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Der Bundestag zu Neuen Medien (Internet) khd
Stand:  30.1.2000   (17. Ed.)  –  File: Politik/BuTag_NeueMedien.html




Hier wird aus dem Stenographischen Bericht der 81. Plenarsitzung des Deutschen Bundestags vom 20. Januar 2000 (Plenarprotokoll 14/81) die Debatte zur Großen Anfrage der CDU/CSU- Bundestagsfraktion zu den Neuen Medien in Deutschland (Internet) und weiteren Drucksachen – fürs direkte Lesen im Web aufbereitet – dokumentiert und manches auch kommentiert [Ed: ...]. Die Links (Querverweise) wurden in dieser Dokumentation redaktionell zugefügt.

Redebeiträge von:

Die Initiative „Internet ohne Taktung“ hat inzwischen eine kommentierte Kurzfassung dieser Bundestagsdebatte publiziert, die sich auf Auszüge zum Problem des Internet- Zugangs beschränkt (gedruckt etwa 4–5 A4-Seiten).



Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 19.4.1999

Drucksachen 14/1031, 14/1866

Zur Nutzung und Anwendung der Neuen Medien in Deutschland / Chancen in der Informationsgesellschaft

[Antwort der Bundesregierung vom 27.10.1999]


Aus dem Plenarprotokoll 14/81 vom 20.1.2000

Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 e auf: a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Ilse Aigner, Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU. (...)

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Werner Müller.

(V o r s i t z: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in Deutschland gegenwärtig mitten im Wandel von der Industriegesellschaft zur Informations- und Wissensgesellschaft. Die neuen Informationstechnologien und Netze beeinflussen mittlerweile fast alle Bereiche des Privatlebens und nahezu die gesamte Arbeitswelt. Aus ökonomischer Sicht ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erkennen, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien weltweit zu den wichtigsten Impulsgebern für wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung zählen. Im vergangenen Jahr erzielte in Deutschland die informations- und kommunikations-technische Industrie einen Umsatz von 205 Milliarden DM. Die Informationsindustrie beschäftigt derzeit bereits 1,7 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge können allein im Bereich von Multimedia bis zum Jahre 2002 bis zu 370.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn die Weichen richtig gestellt werden. Im Wettbewerb der Unternehmen und der Nationen zählt nicht mehr allein die wirtschaftliche Größe. Die Internet-Werte des Neuen Marktes zeigen deutlich, dass Flexibilität und Schnelligkeit bei der Erschließung innovativer Geschäftsfelder zu den bestimmenden Faktoren werden. Vor diesem Hintergrund ist es das erklärte Ziel der Politik der Bundesregierung, Deutschland einen Spitzenplatz in der internationalen Informationsgesellschaft zu sichern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Nun denn, macht mal!)

Diesem Ziel dient das im September letzten Jahres vorgelegte Aktionsprogramm der Bundesregierung "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts". Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Sicherung eines hohen zukunftsfähigen Beschäftigungsniveaus in der Bundesrepublik Deutschland sind die entscheidenden Herausforderungen der nächsten Jahre. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gehört zwingend auch, in unserem Land den Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft noch rascher als bisher zu meistern und damit neue Beschäftigungspotenziale zu erschließen. Für die Bundesregierung hat daher die beschleunigte Nutzung und Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien wirtschafts-, forschungs-, technologie- und bildungspolitische Priorität. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das Aktionsprogramm stellt deutlich die wirtschaftspolitischen Chancen für unser Land heraus, die mit dem Wandel zur Informationsgesellschaft verbunden sind. Die Verbesserung des Zugangs zu den neuen Medien und dem Internet, der weitere Ausbau der Infrastruktur und die Fortentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel im Daten- und Verbraucherschutz sind daher wichtige Handlungsschwerpunkte des Programms. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Um Deutschland einen Spitzenplatz im digitalen Zeitalter zu sichern, haben wir das Aktionsprogramm mit konkreten Zielmarken versehen, die wir durch gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft innerhalb der nächsten fünf Jahre erreichen wollen und an denen wir uns dann auch messen lassen wollen. Folgende konkrete Ziele möchte ich hier herausstellen: Wir wollen die Anzahl der Internetanschlüsse in der Bevölkerung auf einen Wert von über 40 Prozent bis zum Jahre 2005 steigern. Dazu wollen wir unter anderem eine breit angelegte Demonstrations- und Informationskampagne "Internet für alle" starten. Wir wollen Vertrauen und Sicherheit durch verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen schaffen. Das Informations- und Kommunikationsdienste- Gesetz hat eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von E-Commerce in Deutschland gelegt und die internationale Diskussion zu EU- und weltweiten Regelungen für die neuen Dienste maßgeblich mitbestimmt. Die moderne Ausgestaltung des Gesetzes hat auch zu einer breiten Akzeptanz neuer Medien in Deutschland geführt. Damit wurden verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen für Anbieter und Nutzer geschaffen. Wie der Ihnen im letzten Jahr vorgelegte Evaluierungsbericht zum Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz zeigt, hat sich ein grundlegender Novellierungsbedarf hierzu bisher nicht ergeben. Es wurde aber auch deutlich, dass in einzelnen Regelungsbereichen, insbesondere beim Verbraucherschutz und beim Jugendschutz, gesetzlicher Anpassungsbedarf besteht, um die Akzeptanz der neuen Dienste auf der Nutzerseite zu erhöhen und die Bedingungen für die Informationsgesellschaft in diesem Bereich zu verbessern. Hier möchten wir also neue Akzente setzen. Im Datenschutz müssen die verschiedenen Regelungen besser aufeinander abgestimmt und damit mehr Transparenz für die Anbieter geschaffen werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir wollen den Ordnungsrahmen für Information, Kommunikation und Medien mit Blick auf die Globalisierung der Märkte und die Konvergenz der einzelnen Branchen fortentwickeln. Hierzu werden wir in Gespräche mit den Ländern eintreten, um unter Wahrung der jeweiligen Kompetenzen einen zukunftsfähigen Rechtsrahmen zu erarbeiten. Die Bundesregierung will die Zahl der Multimedia-Unternehmen deutlich steigern und vor allem kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg in den elektronischen Geschäftsverkehr erleichtern. Hierzu werden wir unter anderem die Beratung und Information von kleinen und mittleren Unternehmen durch die "Kompetenzzentren Elektronischer Geschäftsverkehr" fortsetzen. (Beifall des Abg. Ernst Schwanhold [SPD]) Ferner wollen wir Anreize für eine neue Gründerwelle, zum Beispiel mit dem "Gründerwettbewerb Multimedia", schaffen. Die innovativen Unternehmen wollen wir mit einem jährlichen Internet-Preis auszeichnen, der erstmals auf der CeBIT 2000 vergeben wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir wollen die Verbreitung neuer Technologien durch eine intelligente Regulierungspolitik fördern. Innovationen in der Telekommunikation sollen größtmögliche Entfaltungsspielräume enthalten. Für die dritte Generation Mobilfunk, UMTS, mit der auch das drahtlose Internet möglich wird, wollen wir die Lizenzvergabe in diesem Jahr durchführen. Mit unserem Aktionsprogramm haben wir eine Grundlage geschaffen, auf der auch andere Initiativen aufbauen können. Die Diskussionen mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften im Rahmen des "Bündnisses für Arbeit" sowie die anlaufenden Projekte der im Juli mit maßgeblicher Unterstützung des Bundeskanzlers gestarteten Initiative "Deutschland 21 – Aufbruch in das Informationszeitalter" sollen hier zusätzliche Impulse erhalten. Wir haben auch deutlich die Chancen herausgestellt, die mit der Anwendung der neuen Technologien in Gesellschaft und Staat für Bürgerinnen und Bürger verbunden sind. Hierzu zählen zum Beispiel innovative Anwendungen im Gesundheitswesen und in der Verkehrstelematik sowie die Verbesserung der Qualität staatlicher Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger und gerade auch für Unternehmen etwa durch die elektronische Steuerverwaltung. Die Politik der Bundesregierung zielt ferner darauf ab, die Potenziale auszunutzen, die mit der Entwicklung und Einführung der neuen Technologien für eine ökologische Modernisierung verbunden sind. Hier greift das Aktionsprogramm wesentliche Vorschläge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für den verstärkten Einsatz von Multimedia für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung auf.

Die Herausforderungen der Informationsgesellschaft werden wir aber nur meistern, wenn wir mit einer modernen Bildungs- und Forschungslandschaft einen kompetenten Umgang mit den neuen Medien und der Umwandlung von Information in Wissen sicherstellen; (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) denn – das ist vielleicht die größte Aufgabe, die wir alle zusammen meistern müssen – es darf auf lange Sicht keine Spaltung der Gesellschaft in Menschen mit Zugang zu den neuen Informations- und Kommunikationsangeboten und in jene geben, die nicht im Netz sind. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dazu müssen wir alle Chancen wahrnehmen, die mit der Anwendung der neuen Technologien in Gesellschaft und Staat im Sinne eines lebenslangen Lernens für Bürgerinnen und Bürger verbunden sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Ressource Wissen wirklich zunimmt, und unser Bildungswesen für die dynamischen Entwicklungen unserer Gesellschaft fit machen.

Meine Kollegin Bulmahn hat mit dem "Forum Bildung" hier einen guten Anfang gemacht. Die umfangreichen Initiativen und Maßnahmen zur Förderung der Nutzung der neuen Medien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene hat die Bundesregierung auch in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion "Zur Nutzung und Anwendung der neuen Medien in Deutschland – Chancen in der Informationsgesellschaft" nochmals ausführlich dargestellt. Mit der erfolgreichen Bewältigung des Jahr-2000-Problems sind wir sicher in das 21. Jahrhundert gestartet. Lassen Sie mich an dieser Stelle allen, die bei der Bewältigung dieses Problems bzw. bei der Vorbereitung zur Bewältigung dieses Problems mitgewirkt haben, herzlich danken. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Trotz der teilweise Katastrophen voraussagenden Prognosen ist der Erfolg wegen der Vorbereitung zur Bewältigung dieses Problem, die die Bundesregierung – im Gegensatz zu der einen oder anderen laut gewordenen Kritik – still und effizient zusammen mit allen relevanten Gruppen insbesondere in der Wirtschaft und in der Verwaltung mit vorangetrieben hat, letztendlich so eingetreten, dass alle Katastrophenprognostiker eines Besseren belehrt wurden. Ausdrücklich noch einmal einen herzlichen Dank an alle, die die Vorbereitungsarbeit geleistet haben, und im Übrigen an alle, die sich in dieser Nacht in Bereitschaft gehalten haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) Wir sind also nun im 21. Jahrhundert angekommen. Es wird das Informations- und Wissenszeitalter werden. Jetzt gilt es, die Chancen der neuen Medien in einer Innovationspartnerschaft zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entschlossen zu nutzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Martin Mayer.

