nun die Frage: Hat Bötsch in seinem Brief an die Telekom etwa eine wesentlich höhere und dringend notwendige Senkung der Telefontarife angefordert?]. [mehr]
Postministerium: Telekom-Tarifsenkung wie geplant
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 1. September 1996, Seite 2 (Politik).BONN. Die Deutsche Telekom AG wird ihre Telefontarife 1998 wie lange geplant um rund 4,5 Prozent senken. Die entsprechende Vereinbarung von 1994 bestehe unverändert weiter, sagte ein Sprecher des Postministeriums in Bonn. Er wies damit einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" (36/1996, Seite 14) zurück, Postminister Bötsch (CSU) habe der Telekom eine Preissenkung um sechs Prozent verordnet. Die Telekom hatte bereits im Februar 1994 mit dem Ministerium ein mehrstufiges Verfahren zur Umstellung und Senkung der Telefontarife vereinbart [Ed: Und wie irrational es damals dabei zuging, ist in einer Anmerkung zur Einführung der brisanten VTM-Studie vom Mai 1996 dokumentiert]. Den Anfang machte die umstrittene Tarifreform zum Jahreswechsel 1995/96 mit höheren Gebühren für Ortsgespräche und einer Preissenkung für Ferngespräche. Als zweite Stufe senkte die Telekom ihr Tarifniveau zum 1. Juni 1996 um knapp fünf Prozent [Ed: nur bei den Ferntarifen, keine Senkung bei den Ortstarifen].
Bötsch nicht mehr zuständig?
Auszug aus: Der Stimmungsmacher für die Telekom-Branche
Von IRIS ROHWEDDER
Aus: Welt am Sonntag, 1. September 1996, Seite 43 (Wirtschaft) mit 1 Foto.BRASILIA. Wolfgang Bötsch (CSU), Bundesminister für Post und Telekommunikation, leidet unter Flugangst. Bei Turbulenzen fühlt er sich sichtlich unbehaglich. Trotzdem fliegt er oft und weit. In diesem Jahr war er Reisen innerhalb Europas nicht mitgezählt bereits in Japan, China und Indonesien, in Südafrika und den USA. Am Dienstag kehrte er von einer einwöchigen Rundreise durch Brasilien zurück, auf der ihn 15 Topmanager deutscher Telekommunikations- Unternehmen begleiteten. (...)
Im Verständnis des deutschen Durchschnittsbürgers hat der Postminister nicht durch die Welt zu reisen, sondern zu Hause dafür zu sorgen, daß Post- und Telefonservice zuverlässig und preiswert angeboten werden. Da liegt noch manches im Argen. Postkunden klagen über lange Brieflaufzeiten, geschlossene Schalter oder hohe Gebühren, Telefonbenutzer über Tarifchaos, Pannen bei neuen Anschlüssen oder eindeutig falsche Rechnungen, auf deren Bezahlung die Telekom stur besteht. Die Beschwerden kennt Bötsch zur Genüge: "Solche Briefe landen bei mir fast täglich auf dem Tisch." Doch für die Niederungen des Tagesgeschäfts ist er nicht mehr zuständig. Nach der Privatisierung sei er nicht mehr "der oberste Manager für Post und Telekommmunikation", sondern habe "nur noch die Funktion des Eigentümers nach dem Aktiengesetz, der in den Betriebsablauf selbst überhaupt nicht eingreifen kann."
Seine zweite Funktion, die des Regulieres, komme dagegen direkt dem Verbraucher zugute: Indem er Wettbewerb schaffe, sorge er dafür, daß "der Bürger mit möglichst preiswerten und zuverlässigen Telekommunikations- und Postleistungen versorgt wird". Auch seine vielen Auslandsreisen würden letztendlich den deutschen Verbrauchern nutzen, weil sie der deutschen Kommunikationsbranche und damit der Wirtschaft dienten. (...)
In absehbarer Zeit wird die Telekomunikationsbranche jedoch keinen exklusiven Fürsprecher mehr haben: Bötsch will sein Amt und damit seine Funktion bis Ende 1997 überflüssig machen. Seine Aufgaben soll dann Wirtschaftsminister Günter Rexrodt mitübernehmen (Bötsch: "formal ist darüber noch nicht entschieden"). Dann muß die Branche in Konkurrenz mit dem Auto, Chemie oder Maschinenbau im Ausland um Aufmerksamkeit buhlen. Schneider von Krone plädiert deshalb: "Die deutsche Politik wäre gut beraten, wenn sie auch in Zukunft einen Minister für Post und Telekommunikation hätte." Für Bötsch ist das kein Thema mehr. Bis Ende nächsten Jahres will er alle Hausaufgaben (parlamentarische Absegnung des Postgesetzes, Lizenzvergaben, Aufbau der Regulierungsbehörde) erledigt haben.