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Weg ins neue Jahrhundert ist der Weg in die Informationsgesellschaft. Die Stellung Deutschlands in der Welt und die Wirtschaftskraft Deutschlands werden im Wesentlichen davon abhängen, wie wir diesen Weg in Deutschland gestalten. Das wäre Anlass genug, eine Debatte im Deutschen Bundestag zu führen, die wahrlich mehr Zuhörer verdient. Der unmittelbare Anlass dieser Debatte aber sind drei Dokumente, die die Bundesregierung vorgelegt hat. Das erste Dokument ist der Evaluierungsbericht vom Juni zum Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz von 1997. Man kann die Äußerung der Bundesregierung ganz kurz folgendermaßen zusammenfassen: Die Bundesregierung prüft und sie wird weiter prüfen. – Es finden sich nur marginale Änderungsvorschläge zu diesem Gesetz, das ja die frühere Koalition auf den Weg gebracht hat. Man kann sagen, dass dies ein sehr großes Kompliment an die unionsgeführte Regierung ist, die dieses Gesetz damals gegen den teilweisen Widerstand der SPD durchgesetzt hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Zum zweiten Dokument. Zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion kann man nur sagen: Welche Antwort! Um die entscheidenden Fragen drückt sich die Bundesregierung herum. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Ernst Schwanhold [SPD]: Das ist doch Quatsch!) Ich will mich deshalb überwiegend mit dem dritten Dokument auseinandersetzen, nämlich mit dem Aktionsprogramm der Bundesregierung "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts". (Jörg Tauss [SPD]: Das ist ein gutes Papier!) – Warten Sie ab. – In diesem Papier hat die Bundesregierung ihre Ziele und Aktionen festgelegt. Herr Bundesminister, Sie haben ja wenigstens schon eine Aussage, die ich zitieren möchte, korrigiert. In dem Aktionsprogramm steht nämlich der Satz zu lesen – ich zitiere –: Die Vision der Bundesregierung für die Zukunft ist, Deutschland in der Informationswirtschaft in eine europaweite Spitzenposition zu bringen. (Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut! – Ernst Schwanhold [SPD]: Prima!) Da kann ich nur sagen: Das ist der Anspruch auf die zweite Liga. Wir müssen weltweit eine Spitzenstellung einnehmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Bei den konkreten Zahlen wird es noch viel schlimmer. Sie haben folgende Aussage heute wiederholt – ich zitiere –: Steigerung des Anteils der Internetabonnentinnen und -abonnenten an der Gesamtbevölkerung von 9 % im Jahr 1999 auf über 40 % bis zum Jahr 2005... Erst in fünf Jahren will die Bundesregierung den heutigen Stand der USA, Schwedens und Finnlands erreichen. Das ist ein "Anspruch" Deutschlands auf das Schlusslicht! So können wir doch nicht weitermachen, das muss korrigiert werden! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Bei den bescheidenen Ansprüchen der Bundesregierung ist es ja kaum verwunderlich, (Ernst Schwanhold [SPD]: Ihre Unbescheidenheit kennen wir ja!) dass sie in einer ganz entscheidenden Frage schweigt. Ich will dazu etwas sagen, weil dieses Thema wegen der vielen amerikanischen Ausdrücke sehr schwer zu verstehen ist. (Hubertus Heil [SPD]: Ja, das merkt man doch bei Ihnen, oder?) Die Zahl der Internetanschlüsse in Deutschland könnte man sprunghaft erhöhen. Laut Statistischem Jahrbuch 1999 hat im Jahr 1998 die Hälfte aller Haushalte der durchschnittlich verdienenden Vier-Personen-Haushalte von Angestellten und Arbeitern einen PC. Alle diese Haushalte haben auch einen Telefonanschluss. Warum gehen sie nicht online? Sie gehen deshalb nicht ins Netz der Netze, weil in Deutschland immer der Telefongebührenzähler tickt, und da kann natürlich jemand, der Kinder hat, nicht sagen: "Ich lege mir einen Internetanschluss zu", und hat nachher eine monatliche Telefonrechnung von 200 bis 300 DM. Wir haben uns ja leider daran gewöhnt, dass der Fernseher entweder eine Monatspauschale kostet oder, wie beim Privatfernsehen, kostenlos ist, aber dass beim Internetzugang ständig der Gebührenzähler Minute für Minute tickt. In den USA, in Kanada, in Australien, in Neuseeland ist das anders. (Jörg Tauss [SPD]: Seit wann?) – Seit langem. (Jörg Tauss [SPD]: Sehen Sie? – Heiterkeit bei der SPD) In Österreich, in Schweden und in Großbritannien beginnt sich das zu ändern. Bloß bei der Bundesregierung herrscht Schweigen. (Hubertus Heil [SPD]: Warum haben Sie denn nichts gemacht in Ihrer Amtszeit?) – Es zeigt Ihre Geisteshaltung, dass Sie in dieser schnelllebigen Zeit immer zurückblicken, statt sich mit der Zukunft zu befassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Lachen bei der SPD und Bündnis 90/Die Grünen) Auch bei uns in Deutschland muss es eine bezahlbare Monatspauschale für den Internetzugang, und zwar zu einem Preis von deutlich unter 100 DM, geben. Erst dann kann ein Durchbruch gelingen. Es ist unglaublich, dass die Bundesregierung zu diesem Thema – weder Sie, Herr Müller, in Ihrer Rede heute, noch in dem Aktionsprogramm – einen einzigen Satz sagt. Wenn sich die Bundesregierung politisch endlich für eine Monatspauschale einsetzen würde, dann könnte die Regulierungsbehörde auch durchsetzen, dass der Monopolist dem Internetprovider einen entsprechenden Tarif anbieten muss. Ich sage Ihnen eines: Mit einer solchen Maßnahme würden Sie mehr erreichen als mit allen Ihren anderen Maßnahmen, die Sie genannt haben. Sie brauchten dann das Sonderprogramm für die Schulen nicht. Die Kinder und Jugendlichen hätten dann nicht nur die Möglichkeit, in der Schule im Internet zu surfen, wenn sie einmal drankommen. Vielmehr könnten sie es zu Hause tun, anstatt in den Fernseher zu glotzen. Da könnten Sie einmal aktiv werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Internet wird gegenwärtig vorrangig zur Informationsbeschaffung genutzt. Dies ändert sich zunehmend, weil der elektronische Handel in den Vordergrund rückt. Die Zahlen sind genannt worden. Der Umsatz in Deutschland wächst nach Schätzung der Bundesregierung von 2,6 Milliarden DM im vergangenen Jahr auf 94 Milliarden DM im Jahre 2002. Deshalb müssen wir alles tun, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Ein Schwachpunkt ist ja noch die Sicherheit der Bezahlung der Leistungen über das Netz. Dazu meine ich: Es ist angebracht, dass die Bundesregierung mit großem Nachdruck die Umsetzung der Europäischen Richtlinie für digitale Signaturen betreibt. Es gibt noch andere Rahmenbedingungen, hinsichtlich derer Rechtsbereiche an die Erfordernisse des Netzes angepasst werden müssen, wie etwa beim Datenschutz, beim Urheberrecht, beim Steuerrecht, im Zivil- und Strafrecht, im Handelsrecht, im Jugendschutz und beim Schutz der Menschenwürde. Dazu haben wir von der Bundesregierung allerdings außer Ankündigungen nicht sehr viel gehört. Bei diesen Gesetzesänderungen kommt es vor allem darauf an, dass das Netzwerk der Regelungen nicht verdichtet wird, sondern es muss ausgedünnt werden. Nirgendwo im Aktionsprogramm steht der Satz, der eigentlich ein entscheidender Satz ist, dass man Regelungswerke ausdünnen muss. (Hubertus Heil [SPD]: Das ist bei uns selbstverständlich, Herr Kollege!)

Im Gegenteil: Es wird ein neues Gesetz, das Arbeitnehmerdatenschutzgesetz in einer Materie vorgeschlagen, die viel leichter durch Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gelöst werden könnte. Das zögerliche Handeln der Bundesregierung bei der Umsetzung der Rechtsvorschriften ist schon schlimm genug, aber noch schlimmer ist die Ignoranz der Bundesregierung bei den Erfordernissen des Wandelns im Arbeits- und Sozialrecht. Immer mehr Menschen müssen im Laufe eines Arbeitslebens den Arbeitgeber, das Unternehmen, wechseln. Immer mehr Menschen wechseln in die Selbstständigkeit und wieder zurück. Da war doch die Gesetzgebung zur Scheinselbstständigkeit absolut kontraproduktiv.(Beifall bei der F.D.P.) Statt neuen Grenzen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern brauchen wir Brücken. Der Übergang von einer Form zur anderen muss erleichtert werden. Zwischenstufen sind gefordert. (Ernst Schwanhold [SPD]: Das haben wir doch längst geändert! Worüber reden Sie? Haben Sie die Rede vor einem Jahr geschrieben?) Hier brauchen wir auch in der Sozialgesetzgebung Kreativität. Ein wesentliches Hemmnis für die Informations- und Kommunikationsdienste in Deutschland ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Die Bundesregierung spricht in ihrem Bericht von 75.000 fehlenden Fachkräften in diesem Sektor. (Hubertus Heil [SPD]: Wer hat das verschlafen? – Ernst Schwanhold [SPD]: Die fehlen aber heute! Da gibt es einen Vorlauf!) Hier genügen Absichtserklärungen, wie sie im "Bündnis für Arbeit" gegeben werden, nicht. Hier darf nicht gekleckert, hier muss geklotzt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn in diesem Jahr schon zusätzliche Milliarden DM an die Bundesanstalt für Arbeit ausgegeben werden, dann müssen sie in diesem Sektor schwerpunktmäßig eingesetzt werden. Völlig unverständlich ist auch, dass die Bundesanstalt für Arbeit eine neue Dienstanweisung plant, die es Akademikern von außerhalb der EU praktisch verbietet, in der Informations- und Kommunikationsbranche in Deutschland zu arbeiten. Statt wie geplant Deutschland abzuschotten, müssen wir Deutschland für diese Triebkräfte und den Motor der Entwicklung, die neue Arbeitsplätze nach sich ziehen, öffnen. Wir müssen es so wie die USA machen, die Arbeitskräfte aus der ganzen Welt an sich ziehen. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, diese Dienstanweisung sofort zu korrigieren. Insgesamt wirkt das Aktionsprogramm der Bundesregierung blutleer. Man gewinnt den Eindruck, dass die Bundesregierung in der Internetgemeinde nicht zu Hause ist.

Herr Bundesminister Müller, wenn ich Ihre Rede gehört habe, dann frage ich mich, ob Sie wirklich schon einmal selbst im Netz gesurft haben. (Hubertus Heil [SPD]: Sie halten doch Maschendrahtzaun für das Internet!) Die neuen Möglichkeiten zum interaktiven Kontakt und zum direktem Dialog mit den Bürgern werden zwar im Aktionsprogramm am Rande erwähnt, aber die Bundesregierung scheint das nicht sehr zu schätzen. Wie könnte es sonst sein, dass mich Briefe aus der ganzen Republik erreichen, (Hubertus Heil [SPD]: E-Mails!) – E-Mails, natürlich –, dass mich E-Mails aus der ganzen Republik erreichen, die beklagen, dass die Bundesregierung auf E-Mails keine Antwort gibt. Ja selbst in Foren im Netz, wo Fragen der Politik diskutiert werden und (Hubertus Heil [SPD]: Gehen Sie mal auf die CDU-Homepage! Da findet gerade was statt!) die Bundesregierung um eine Stellungnahme gebeten worden ist, erfolgt nach vier Wochen, Herr Mosdorf, immer noch keine Antwort. Ich kann Ihnen das nachher geben. Sie sollten diesen Dialog tatsächlich einmal führen. Die einzige Reaktion der Regierung ist Schweigen. Mit dieser Reaktion schadet sich die Regierung selbst. (Beifall bei der CDU/CSU) Dialog und Interaktivität sind im Vergleich zu den herkömmlichen Medien das Neue im Internet. Sie bringen eine neue Qualität in die Beziehung zwischen Politik und Bürgern. Da reicht es nicht aus, nur vom Dialog zu reden, man muss ihn auch führen, Herr Bundesminister.

Ich habe in Vorbereitung zu dieser Debatte eines festgestellt: Es gibt in der Netzgemeinde viele Menschen, die sich ein enormes Fachwissen angeeignet haben und die auch gern bereit sind, dies den Politikern mitzuteilen und es weiterzugeben. All diesen begeisterte Ehrenamtlichen sage ich von dieser Stelle aus ein herzliches Wort des Dankes für ihre Arbeit und für ihren Einsatz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Amen!) Insgesamt enthält das Aktionsprogramm auch eine Reihe von Erfolg versprechenden Maßnahmen. Das ist kein Wunder. Es knüpft doch an viele Maßnahmen an, die die alte Regierung bereits auf den Weg gebracht hat. (Siegmar Mosdorf [SPD]: Das war die Ursache!) Allerdings fehlen dem Programm der Schwung und die Leitprojekte, (Ernst Schwanhold [SPD]: Der Schwung, den Sie hier vermitteln!) die eine Aufbruchstimmung erzeugen könnten. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass es in der Bundesregierung eine unglückliche Zuständigkeitsverteilung gibt. (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU] Ich fordere daher die Bundesregierung auf, die Kräfte zu bündeln. Aber noch wichtiger ist – Herr Bury, sagen Sie es dem Herrn Bundeskanzler –: Internetpolitik muss Chefsache sein. Sie kann nicht aus der zweiten oder dritten Reihe bestimmt werden, nur von ganz oben, von der Spitze. (Jörg Tauss [SPD]: Wie bei Kohl! – Siegmar Mosdorf [SPD]: Im Verkehrsministerium!) Auch da, meine ich, kann Berlin von München lernen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Ernst Schwanhold [SPD]: Das findet natürlich den Beifall des Abgeordneten Ramsauer!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich Ihnen bekannt geben, dass wir auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion von 14 Uhr bis 15 Uhr eine Sitzungsunterbrechung haben. Der Ältestenrat wird auf 15 Uhr einberufen. Nun fahren wir in der Debatte fort. Die Abgeordnete Margareta Wolf hat das Wort.

Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Mayer, ich möchte kurz einige Punkte aus Ihrer Rede aufgreifen. Sie haben gesagt, das Internet müsse Chefsache sein. Das ist es bei dieser Regierung. Der Bundeswirtschaftminister hat hierzu gesprochen. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Der Chef ist der Kanzler!) Ich darf Sie daran erinnern, dass in Ihrer Zeit erst ein Ministerium lediglich in den letzten Monaten im Internet war, und zwar das BMBFT. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Mayer, dass der heute schon oftmals hier erwähnte Chef der ehemaligen Regierung in einer prominenten Talkshow einmal die Datenautobahn mit dem Bundesverkehrswegeplan verwechselt hat und eine halbe Stunde nicht realisiert hat, dass es um das Netz ging. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Sie schauen zurück und nicht nach vorne! Beschäftigen Sie sich mit der Zukunft!) – Ich beschäftige mich mit der Zukunft. Sie sagen, das Aktionsprogramm sei blutleer. Herr Mayer, Sie sollten etwas dazu sagen, warum gerade die Produktionsumsatzzahlen bis 1998 im Bereich der neuen Technologien ganz weit hinten in Europa lagen. Seit Anfang 1999 steigen die Zahlen wieder. (Hans-Joachim Otto (Frankfurt) [F.D.P.]: Ach, komm!) Wir lagen ganz hinten, nur noch vor Schweden und Italien. Langsam steigt die Produktion wieder. Sie müssen auch etwas dazu sagen, warum die Zahl der Internetabonnenten 1998 bei 9 Prozent lag. Inzwischen liegt sie bei über 10 Prozent. Dieser gewisse Attentismus, dem wir jetzt zu begegnen haben, ist nicht auf uns zurückzuführen. Ich weise ungern nach hinten zurück, aber wenn Sie sagen, dies sei alles blutleer, sollten Sie die Prozesse hier auch nicht ganz geschichtslos beurteilen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir wissen alle, dass die Entwicklung der Informationstechnologien einer der Motoren, wenn nicht sogar der entscheidende Motor für die Globalisierung ist. Die Unternehmen kooperieren und konkurrieren heute weltweit. Im Netz wird die vollständige Markttransparenz zu geringen Informationskosten Realität. Der Wettbewerbsdruck unter den Unternehmen erhöht sich rasant. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, vorhin wurde auf das Thema hingewiesen, das von Ihnen gerne immer wieder bemüht wird, nämlich die Scheinselbstständigkeit und den Rückgang bei den Gründungen. Ich empfehle dringend heute einen Blick in die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", Herr Mayer. Dort steht, dass es im letzten Quartal 1999 64.000 Neugründungen im Bereich der wissensbasierten Dienstleister gegeben hat. Mit diesen Zahlen machen wir deutlich, dass wir uns zügig auf dem Weg von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft bewegen. Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Deutschland ist heute einer der größten Märkte bei der Software, bei den Netzen, bei der Hardware und in der Unterhaltungselektronik. Entscheidend wird es in den nächsten Jahren darauf ankommen, dass Deutschland nicht nur verkauft, sondern dass in Deutschland auch vermehrt produziert wird. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die neue Bundesregierung hat unter der Federführung des Wirtschaftsministers nach Regierungsübernahme sehr schnell und sorgfältig ein umfassendes Aktionsprogramm zur Gestaltung des Weges in die Informationsgesellschaft erarbeitet. Herr Mayer, wenn Sie sich einmal die Fachpresse anschauen, stellen Sie fest, dass dieses Programm eine sehr positive Resonanz hat. Darüber können wir glücklich sein, und zwar alle zusammen. Meine Fraktion meint, dass mit diesem Aktionsprogramm der Tatsache Rechnung getragen wurde, dass der informationstechnischen Kompetenz tatsächlich eine Schlüsselrolle bei der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zukommt. Ziel unserer Politik ist es, die Chancen der neuen Technologien für mehr Beschäftigung, mehr Selbstständigkeit, mehr Information und mehr Partizipation und somit für ein zukunftsfähiges, ökologisches, modernes Wirtschaften zu nutzen. Wir glauben, Aufgabe des Staates ist es, den Ordnungsrahmen für die neuen Medien zu gestalten, faire Chancen für den Zugang zu diesen Medien für alle zu garantieren sowie Qualifikation und lebenslanges Lernen auch für die heute niedrig Qualifizierten zu ermöglichen, um die schon angesprochene Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden. Für uns ist dies ein ganz zentraler Punkt bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft. Darüber hinaus ist es Aufgabe von Politik, den Ausbau der notwendigen Infrastruktur zu gewährleisten, einen funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen, die ökologische Zukunftsfähigkeit der Informationsgesellschaft zu erreichen und den Wettbewerb, unter anderem der Hochschulen, zu ermöglichen. Eine wichtige Voraussetzung für lebenslanges Lernen und die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, gerade zur Verbesserung der Chancen der Informationsgesellschaft, ist, dass wir die Rahmenbedingungen für eine Durchlässigkeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft schaffen. Dies ist ein ganz zentraler Punkt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Bildungsstandortes Deutschland zu verbessern und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Menschen in unserem Land die neuen Technologien als Chance begreifen und nicht als Risiko. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir alle wissen, dass derjenige oder diejenige, der oder die im Internet recherchiert, besser informiert ist als diejenigen, die das nicht tun. Die Person, die recherchiert, hat auch bessere Bildungschancen in unserem Land. Wir meinen, dass diese Bildungschancen nicht ausschließlich den Akademikerinnen und Akademikern vorbehalten bleiben dürfen. Eines der zentralen Ziele der Grünen und auch der Bundesregierung ist es, allen Menschen der Gesellschaft den Zugang zum Netz zu erleichtern und sie dabei zu unterstützen, es sinnvoll zu nutzen. Wir finden es gut, dass die Bundesregierung heute sagt, dass sie bis 2005 eine Nutzerquote von 40 Prozent erreichen wolle. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Das muss in zwei Jahren gehen!) Ich prognostiziere, dass wir die Nutzerquote von 40 Prozent wesentlich schneller erreichen werden. Voraussetzung für die weitere Verbreitung des Internets – das wissen wir alle – ist allerdings auch die Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Netzzugänge und, Herr Mayer, natürlich der Preise. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Was sagen Sie denn zur "flat rate"?) – Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass der Telefonzähler ständig tickt. Erstens hat er schon vor dem 27. September 1998 getickt und zweitens hat er damals sogar schneller getickt [Ed: was nicht stimmt, da die Telekom-Ortstarife seit dem 1.1.1996 praktisch gleichbleibend hoch sind]. Sie hätten hier einmal sagen können, warum das Glasfaserkabelnetz der Telekom noch nicht verkauft ist. Dies ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass die Preise tatsächlich sinken können. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Wer ist denn an der Regierung?) Sie sagen immer, wir sollten in die Zukunft schauen. Wir tun das und regeln relativ schnell, dass die Preise sinken. Damit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass es einen breiteren Zugang zum Internet gibt und das Internet nicht nur ein Exklusivangebot für gut ausgebildete Leute ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Preis ist dafür eine zentrale Voraussetzung, verehrter Herr Kollege Mayer. Eine weitere Voraussetzung für die Ausbreitung des elektronischen Handels, des E-Commerce, ist allerdings auch die Sicherheit. Wir freuen uns darüber, dass das Bundeskabinett am 2. Juli 1999 beschlossen hat, dass Verschlüsselungsprodukte und -verfahren in Deutschland künftig ohne Beschränkung hergestellt, vermarktet und genutzt werden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Sie schauen immer zurück und nicht nach vorn!) Herr Mayer, das hätte schon viel früher geregelt werden können. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Bundesregierung aktiv die Verbreitung kryptographischer Verfahren unterstützt. (Jörg Tauss [SPD]: Dazu brauchen wir Schily statt Kanther!) Ein Nebeneffekt der technologischen Entwicklung ist – darauf möchte ich in diesem Kontext hinweisen –, dass das eine oder andere nationale Gesetz durch die Unabhängigkeit des Raumes im Netz perspektivisch obsolet wird. Dies betrifft meiner Meinung nach aufgrund der Existenz von E-Commerce das Rabattgesetz. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Aha!) Das Netz bietet aber auch, wie ich finde, erhebliche freiheitsfördernde Elemente. So ist es zum Beispiel China bis heute nicht gelungen, das Netz zu kontrollieren. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Das wird auch nie gelingen!) Herr Kollege Mayer, während des Kosovo-Krieges haben wir ebenso gelernt, dass es selbst der Führung in Belgrad nicht gelungen ist, zu unterbinden, dass die Opposition im ehemaligen Jugoslawien mit uns hier kommuniziert hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Es wurden E-Mails ausgetauscht. Insofern denke ich, dass das Internet keine blutleere Veranstaltung ist. Das Internet hat ein Potenzial, das weltweit Freiheit und Demokratie fördert. Ich glaube darüber hinaus, dass die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien grundlegende Veränderungen der Produktion und der Struktur der Unternehmen, aber auch der öffentlichen Verwaltung nach sich ziehen wird, wenn dies nicht schon erfolgt ist. So haben wir es heute in denjenigen Unternehmen, die diese Kommunikationsmöglichkeiten nutzen, mit dezentralen Entscheidungsstrukturen zu tun. Zudem kommt es zu Gruppenarbeit und flachen Hierarchien. Dies alles wäre ohne diese Technologien nicht möglich gewesen. Heute kann man dezentral und flexibel entscheiden, gleichzeitig aber zentral über alle notwendigen Informationen verfügen. Diese Entwicklung verändert die Unternehmenskultur in Deutschland hin zum Positiven, sprengt veraltete Hierarchiekonzepte und führt zu höherer Produktivität und mehr Verantwortung in den Unternehmen. Dies ist eine Entwicklung, die wir unterstützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Gleichzeitig bieten die neuen Medien erhebliche Potenziale gerade für Existenzgründer. Heute wird "seed capital" bzw. "venture capital" vor allen Dingen über das Netz verbreitet. Darüber hinaus wird der gesamte Problemkomplex der Generationennachfolge bei kleinen und mittleren Unternehmen relativiert, weil man heute im Netz so etwas wie einen Marktplatz findet, wo sich potenzielle Unternehmer, die Unternehmen übernehmen wollen, treffen und sich mit Betrieben bekannt machen, deren Chef in den Ruhestand gehen will. Ich denke, das ist eine sehr gute Entwicklung, die gerade den Aspekt Networking und Kommunikation ganz oben auf die Tagesordnung setzt. Solche Dinge wurden in der Vergangenheit versäumt, was dafür verantwortlich ist, dass wir heute gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge sehr viel aufzuholen haben. (Ernst Schwanhold [SPD]: Das stimmt leider!) Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen, der mir zentral zu sein scheint und angesichts dessen auf den Staat erhebliche Aufgaben zukommen, wobei die Bundesregierung schon heute auf diesem Gebiet Erhebliches leistet. Das ist der gesamte Komplex der Qualifikation und der Weiterbildung, Stichwort: lebenslanges Lernen. In den letzten Jahren wurden im Bereich der IuK-Technologien – bei gleichzeitig 4 Millionen Arbeitslosen; wenn ich daran erinnern darf – 75.000 Arbeitsplätze nachgefragt. Das ist ein Zustand, den man seitens der Politik nur als unverantwortlich bezeichnen kann. Wir haben – darauf sind wir Grünen stolz – im "Bündnis für Arbeit" erreicht, dass 40.000 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Dies hatte man sich bis zum Jahre 2003 vorgenommen.