Während er der Gelben Post in Teilbereichen noch eine Schonfrist bis 2002 einräumen will, hält er die Telekom für den Wettbewerb "für gut gerüstet. Was den Kundenservice und auch Freundlichkeit anbelangt, hat sie allerdings Nachholbedarf. Aber ich glaube, da ist vieles schon besser geworden. Und sie hat auch vieles im Ausland, wo sie bereits im Wettbewerb steht, für den Wettbewerb dazugelernt." (...)
Geschenkte Gebühren
Aus: FOCUS 36/1996, 2. September 1996, Seite 14 (Periskop).Bundespostminister Wolfgang Bötsch (CSU) hat der Telekom AG weitere Tarifsenkungen verordnet. Zum 1. Januar 1998 soll das Preisniveau um sechs Prozent sinken zwei Jahre später noch einmal um denselben Prozentsatz. Die Telekom hat Bötschs Auflage akzeptiert. Fachleute halten beide Schritte nicht für ausreichend. Jährlich wachse die Produktivität der Telekom um mindestens vier Prozent. Der Spielraum für Preissenkungen sei genau so groß. Tatsächlich sänken die Tarife jährlich aber nur um drei Prozent. "Dadurch bekommt die Telekom jedes Jahr Milliarden an Gebühren geschenkt", kritsiert der Bonner Telekommunikationsexperte Bernd Jäger. "Damit soll der Börsenwert der Telekom künstlich nach oben gedrückt werden."
Code geknackt?
2 Millionen Handy-Besitzer zittern
Aus: B.Z., Berlin, 5. September 1996, Seite 3 (Politik) von DIRK AUGELE.BERLIN. Sie galten lange Zeit als besonders sicher, die Telefonkarten in den Handys. Vorbei? Offensichtlich können Hacker sie jetzt nachmachen, auf Rechnung anderer Kunden telefonieren. Und damit beginnt für zwei Millionen D1-Nutzer das Bangen um die Telefonrechnung.
Die geheimen Verschlüsselungs-Codes der Telekom-Tochter DeTeMobil seien durchgesickert, berichtet das Magazin "Wirtschaftswoche" in seiner neuen Ausgabe. "Diese sogenannten Algorithmen reichen einem Profi, um funktionierende Funk-Telefonkarten herzustellen", bestätigt Hendrik Fulda (25) vom Chaos Computer Club (CCC) gegenüber der B.Z.. Allerdings seien diese brisanten Informationen noch nicht einem großen Personenkreis zugänglich.
DeTeMobil-Sprecher Thomas Nietiedt (32) besteht jedoch darauf: "Das D1-Netz ist nach wie vor sicher. Wir haben auch keine Mitteilung zu überhöhten Rechnungen in der Vergangenheit bekommen." Er will den für die Telekom- Tochter kostenträchtigen Verdacht nicht bestätigen. Fulda vom CCC sagte dagegen: "Wenn die geheimen Formeln bekannt sind, müßten sämtliche D1-Karten ausgetauscht werden." Und das kann teuer werden.
Der Computer-Spezialist rät allen Kunden, unbedingt Einzelgesprächs- Nachweise anzufordern. Denn so kann man schnell reklamieren, wenn mysteriöse Gespräche auf der Rechnung auftauchen. Schon früher hatte der CCC die Mobilfunk-Anbieter gewarnt. Fulda gegenüber der B.Z.: "Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Codes bekannt werden. Denn die Sicherung besteht in der Geheimhaltung durch Menschen." Und da sickert früher oder später immer etwas durch.
Hacker knacken Code des D1-Netzes der Telekom
Aus: Der Tagesspiegel, Berlin, 5. September 1996, Seite 36 (Aus aller Welt).DÜSSELDORF. Computer-Hacker haben nach Informationen des Magazins "Wirtschaftswoche" den Code des D1-Netzes der Telekom geknackt und könnten damit auf Kosten der fast zwei Millionen Nutzer telefonieren. Wie die Zeitschrift am Mittwoch vorab berichtete, liegt eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des Computerspezialisten Kim Schmitz vor, der die Telekom bereits mehrfach in Verlegenheit gebracht habe. Demnach wurden "sämtliche Verschlüsselungs- Algorithmen des D1- Netzes von einem Mitarbeiter eines Kommunikationskonzerns verraten und in der Hackerszene verbreitet". Der Code sei nicht mehr sicher. Die Telekom widersprach und sagte, das Netz sei "nach wie vor sicher".