Die Schaffung von 40.000 Arbeitsplätzen ist bereits erreicht worden. Darüber sollten wir sprechen, darüber sollten wir uns freuen. Ich denke, das zeigt, dass wir auf einem guten Wege sind. Lassen Sie mich abschließend sagen: Von den Menschen wird in Zukunft wesentlich mehr Flexibilität erwartet, als wir das heute ahnen. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Das ist wahr!) Sie sollten einmal die amerikanische gesellschaftspolitische Debatte verfolgen. Richard Sennett warnt ja vor den Flexibilitätsanforderungen, die auf die Menschen zukommen. Daher sollten wir mit solchen Anforderungen sehr vorsichtig umgehen und gerade deshalb den Schwerpunkt auf eine qualifizierte Ausbildung legen. Wir müssen die Menschen in die Lage versetzen, sich schnell neues Wissen aneignen zu können. Wir sollten das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken und sollten gerade wegen der Verunsicherungen, die auf die Menschen zukommen, perspektivisch eine stabile soziale Grundsicherung herstellen. Ich glaube, wir befinden uns auf einem guten Weg. Wir sind gewappnet und wir sind auch im Bildungsbereich wettbewerbsfähig. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Mayer das Wort. (Ernst Schwanhold [SPD]: Mein Gott! Sie haben doch eben schon nichts gesagt!)

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Kollegin Wolf, Sie haben mich mehrfach angesprochen. Ich möchte zunächst etwas richtig stellen: Ich habe nicht gesagt, dass das Internet blutleer sei, sondern ich habe gesagt, dass das Aktionsprogramm und die Politik der Bundesregierung zum Internet blutleer seien. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist es! – Zuruf von der SPD: Das ist noch schlimmer!) Ich möchte aber zur Bewertung des Aktionsprogramms noch andere zu Wort kommen lassen, zum Beispiel "Spiegel Online" vom 29. Oktober 1999. Der Untertitel lautete: Trotz vollmundiger Absichtserklärungen fällt der rot-grünen Bundesregierung zur "Innovation" wenig Innovatives ein. Ein gerade vorgestelltes "Aktionsprogramm" beweist allerhöchstens Mut zur Lücke. Wenn Sie dem "Spiegel" nicht glauben, will ich einen Vertreter der Koalition zitieren: "Es ist eigentlich ganz wie in alten Oppositionszeiten", meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss und räumt nur einen geringfügigen Fortschritt ein: (Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat er!) "Während ich mit der früheren Bundesregierung zu 30 Prozent einig war, bin ich es heute mit der rot-grünen zu 50 Prozent." Das ist ein gewaltiger Fortschritt. (Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU] – Abg. Jörg Tauss [SPD] meldet sich zur Entgegnung – Walter Hirche [F.D.P.]: Keine Debatte zur Debatte!)

Jörg Tauss (SPD): Ich bin angesprochen worden. Lieber Kollege Mayer, ich kann Ihnen bestätigen, dass ich an dieser Stelle korrekt zitiert worden bin. Warum Sie aber eine Steigerung von 30 auf 50 Prozent für gering halten, ist mathematisch nicht ganz nachvollziehbar. Ich habe in der Tat deutlich gemacht, dass die alte Bundesregierung kläglich versagt hat. Wir haben in kürzester Zeit aufgeholt. Ich habe aber auch gesagt – im Übrigen zu einem Zeitpunkt, als viele der jetzt angesprochenen Initiativen noch nicht auf dem Weg waren –, dass wir mit 50 Prozent schon viel erreicht haben und auf dem Weg zu 100 Prozent munter vorwärts schreiten können. Die weitere Debatte wird zeigen, dass wir dies tun. Wir werden auch noch ein bisschen Ihre Defizite beleuchten. Ich freue mich darauf.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Jetzt hat der Abgeordnete Hans-Joachim Otto das Wort.

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Bundeswirtschaftsminister und Frau Kollegin Wolf, Ihre selbstzufriedenen und unverbindlichen Worte, so schön sie gewesen sein mögen, und auch das Aktionsprogramm der Bundesregierung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Medienordnung in Deutschland einer sehr grundsätzlichen Reform bedarf. Das hat sich erst jüngst an einem handfesten Beispiel erwiesen. Obwohl wir in Deutschland bereits jetzt mit jährlich fast 13 Milliarden DM das teuerste öffentlich- rechtliche Rundfunkprogramm der Welt unterhalten, soll die Rundfunkgebühr erneut um satte 11,8 Prozent auf monatlich 31,58 DM erhöht werden. Wen wundert es da, wenn die Bereitschaft der Bürger, ihre Rundfunkgebühren zu entrichten, drastisch abnimmt? Immer weniger Menschen verstehen, warum sie jährlich fast 400 DM für ein Rundfunkangebot zahlen sollen, obwohl sie ein solches in ähnlicher Form von den privaten Sendern kostenlos bekommen. Es ist in der Tat inakzeptabel, dass wir uns ein immer aufwendigeres öffentlich-rechtliches Rundfunksystem leisten, ohne endlich dessen spezifischen Funktionsauftrag und damit die Berechtigung des Gebührenprivileges geklärt zu haben. Dringenden Reformbedarf gibt es aber auch aufgrund der Tatsache, dass wir die Anbieter in Deutschland mit der höchsten Kontroll- und Regulierungsdichte aller demokratischen Staaten der Welt überziehen. Wir leisten uns zum Beispiel 15 teure Landesmedienanstalten, dazu jeweils einen Rundfunkrat bei allen neun ARD-Anstalten, dazu einen ZDF-Fernsehrat, dazu eine KEF und eine KEK, eine Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post usw.

Wir dürfen auch nicht länger hinnehmen, dass sich die Gesetzgebungszuständigkeiten von Europa, dem Bund und den Ländern geradezu willkürlich überlappen und überschneiden. Mir hat bisher noch niemand erklären können, weshalb zum Beispiel für Teleshopping die Länder zuständig sind, für Telebanking aber der Bund und weshalb für die Online-Zeitungen andere Regelungen gelten als für gedruckte Zeitungen. Der zentrale Fehler unserer Medienordnung ist es, dass ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen aus einer Zeit stammen, als es in Deutschland nur ein einziges Fernsehprogramm gab, als die Nation also noch gebannt den Mörder im Durbridge-Krimi suchte, als es die neuen Mediendienste noch nicht einmal in der Idee gab, vom Internet ganz zu schweigen. Seit der Zuweisung der Gesetzgebungskompetenz für den Rundfunk an die Länder hat sich die Technik geradezu revolutionär verändert. Im Wege der Konvergenz – das Stichwort ist schon mehrfach gefallen – verschmelzen weltweit Individual- und Massenkommunikation zu einem medialen Gesamtangebot. Wir in Deutschland setzen uns über diese technische Gegebenheit hinweg, solange wir Individual- und Massenkommunikation unterschiedlich regeln. Es ist ein Kennzeichen dieser skurrilen Situation, dass für ein Internet-Unternehmen in Deutschland bis zu 28 unterschiedliche Aufsichtsgremien und Regulierungsinstanzen zuständig sein können. Diese Überregulierung hat ihren Preis; der Kollege Mayer hat schon darauf hingewiesen. So haben etwa die skandinavischen Länder mehr als doppelt so viele Internetanschlüsse pro tausend Einwohner wie wir, von den USA und Kanada ganz zu schweigen. In diesem Zusammenhang noch ein Hinweis, Herr Mosdorf – Herr Müller ist nicht mehr da –: Meinen wir wirklich, diesen Rückstand aufholen zu können, indem wir bald auch noch jeden internetfähigen PC in Deutschland mit einer Rundfunkgebühr belegen? (Jörg Tauss [SPD]: Tut doch keiner!) Das ist doch skurril. Ich erwarte auch angesichts der Kompetenzzuweisung – die ich kenne –, dass von der Bundesregierung Widerstand geleistet wird. Dieser Rückstand besteht nicht etwa – da wäre es vielleicht noch verkraftbar – in einem Orchideenbereich; nein, er besteht ausgerechnet im weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaftsbereich. (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Richtig!)

Der Regulierungs- und Kontrollwirrwarr in Deutschland ist ein Investitions- und Innovationshemmnis erster Klasse. Der Bertelsmann-Chef Middelhoff hat zu Recht davor gewarnt, dass im neuen Medienzeitalter nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen fressen. Das gilt auch für Wirtschaftsnationen. (Zuruf von der SPD: Und Parteien!) Nirgendwo sonst brauchen wir daher den von Roman Herzog angemahnten Ruck so dringend wie gerade im Bereich von Medien und Telekommunikation. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In der Analyse scheinen wir uns in diesem Hause weitgehend einig zu sein. Auch die Bundesregierung sieht Handlungsbedarf, wie sich aus ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion ergibt. Sie schreibt dort – ich zitiere –: ... die historisch gewachsene Aufsplitterung der Aufsichtsbehördenstruktur ... erscheint unübersichtlich und unpraktikabel, da die Medien in technischer und ökonomischer Hinsicht konvergieren und sich im internationalen Wettbewerb behaupten müssen. Der Bund und die Länder stehen vor der Aufgabe, zukunftsfähige Lösungen ... zu finden. Gut gebrüllt, Löwe! Wir stimmen überein. Aber warum geschieht jetzt nichts? Das Aktionsprogramm ändert an diesen Problemen überhaupt nichts. Exakt vor diesem Hintergrund hat meine Fraktion jüngst die Einrichtung einer gemeinsamen Konvergenz-Enquete von Bundesrat und Bundestag vorgeschlagen. In dieser wollten wir mit den Ländern die erforderlichen Konsequenzen aus der Konvergenz der Medien erarbeiten. Es hat sich jedoch erwiesen, dass Sie Ihren hehren Worten wieder einmal keine entsprechenden Taten folgen lassen. Sie haben sich gegen eine Konvergenz-Enquete ausgesprochen und – schlimmer noch – Sie haben keinen Gegenvorschlag unterbreitet, wie der von uns gemeinsam festgestellte Reformstau aufgelöst werden kann.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mosdorf?

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Wenn Sie freundlicherweise die Uhr anhalten!

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte.

Siegmar Mosdorf (SPD): Herr Kollege Otto, ich wollte Sie – angesichts der Tatsache, dass wir in Bezug auf die Medienaufsicht tatsächlich Reformbedarf haben, was die Länder angeht – nur fragen, worauf Sie zurückführen, dass sich in Süddeutschland zwei Sender zwar zusammengetan haben, dass aber gleichzeitig die beiden Landesmedienanstalten beibehalten worden sind und dass die Landesmedienanstalt in Baden-Württemberg mit einer Person, die aus der CDU-Fraktion stammt, besetzt worden ist. Die F.D.P. ist ja als Koalitionspartner dort mit in der Regierung. Worauf führen Sie das zurück? (Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist ähnlich wie beim Norddeutschen Rundfunk! Das ist genau das Gleiche!)

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben offensichtlich übersehen, dass sich diese Rede nicht nur an die rotgrüne Bundesregierung richtet. Mein Anliegen ist es, einen Fehler im System zu beseitigen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD) Deswegen haben wir gesagt, wir wollen eine Konvergenz-Enquete von Bund und Ländern. Dass hier etwas an der Grundstruktur falsch ist, hatte ich Ihnen bereits zu erklären versucht. Ich glaube, dass wir in der Analyse auch nicht weit voneinander entfernt sind. Was ich jetzt aber anmahne – das ist der Sinn meiner Rede vor diesem Hause –, ist, dass wir gemeinsam, Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen, Bund und Länder, erkennen, dass es hier einen wirklich dramatischen Rückstand, grundlegende Probleme und einen Reformstau gibt und wir deshalb tätig werden müssen. Deswegen verstehe ich nicht – dabei schaue ich alle Fraktionen dieses Hauses an –, dass wir uns nicht auf eine Konvergenz-Enquete einigen konnten. Diese hätte Bund und Länder in die Lage versetzt, die Dinge gemeinsam anzupacken. (Beifall bei der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, ich sehe es als einen kleinen Schritt in die richtige Richtung an, wenn wir jetzt in diesem Haus einen Unterausschuss "Neue Medien" bilden werden. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem noch nicht genug. Nachdem Ihnen der Mut zu einer Konvergenz-Enquete abgegangen ist, werden Sie, Herr Mosdorf, hoffentlich das jüngste Gutachten des wissenschaftlichen Beirates bei Ihrem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie als wertvolle und zielführende Anregung lebhaft begrüßen. In diesem Gutachten weisen die renommierten Wissenschaftler überzeugend nach, dass ein Großteil der überkommenen Regulierungen und Instanzen ersatzlos entfallen könnte, wenn man Wettbewerbs- und Fusionskontrollen als Gewähr für eine freie und durch Meinungsvielfalt geprägte Ordnung anerkennen würde, wie es im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht bei der Presse bereits getan hat. Hunderte von Kontrolleuren bei den Landesmedienanstalten und anderen Behörden ließen sich durch wenige Wettbewerbshüter beim Kartellamt ersetzen.

Völlig zu Recht kritisiert der wissenschaftliche Beirat die Expansionsstrategie und Vormachtstellung der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu Lasten eines funktionierenden Wettbewerbs. Völlig zu Recht schlägt der wissenschaftliche Beirat vor, die Finanzierung von ARD und ZDF durch Werbung zu beenden. Völlig zu Recht fordert der wissenschaftliche Beirat, dass die historische Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes für den Rundfunk der technischen Entwicklung anzupassen ist. Herr Mosdorf, Bund und Länder sollten gemeinsam vorgehen. Es wird möglicherweise sogar zu verfassungsrechtlichen Anpassungen kommen. Meine Rede richtet sich nicht nur an zwei Fraktionen dieses Hauses, sondern an wesentlich mehr. Meine Damen und Herren, dieses wegweisende Gutachten stammt nicht etwa aus der Giftküche der F.D.P., nein, es kommt von einem Beraterkreis Ihrer Bundesregierung. Loben wir also den Herrn Bundesminister Dr. Müller, sagen wir ihm, dass er einen hoch qualifizierten Beirat hat, dessen Empfehlungen unsere volle Unterstützung und vor allem unsere Umsetzungen verdienen. (Beifall des Abg. Walter Hirche [F.D.P.] – Walter Hirche [F.D.P.]: Jetzt fehlt der Beifall von Mosdorf!) Bund und Länder, alle Fraktionen dieses Hauses tragen gemeinsam Verantwortung. Schaffen wir endlich eine offene Medienordnung für Deutschland! Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Angela Marquardt.

Angela Marquardt (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat ein Aktionsprogramm zur Informationsgesellschaft vorgelegt und auch die CDU hat mit ihrer Großen Anfrage gezeigt, dass sie dem Thema "Neue Medien" eine große Rolle beimisst. Ich denke, sie tut das mit Recht; denn die rasante Entwicklung im Bereich der elektronischen Medien hat unsere Gesellschaft verändert und wird das auch weiterhin tun. Zurzeit wird jedoch das Tempo allein von der Wirtschaft bestimmt. Die politische sowie die juristische Begleitung dieses Prozesses kann da kaum Schritt halten. Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Veränderungen auf den Arbeitsmarkt sind nur wenig bekannt. Verschiedene Studien kommen zu völlig verschiedenen Ergebnissen. Die ausnahmslos positive Sicht, die in diesem Aktionsprogramm der Bundesregierung zum Ausdruck kommt, kann in ihrer Undifferenziertheit meines Erachtens nur als bewusste Täuschung der Öffentlichkeit bezeichnet werden. Es ist nicht zu leugnen, dass durch die neuen Technologien Arbeitsplätze besonders für qualifizierte Kräfte entstehen. Gleichfalls ist klar – Herr Mosdorf betont das immer wieder –, dass die meisten Chancen auf neue Stellen dort gegeben sind, wo besonders innovativ geforscht und produziert wird. Dennoch führt die technologische Entwicklung letztlich zu Rationalisierungen in allen Bereichen und damit netto zum Arbeitsplatzabbau. Im Technologiebereich ist die Entwicklung eben ambivalent.

Eine Studie der Zeitschrift "Capital" kam zu dem Ergebnis, dass durch die zunehmende Vernetzung zwischen den Unternehmen in den nächsten zwei Jahren 100.000 Jobs verloren gehen. Trotz hoher Zuwachsraten bei den Umsätzen ist die Zahl der Beschäftigen bei den deutschen Herstellern von Elektronik und Informationstechnik rückläufig. Das hat eine Studie des BMBF – "Dienstleistungen als Chance" – zutage gebracht. Es muss in meinen Augen aufhören, dass den Bürgerinnen und Bürgern die IuK-Branche als Wunder bringende Jobmaschine verkauft wird. Das ist einfach nicht wahr. (Beifall bei der PDS – Walter Hirche [F.D.P.]: Erst mal müssen wir die 80 000 fehlenden Stellen besetzen!) – Ich komme dazu. Ein weiteres Problem sehe ich – auch das wurde hier schon angesprochen – im Bildungsbereich. Die schlechte Ausbildungssituation führt dazu, dass viele qualifizierte Stellen unbesetzt bleiben. Auf die neuen Anforderungen sind weder Schulen noch Universitäten – ich bin zurzeit selber in einer Universität – und Betriebe wirklich vorbereitet. Währenddessen setzt die Bundesregierung ausschließlich auf Privatisierung. Hier kündigt sich der langsame Rückzug des Staates aus der Bildung an. Sie kündigen großspurig die Ausstattung von Schulen mit Computern an, überlassen die Umsetzung aber zum Teil der Wirtschaft. Eine Schule, die für Sponsoren nicht interessant genug ist, hat also Pech gehabt. Es gibt kein interessenfreies Sponsoring; das wissen Sie genauso gut wie ich. Eine Zukunft hat nur, wer da mitziehen kann. Die Gesellschaft droht immer mehr – das haben Sie auch schon gesagt, Kollege Tauss – in User und Loser zu zerfallen. (Beifall bei der PDS)