Der Hamburger Chaos Computer Club bestätigte laut "Wirtschaftswoche", daß Unberechtigte problemlos Mobiltelefonkarten fälschen könnten. Computerprofi Schmitz hatte bereits zuvor im Beisein von Telekom- Experten und Journalisten bewiesen, daß über die kostenlosen 0130-Nummern der Telekom unentgeltlich ins Ausland telefoniert werden könne. Kurze Zeit später hatte er laut "Wirtschaftswoche" auch die Behauptung der Telekom widerlegt, daß die teuren Übersee- Telefonsexnummern nicht mehr direkt angewählt werden können.
Der Teilnehmer Latente Bereitschaft zum Aufruhr
Aus: Berliner Zeitung, 5. September 1996, Seite xx (Nachrichten).Es war einer dieser Tage, an denen der Besitz eines Fernsprechapparates von großer Wichtigkeit ist. Der Teilnehmer griff zum Hörer, um durch ein undefinierbares Rauschen empfangen zu werden. Was war geschehen? Hatte ein Blitzeinschlag die Elektrik seines Stadtviertels außer Kraft gesetzt? Hatten sich die Baumaßnahmen im Berliner Regierungsviertel auf seine Leitungen ausgewirkt? Der Glaube in die Fähigkeiten der Telekom schloß zunächst jegliche Ursache innerhalb des Telefonnetzes aus.
Plötzlich klingelte der Apparat. Der Teilnehmer hechtete los, riß die gehäkelte Sofadecke ein Geschenk seiner Großtante vom Sofa und erreichte vor Erwartung bebend den Apparat. "Meier, Telekom! Juten Tach! Ick habe hier folgendet Problem: Hier sind lauter Drähte, von denen ick allerdings nich wes, wofür se jut sind. Jelbe, grüne und jepunktete! Ick sehe hier Drähte, die bestimmt zu Ihnen jehören. Die sind aber abjerissen und deshalb hamse keene Verbindung. Ick habe hier meen Montagetelefon anjeschlossen und brooche Ihre Hilfe. "Im Kopf des Teilnehmers ging es drunter und drüber. Sollte er nicht seinen ganzen Ärger herauslassen? Er hatte den Monteur in seiner Hand. Der ganze Rummel um die Monopolstellung der Telekom hatte im Lande eine latente Bereitschaft zum Aufruhr geweckt. Man mußte sich zum Anwalt dieser Mitbürger machen und diesen eigentlich unschuldigen Monteur alles büßen lassen. Der Teilnehmer wußte, wo man ansetzen muß. Die Frage nach den richtigen Drahtverbindungen, die eine bestmögliche Verbindung herstellen konnten, würde er falsch beantworten. Er würde seinen Gesprächspartner durch die dunklen Gänge der Verteilerzentrale jagen. Er würde ihn Drähte verbinden lassen und jegliche Qualitätsverbesserung seines Anschlusses verneinen. Der Monteur müßte schließlich aufgeben und das Scheitern seiner Bemühungen zugeben. Der Sieg des mündigen Bürgers über die allmächtige Telekom wäre vollkommen. "Ick habe die grünen und die blauen Drähte mit den jepunketen jekreuzt", schnarrte es aus der Leitung. "Alles Bestens", sagte da der Teilnehmer. "Die Verbindung ist hervorragend. Vielen Dank!" "War nich der Rede wert, tschüssi!" "Auf Wiederhören."
Hacker telefonierte für über 100.000 Mark
Aus: TAZ, Berlin, 11. September 1996, Seite 23 (Lokales).BERLIN (ADN). Einen Sachschaden in Höhe von rund 100 000 Mark hat ein Computer- Hacker angerichtet. Dem 26jährigen Studenten aus Berlin- Reinickendorf war es gelungen, sich über eine gebührenfreie 0130- Nummer in das Telefonsystem einer Firma einzuwählen und über die ausgehenden Leitungen mit sogenannten Party- Lines in Französisch- Guinea zu telefonieren. Wie die Polizei gestern mitteilte, wurde auf insgesamt vier Leitungen 14 Tage lang rund um die Uhr telefoniert. Der Hacker hatte den unbekannten Anbieter der "Party-Lines" mit Sitz in Amerika im Internet kennengelernt. Dieser zahlte dem Studenten mehrere tausend Mark dafür, daß dieser die "Party-Lines" anruft und so Gebühren erzeugt. Aufgeflogen ist das Ganze nach einer Anzeige der Telekom. [Ed: Der Jura- Student im zehnten Semester (!) wurde am Montag abend auf frischer Tat geschnappt. Die Computer liefen noch, und sie wurden von einem sachkundigen Sondereinsatzkommando der Polizei beschlagnahmt].
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