Richtig finde ich die Einstellung der Bundesregierung zur Kryptographie, also der Datenverschlüsselung. Hier hat sich – auch auf Druck der Wirtschaft; das muss man sagen – die Vernunft durchgesetzt. Allerdings fehlt nach wie vor eine klare Absage an so genannte Key-Reco-very-Maßnahmen, deren Einsatz Sie sich vorbehalten haben. Die Sicherung des Datenschutzes ist eine der ganz großen Herausforderungen der nächsten Jahre. Jede Verharmlosung der Risiken muss verhindert werden. In der Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU schreibt die Bundesregierung, das Vertrauen aller Beteiligten in die Sicherheit der technischen Systeme sei die wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung der Informationsgesellschaft. Nein, Kolleginnen und Kollegen, Vertrauen ist in diesem Fall genau die falsche Tugend. Sensibilisierung für die datenschutzrechtlichen Gefahren verlangt einen kritischen und skeptischen Umgang mit den neuen Medien. (Beifall bei der PDS) Es darf kein Vertrauen in Systeme geben, ohne dass sie tatsächlich sicher sind. Weil es in diesem Zusammenhang auch immer um den Jugendschutz geht, lassen Sie mich dazu Folgendes sagen: Ich denke, hier muss zunächst eine grundsätzliche Diskussion darüber geführt werden, wovor Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene – mit welchen Mitteln geschützt werden müssen. Eines steht für mich jedenfalls fest: Filtersoftware, wie sie immer wieder propagiert wird, führt letztlich zu einer umfassenden Zensur im Netz. Gerade bei Internetzugängen an Schulen oder in öffentlichen Einrichtungen können mit solchen Filterprogrammen die Bewegungsräume im Netz wesentlich eingeschränkt werden. Und wer maßt sich eigentlich an, zu beurteilen, wer was sehen darf und wer was nicht sehen darf? (Beifall bei der PDS)

Auch die viel gepriesene freiwillige Selbstkontrolle ist in meinen Augen keine Lösung. Nehmen wir als Beispiel nur die Selbstverpflichtungserklärung des Vereins "Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia e. V.", dem auch die Telekom und Microsoft angehören. Dort wendet man sich gegen Inhalte, die zur sittlichen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen geeignet sind oder leidende Menschen in ihrer Würde verletzen. Die Verbreitung von rassistischer Propaganda ist jedoch explizit nicht aufgenommen worden. Hieran sieht man ganz deutlich den willkürlichen Charakter solcher Maßnahmen. Was wir brauchen, ist eine Debatte über Inhalte. Zensur muss – das ist eine Aufgabe der Demokratie – überflüssig gemacht werden. (Beifall bei der PDS) Darum ist eine Diskussion um neue Methoden der Zensur, so denke ich, wenig zweckdienlich. Ich bin auch immer wieder verwundert, mit welchem Ehrgeiz das Thema Jugendschutz im Zusammenhang mit neuen Medien diskutiert wird. Jedoch geht die Gefahr nicht vom Internet aus, sondern von einzelnen Menschen oder gesellschaftlichen Gruppen, die das Internet als ein weiteres Mittel für ihre Gewalt verherrlichenden, rassistischen oder sexistischen Publikationen nutzen. Nicht gegen das Internet, sondern gegen sie sollte sich unser Engagement richten. (Beifall bei der PDS)

Ich komme jetzt noch zur Medienordnung und zu dem Antrag der F.D.P. Die zunehmende Konvergenz der Technologien ist unbestreitbar, ebenso, dass dies eine neue Form der Regulierung im Medienbereich notwendig macht. Allerdings bedeutet dies, neue Regulierungsinstrumente zu schaffen, und nicht – wie es die F.D.P. wünscht –, jede medienspezifische Regulierung abzuschaffen. Wenn es nach Ihnen ginge, dann würden allein die Marktgesetze über die Medienordnung bestimmen. Ihr Parteifreund Martin Bangemann hat das ja schon 1994 deutlich gemacht – ich zitiere –: Die Schaffung der Informationsgesellschaft in Europa sollte dem Privatsektor und den Marktkräften überlassen werden. (Hubertus Heil [SPD]: Der hat sich selbst privatisiert!) Genau in diese Kerbe stößt auch das in Ihrem Antrag so hoch gepriesene Gutachten "Offene Medienordnung". Es handelt sich dabei um ein Plädoyer für die völlige Deregulierung des privaten Rundfunks und um einen Frontalangriff auf die öffentlich-rechtlichen Anbieter.Jener wissenschaftliche Beirat, der dieses Gutachten gemacht hat, stellt das System des dualen Rundfunks grundsätzlich infrage und verkennt, dass dieses System nicht ein Zufall der Geschichte, sondern politisch und gesellschaftlich gewollt gewesen und auch heute noch gewollt ist. Rundfunk ist nicht einfach nur ein Marktsegment, sondern erfüllt eine gemeinwohlorientierte Aufgabe als Kultur- und Informationsvermittler.

Rundfunk ist ein fester Bestandteil der Demokratie. Schon eher kann ich dem Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes in Sachen Medienordnung zustimmen. Die Dreiteilung der Angebote in Teledienste, Mediendienste und Rundfunk kann nur eine Interimslösung sein. Angesichts der sich ständig wandelnden Medienlandschaft ist zurzeit nur ein entwicklungsoffener Weg denkbar. Die von Bund und Ländern gemeinsam entwickelte Struktur aus Mediendienste-Staatsvertrag, Telekommunikationsgesetz und Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Dennoch weist sie eindeutig in eine andere Richtung als die Vorstellung der Deregulierungslobby. Das ist in meinen Augen gut so. Auch wird diese Regelung eher dem föderalen Charakter unseres Mediensystems gerecht, obwohl das angesichts der Konvergenzprozesse tatsächlich immer schwieriger wird. Eine Debatte um künftige Regulierungsmodelle lässt sich jedenfalls nicht dadurch ersetzen, dass man einfach unter dem Vorwand der nationalen Wettbewerbsfähigkeit alles Bestehende über den Haufen wirft. Eine Enquete-Kommission, wie die F.D.P. sie anstrebt, hätte vielleicht unsere Unterstützung gefunden, wenn nicht so leicht durchschaubar wäre, welchen Zweck Sie damit verfolgen. An der Abwicklung des dualen Rundfunksystems wird sich die PDS jedenfalls nicht beteiligen. (Beifall bei der PDS)

Zum Schluss noch ein Satz zu dem SPD/Grünen-Antrag zu "Strategie für eine Nachhaltige Informationstechnik". Das Roadmapping-Verfahren, welches Sie vorschlagen, ergibt insofern einen Sinn, als dass die IuK-Branche natürlich am besten die Entwicklung in ihrem Bereich einschätzen kann. Die Frage ist nur: Was soll dabei herauskommen? Können Sie sich ernsthaft vorstellen, dass die Wirtschaft selbst Standards für eine nachhaltige Entwicklung formuliert, wenn das ihren Profit beeinträchtigt? (Jörg Tauss [SPD]: Sie haben daran ein Interesse!) Man sollte so ein Verfahren ausprobieren. Auch das findet wirklich meine Zustimmung. Aber wenn die praktischen Ergebnisse zu gering sind – davon gehe ich aus –, wird letztlich doch der Gesetzgeber aktiv werden müssen. (Walter Hirche [F.D.P.]: Sie wollen dem Staat eine Rolle geben wie der katholischen Kirche im Mittelalter!) Man kommt nicht darum herum, doch Druck auszuüben, damit auch dort Nachhaltigkeit Einzug findet. (Jörg Tauss [SPD]: Schauen wir mal!) Danke. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD – Walter Hirche [F.D.P.]: Jetzt hört sie nachhaltig auf!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir unterbrechen jetzt, wie gesagt, die Sitzung für eine Stunde. Um 15 Uhr werden dann die Sitzung und die Debatte fortgesetzt. (Unterbrechung der Sitzung von 14.02 bis 15.02 Uhr)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die unterbrochene Sitzung mit der Beratung zum Tagesordnungspunkt 4 – neue Medien und Gestaltung der Informationsgesellschaft – fort. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen.

Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt uns heute angesichts der Tatsache, dass Politik im Rahmen einer elektronischen Mediendemokratie betrieben wird, und angesichts des Überangebots an Informationen, das manchmal vielleicht aus aktuellen Gründen produziert wird, nicht immer leicht, zu beherzigen, dass wir als Politiker auch in Zeiten wie diesen Verantwortung haben, Informationen auszuwählen und die Themen in den Vordergrund zu rücken, deren Erörterung der Sicherung der Zukunft unseres Landes dient. Deshalb reden wir heute zu Recht über den Wandel der Industriegesellschaft zur Informations-, Bildungs- und Wissensgesellschaft sowie über die damit verbundenen Chancen und Risiken, die sicherlich bestehen. Aber es ist Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, sondern dass die Bundesregierung und die Regierungskoalition mit neuem Tempo und mit neuer Zielgenauigkeit einen aktiven Beitrag zur Gestaltung des Wandels zur Informations- und Bildungsgesellschaft leisten. (Beifall bei der SPD)

In den Industrieländern lebt heute schon jeder zweite Erwerbstätige von Tätigkeiten, deren Grundlage überwiegend Daten und Informationen sind. Wir müssen uns darauf einstellen, dass schon bald 80 Prozent aller menschlichen Tätigkeiten auf der Sammlung, auf dem Umgang und auf der Verwertung von Informationen sowie auf der Anwendung von Wissen beruhen werden. Damit ist klar, dass die Informationswirtschaft eine der zukunftsträchtigsten Branchen für Wachstum und Beschäftigung gerade in Deutschland darstellt und dass wir als Politikerinnen und Politiker in besonderer Weise auch Verantwortung dafür tragen, die Chancen entschlossen zu nutzen, die damit verbunden sind. Nach der mutigen Rede des Kollegen Mayer möchte ich deutlich sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der CDU/CSU, die Begrifflichkeit bezüglich Wissensgesellschaft und Globalisierung haben Sie in den letzten Jahren durchaus eingeübt. Aber die Frage ist, was die alte Koalition insgesamt dafür getan hat, ihre Verantwortung für die Sicherung der Zukunft der IuK-Branche wahrzunehmen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

Herr Mayer, wenn bis zur Regierungsübernahme durch uns im Bundeskanzleramt das Prinzip "Rohrpost statt Intranet" galt, wenn die Rohrpost offenkundig das wichtigste Kommunikationsnetz im Kanzleramt war und wenn etwa der Einsatz von E-Mail unbekannt war, dann verrät dies sehr viel darüber – das ist kein Wunder –, wie groß der Modernisierungsrückstand der alten Koalition etwa im Vergleich zu der Staatskanzlei in München war. Das muss man deutlich sagen. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Befassen Sie sich mit der Zukunft, nicht mit der Vergangenheit! Da können Sie etwas lernen von der Staatskanzlei!) – Nein, Sie als Bundespolitiker hätten etwas davon lernen können und hätten sich mit glänzenden Augen überlegen müssen, welchen Nachholbedarf Sie damals in Bonn und heute in Berlin hatten. Die Informationswirtschaft droht bei uns an die Grenzen ihres Wachstums zu stoßen, weil sie unter einem dramatischen Mangel an qualifizierten Fachkräften leidet. Nach jüngsten Schätzungen fehlen uns mindestens 75.000, vielleicht auch 100.000 IuK-Fachkräfte, weil die alte Bundesregierung nicht vorgesorgt hat, vor allem weil sie nicht in der Lage war, ein Konzept der Förderung der Informationstechnologien einzubinden in ein Konzept der Gestaltung der Informationsgesellschaft, mit dem Forschungsförderung mit besonderen Anstrengungen bei Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung strategisch verknüpft war.

Es war richtig, dass die neue Bundesregierung gleich nach der Regierungsübernahme dieses Problem angepackt hat. Ich füge hinzu: Wir haben mit der gemeinsamen Federführung von Wirtschaftsministerium und Ministerium für Bildung und Forschung ein Zeichen dafür gesetzt, dass eine technologische Entwicklung, die alle Bereiche unserer Gesellschaft erfasst, auch als Querschnittsaufgabe in der Politik, das heißt ressortübergreifend, angenommen und aufgenommen werden muss. Das Ministerium für Bildung und Forschung hat im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit gemeinsam mit den Sozialpartnern und den Bundesländern eine Reihe von Maßnahmen vereinbart, mit denen der Fachkräftemangel reduziert und die Qualifikationsstrukturen auf allen Ebenen verbessert werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir haben damit eine gute Chance, nicht nur die gegenwärtigen Lücken schnell zu schließen; vielmehr wollen wir damit auch dazu beitragen, dass junge Menschen qualifizierte und zukunftssichere Arbeitsplätze finden. Wir haben beispielsweise im Juli in dieser Arbeitsgruppe und ebenso im Wirtschaftsministerium vereinbart, dass die Anzahl der Ausbildungsplätze im IT-Bereich bis zum Jahr 2003 verdreifacht wird. Es ist sehr gut, dass die Dynamik, die in diesem Bereich gerade im letzten Jahr sehr stark zugenommen hat, uns schon heute die Aussage möglich macht: Wir sind optimistisch, dass wir die Vereinbarungen vom Sommer letzten Jahres, was den Zeitablauf angeht, sehr viel schneller erfüllen können, als es noch im Sommer unsere Hoffnung war. Das ist ein gutes Zeichen und es zeigt, dass etwa durch die Initiative D 21 eine breite Mobilisierung aller Verantwortlichen zum Abbau des IT-Fachkräftemangels im Gange ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Angesichts aller ermutigenden Entwicklungen des letzten Jahres möchte ich Ihnen, Kollege Mayer, Folgendes sagen: Wenn Sie wie ich seit fünf oder sechs Jahren Internet-Nutzer wären und den Markt aufmerksam verfolgten, dann wüssten Sie zum Beispiel, dass man solche Gesamtangebote im Bereich Internet – Tarife von 100 DM im Monat – auf dem deutschen Markt schon findet. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Sie sind falsch informiert! Das ist unglaublich! Mannesmann bietet es für 150 Mark an!) Vielleicht haben auch Sie es schon einmal festgestellt. Man muss deutlich feststellen, dass bei der Verbreitung und der Nutzung des Internets und moderner multimedialer Anwendungen andere Länder die Nase noch vorn haben. Wir müssen vor allem feststellen, dass in unseren Bildungseinrichtungen die Möglichkeiten von Internet und Multimedia sehr viel stärker genutzt werden müssen. Es ist klar, dass beispielsweise amerikanische Hochschulen in der Multimedia-Anwendung durch Gesamtkonzepte für Hochschulen der deutschen Entwicklung um Jahre voraus sind und dass sie vor allem schon seit längerem auch über das Internet ihre Bildungsangebote weltweit vermarkten. Das ist eine Messlatte für die Entwicklung, die auch unser Hochschulsystem in diesem Bereich nehmen muss. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Und Sie wollen das erst in fünf Jahren erreichen!)

Diese Defizite sind auch ein Ergebnis dessen, dass die Vorgänger im Amt des Bundesministers für Bildung und Forschung die Ausgaben auf diesem Gebiet jahrelang heruntergefahren haben. Eine Politik, die Feuerwehr spielt, wenn es brennt, ist manchmal nötig; aber alleine ist sie nicht wünschenswert. Wir brauchen vielmehr eine Politik, die den Wandel von der Industriegesellschaft zur Wissenschaftsgesellschaft vorausschauend und aktiv gestaltet. Unter unserer Verantwortung geht es um weitere Grundlagenforschung, um die Entwicklung neuartiger Anwendungen und um deren umfassende Nutzung. Es geht aber auch um die Verklammerung der Förderung von technischen Entwicklungen mit Fragen der Qualifizierung und Bildung; denn die Fähigkeiten und die Fertigkeiten der Menschen sind der entscheidende Faktor dafür, ob aus elektronisch gespeicherten Daten verwertbare Informationen und vor allem Wissen werden. Deshalb brauchen wir eine Gesamtstrategie. Im Aktionsprogramm "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" setzen wir uns politische Ziele und laden alle Verantwortlichen, alle Akteure ein, an der Realisierung dieser Ziele mitzuarbeiten. (Beifall der Abg. Margareta Wolf [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Damit gibt es erstmals ein umfassendes Gesamtkonzept für den Weg in die Informationsgesellschaft.

Ich will aus dem Bereich des BMBF einige Bausteine dazu vortragen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass schon im nächsten Jahr bei uns alle Schulen, beruflichen Ausbildungsstätten und Weiterbildungseinrichtungen mit multimedia-fähigen PCs und Internetanschlüssen ausgestattet sind. An unseren Hochschulen werden wir den Einsatz der neuen Medien mit einem speziellen Förderprogramm "Multimedia an den Hochschulen", das in Absprache mit den Ländern vorbereitet wird, unterstützen. Wir müssen auch aufmerksam verfolgen, was sich beim Umgang mit Wissen wie etwa Fachinformationen tut. Wir müssen rechtzeitig Visionen entwickeln, wie etwa im Zeitalter von Multimedia die Bibliothek der Zukunft aussehen könnte, konkrete Wege zur Weiterentwicklung etwa von Fachinformationssystemen aufzeigen und uns vor allem auch überlegen, wie wir weiterhin den Zugang gerade von öffentlichen Einrichtungen zu diesen Informationen kostengünstig sichern können. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Die Informationsgesellschaft ist eine Bildungsgesellschaft. Wenn wir den vor uns liegenden Strukturwandel sozialverantwortlich meistern wollen, dann müssen wir Sorge dafür tragen, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben, in diese Gesellschaft integriert zu werden. Das ist die Aufgabe aller Einrichtungen des Bildungssystems, auch schon der Grundschulen. Von entscheidender Bedeutung sind dafür neue medienpädagogische Konzepte und der Einsatz von Bildungssoftware mit hoher fachlicher und didaktischer Qualität. Deshalb wird unser Haus spezielle Anstrengungen unternehmen, um die Entwicklung und den Einsatz von Bildungssoftware zu fördern. Wir wollen durch ein neues Förderprogramm neue Impulse auch zur Qualitätsverbesserung von Bildungssoftware in Deutschland geben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es geht aber nicht nur um das technische Verständnis der Nutzung von Hard- und Software, es geht vor allen Dingen um die Fähigkeit, mit Informationen kompetent umzugehen. Ich denke, dass über diesen Punkt hier im Hause Einigkeit besteht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Medienkompetenz muss deshalb zu einem zentralen Bildungsinhalt werden, um allen die Chance zu geben, aus der immer größer werdenden Informationsflut das für sie relevante Wissen zu gewinnen. Chancengleichheit im Multimediazeitalter muss dadurch realisiert werden, dass wir nicht nur Zugang zum Wissen, sondern auch noch Qualifikationen vermitteln, damit jeder aus den Informationen das für seine Entwicklung wichtige und relevante Wissen gewinnen kann. Es macht Sinn, dass wir in unserem Hause Forschungsanstrengungen etwa zur Weiterentwicklung von Suchmaschinen unternehmen, um eine benutzerfreundliche Suche nach für einen selbst relevanten Informationen zu ermöglichen. Neue Technologien zur Suche nach relevantem Wissen sind auch ein Beitrag dazu, um genau diesen gesellschaftspolitischen Auftrag zu erfüllen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir dafür sorgen, dass wir bei den technologischen Grundlagen der Informations- und Bildungsgesellschaft nicht an Boden verlieren, sondern unsere Position sichern und weiter ausbauen. Wir werden auch weiterhin unseren Beitrag zum Erhalt einer bei der Entwicklung und dem Bau wichtiger Schlüsselkomponenten wettbewerbsfähigen informationstechnischen Industrie am Standort Deutschland leisten. Dabei können wir die Anregung der Koalitionsfraktionen aufgreifen, mit einer Strategie der nachhaltigen Informationstechnik in Zusammenarbeit mit der informationstechnischen Industrie und anderen dafür zu sorgen, das Potenzial, das die Informations- und Kommunikationstechnik für eine nachhaltige Entwicklung unserer Industriegesellschaft insgesamt bereithält, stärker zu nutzen.

Ein zentraler Punkt ist für uns dabei auch die Entwicklung der nächsten Internet-Generation. Wir wollen sicherstellen, dass bis zum Jahr 2005 mobile Kommunikationssysteme mit Zugriffsmöglichkeiten auf multimediale Dienste zu jeder Zeit und an jedem Ort zur Verfügung stehen. Der drahtlose breitbandige Internetzugang wird bei uns schon im Jahr 2002 möglich sein. Wir brauchen natürlich insgesamt eine moderne und leistungsfähige Forschungslandschaft, wenn wir die Chancen der Informationsgesellschaft nutzen wollen. Die Zusammenführung der Großforschungseinrichtungen Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung und Fraunhofer-Gesellschaft ist eine wichtige forschungspolitische Weichenstellung, denn wir schaffen damit die größte Forschungsorganisation in der Informations- und Kommunikationstechnik mit über 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Europa. Damit erreichen wir eine neue Qualität und eine neue kritische Masse, durch die sichergestellt wird, dass auch weiterhin Forschungsanstrengungen zur Weiterentwicklung von Techniken und Dienstleistungen für Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger am Standort Deutschland unternommen werden können.

Meine Damen und Herren, mit dem Aktionsprogramm "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" haben wir ein Angebot zur Kooperation mit Wissenschaft, Gewerkschaften und Industrie begonnen. Wir wollen diese Diskussion fortsetzen und werden sie bei der Verwirklichung der von uns vorgestellten Aktionsfelder auch verstärken. Das heißt, dieses Aktionsprogramm ist die Grundlage für weitere Verabredungen und für gemeinsame Maßnahmen. Es ist ein Angebot an die gesellschaftlichen Gruppen, die Informations- und Bildungsgesellschaft aktiv mitzugestalten. Die Gestaltung der Informationsgesellschaft ist Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen. Der Staat hat hier die Aufgabe, aktive Beiträge zu leisten, aber auch neue Vernetzungen der Akteure zu ermöglichen, Kräfte zu bündeln und insoweit eine lebenswerte Gesellschaft zu verwirklichen. Danke schön. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Bernd Neumann.

Bernd Neumann (Bremen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn fünf Tagesordnungspunkte miteinander verbunden sind, besteht die Schwierigkeit darin, dass man möglicherweise thematisch aneinander vorbeiredet, wenn man sich auf einen Tagesordnungspunkt konzentriert. Kollege Catenhusen hat eben zur nachhaltigen Informationstechnik gesprochen. Ich möchte mich auf den F.D.P.-Antrag "Offene Medienordnung für Deutschland verwirklichen" konzentrieren, der sich fast ausschließlich mit der Frage der Zukunft des Rundfunksystems befasst. (Jörg Tauss [SPD]: Das ist aber ein ganz kurzer Antrag! – Gegenruf des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Übersichtlich!) Dass alles miteinander zusammenhängt, ist richtig; aber ich setze hier den Schwerpunkt meiner Ausführungen. Ein Beirat des Wirtschaftsministeriums, bestehend aus dreißig hochkarätigen Ökonomen, hat, wie bereits gesagt, zur zukünftigen Medienordnung in Deutschland Stellung genommen. Die F.D.P. beantragt nun, die Aussagen dieses Gutachtens sozusagen eins zu eins umzusetzen. Natürlich ist es zu begrüßen, dass wir uns mit dieser Thematik befassen – dies ist sogar zwingend –; denn auch für den Rundfunk, ob privat oder öffentlich-rechtlich, haben Stichworte wie Digitalität und Konvergenz ungeheure Folgen. Insofern ist dieses Gutachten eine gute Grundlage. Viele Aussagen teilen wir, manche – im Gegensatz zur F.D.P. – nicht. (Jörg Tauss [SPD]: Ja, dem können wir zustimmen!)

Meine Damen und Herren, ich möchte sieben Punkte aus diesem Gutachten herausgreifen: Erstens. Eine wichtige Aussage dieses Gutachtens ist, dass die Rundfunkordnung in Deutschland für Hörfunk und Fernsehen überholt und untauglich sei und daher ein radikaler Umbau erfolgen müsse. Diese Position teilen wir nicht. Das duale System, also das Nebeneinander von privatem und öffentlich- rechtlichem Rundfunk, für das wir die Grundlagen gelegt und geworben haben, ist vom Prinzip her positiv zu sehen. In Deutschland insgesamt haben wir ein vielfältiges, differenziertes Angebot von Hörfunk und Fernsehen. Hinsichtlich der Informationsbreite kann man sogar sagen, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern in der Spitzengruppe liegen. Natürlich stellt sich die Frage, Herr Otto, wie wir die Schnittstellen zu anderen Bereichen der Medien im Rahmen von Multimedia regeln. Insofern ist Ihre Forderung richtig, hierfür eine Enquete-Kommission mit dem Thema Konvergenz einzusetzen. Auch sind immer wieder Anpassung und Deregulierung insbesondere für den privaten Bereich des Rundfunks richtig und wichtig. Dies geschieht ja durch dauernde Veränderungen des Rundfunkstaatsvertrages, wenn auch manchmal sehr schleppend. Aber dies alles rechtfertigt nun nicht einen radikalen Umbau dieses öffentlich-rechtlichen Systems in Verbindung mit den Privaten. Im Übrigen besteht auch keinerlei Chance zur Realisierung; darauf komme ich gleich.

Zweitens. Die nächste Forderung lautet, aufgrund der wachsenden Kompetenz des europäischen Wirtschaftsrechtes müsse man den Rundfunk in die wirtschaftsrechtliche Ordnung des Bundes integrieren. Anders ausgedrückt: Den Ländern soll hierfür die Zuständigkeit genommen werden und der Bund soll die alleinige Zuständigkeit haben. Natürlich wäre es im wirtschaftlichen Wettbewerb manchmal hilfreich, sofort mit einer Sprache sprechen zu können. Bloß: Diese Forderung ist bar jeder Realisierungschance, egal in welche politische Richtung Sie sehen. Die Zuständigkeit für den Rundfunk liegt bei den Ländern. Alle Länder wollen das einvernehmlich – aus ihrer Sicht verständlicherweise – nicht ändern. Ich füge hinzu, Herr Kollege Otto: Vielleicht ist dies auch gut so; denn der Föderalismus im Rundfunkbereich hat aufgrund des Wettbewerbs durchaus für Vielfalt im Angebot für den Zuschauer gesorgt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Weil es eben unterschiedliche Ebenen gibt, müssen wir uns die Mühe machen, zwischen Bund und Ländern die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten auszutarieren. Herr Kollege Catenhusen, der alten Bundesregierung und der alten Koalition ist es im Hinblick auf den Multimedia-Bereich mit der Schaffung des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes einerseits, welches die Zuständigkeit des Bundes betrifft, und dem parallel dazu verabschiedeten Mediendienste-Staatsvertrag andererseits gelungen, einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der immer wieder überprüft werden muss. Die Anzahl der verschiedenen Gremien ist zwar sehr groß. Aber wir haben einen Ordnungsrahmen geschaffen, der notwendig war, um für Investoren eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten, und um den uns andere vergleichbare Industrienationen zumindest in einigen Teilen beneiden.

Drittens. Es wird gefordert, dass für den Erhalt der Meinungsvielfalt im Medienangebot keine medienrechtliche Regulierung mehr erforderlich sei. Wir sollen vielmehr alles, auch den privaten Rundfunk, ausschließlich von der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs abhängig machen. Das bedeutet, dass im Hinblick auf die privaten Rundfunkmedien wie für alle anderen Wirtschaftszweige nur die Missbrauchsaufsicht und die Fusionskontrolle des Kartellrechts angewendet werden sollen. Es ist völlig unstrittig, dass einige Medienprobleme bereits mit einer konsequenten Anwendung des Kartellrechts gelöst werden können. Richtig ist auch, dass im Rundfunkbereich eine Reihe von Sektoren überreguliert ist und dass man dem Markt mehr Einfluss überlassen lassen kann als bisher. Aber Markt und Wettbewerb allein sind als Bezugsgrößen nicht ausreichend, um hinsichtlich der Qualität und Quantität des Rundfunks, also der Entwicklung hin zu sehens- und hörenswerten Programmen, einen angemessenen Rahmen zu bilden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS) Rundfunk ist mehr – ich spreche jetzt nicht von Multimedia; ich spreche vom privaten und vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk – als nur normales Wirtschaftsgut und mehr als pure Ware, ganz abgesehen davon, dass es für diesen Bereich eine verbindliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt. Wenn ich sehe, wie in manchen Talkshows bereits am Nachmittag zum Teil Menschen verachtende, menschenfeindliche und zum Teil auch von Rohheit und Gewalt geprägte Beiträge vermehrt gezeigt werden – im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber auch und insbesondere im privaten Bereich –, (Jörg Tauss [SPD]: Vor allem!) dann wird für mich daran deutlich, dass Rundfunk und Fernsehen doch noch andere Kriterien erfüllen müssen als nur die des Kartellrechts wie beim Verkauf von Textilien und Zahnpasta. Es gibt noch andere Kriterien, nämlich die des Pluralismus, der Menschenwürde und des Jugendschutzes. Das ist eben mehr als nur Kartellrecht. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Herr Kollege Neumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto?

Bernd Neumann (Bremen) (CDU/CSU): Das wird mir nicht von der Redezeit abgezogen?

Vizepräsident Rudolf Seiters: Nein. (Jörg Tauss [SPD]: Sie sind nicht mehr an der Regierung! Da ist die Zeit uns abgezogen worden!)

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Herr Kollege Neumann, Sie haben die Vorschläge des Beirates abgelehnt.

Bernd Neumann (Bremen) (CDU/CSU): Nicht so voreilig. Ich komme noch zur Zustimmung.

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Insbesondere die Zuständigkeit des Kartellamtes, die notwendig ist, um einen funktionierenden Wettbewerb in diesem Bereich zu ermöglichen, haben Sie sehr skeptisch gesehen. Ihre Begründung war, es handele sich beim Rundfunk nicht um ein normales Wirtschaftsgut wie Zahnpasta oder andere Güter. Das war Ihre These. Meine Frage ist: Sind Sie denn wirklich der Auffassung, dass beispielsweise unser sehr vielfältiges und qualitätsvolles Angebot an Printmedien ein Wirtschaftsgut wie zum Beispiel Zahnpasta ist? Wie rechtfertigen Sie in einer veränderten Medienlandschaft die Tatsache, dass wir für Rundfunk etwas völlig anderes vorsehen als für die Printmedien Zeitungen und Zeitschriften? Eine weitere Frage: Warum gilt für Online- Zeitungen etwas völlig anderes als für die gedruckten Zeitungen? Meines Erachtens passt das vorne und hinten nicht zusammen. Ist es wirklich weiterführend, wenn Sie sagen, dass Rundfunk kein Wirtschaftsgut wie Zahnpasta sei? Der Wettbewerb gilt auch für andere Wirtschaftsgüter als Zahnpasta.

Bernd Neumann (Bremen) (CDU/CSU): Herr Kollege Otto, ich kenne das Argument mit den Printmedien. Das ist so nicht vergleichbar. Warum ist es nicht vergleichbar? Der gesamte Printmedienbereich, historisch gewachsen, befindet sich im normalen privatwirtschaftlichen Wettbewerb. Ich habe von einer Rundfunkordnung geredet, die bisher durch das duale System gekennzeichnet ist: auf der einen Seite der öffentlich-rechtliche Rundfunk und auf der anderen Seite der private Rundfunk. Will ich aber in Richtung Printmedien gehen, so bedeutet das zwangsläufig, dass ich zunehmend alles privatisiere und damit die eine Säule des dualen Systems, nämlich die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, am Ende liquidiere, und dies möchte ich nicht. Ich möchte im Prinzip das duale System erhalten. (Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Das möchte ich auch!) – Ich komme noch auf die Punkte, wo wir völlig einer Meinung sind. – Wenn ich dies möchte, dann muss es bestimmte Kriterien geben, die in etwa auch Wettbewerbschancengleichheit herbeiführen. Wenn Sie mich nun zu einem weiteren Punkt des Gutachtens kommen lassen. In diesem Gutachten heißt es: Der öffentliche Rundfunk soll reduziert werden, auf ganz bestimmte Aufgaben beschränkt werden, und er soll zum Teil privatisiert werden. – Hier ist ein Punkt, wo wir uns sehr nahe kommen und wahrscheinlich auch sehr nahe sind. Ich bin im Übrigen gegen eine Teilprivatisierung. Den Vorschlag, das ZDF zu privatisieren, halte ich für nicht angemessen, weil das die Ausgewogenheit in der einen Säule, nämlich der öffentlich-rechtlichen, verändern würde. (Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Ich teile Ihre Meinung!) Aber ich finde, wir müssen die Diskussion führen, inwieweit all das, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Quantität bietet, mit Grundversorgung zu tun hat. Dieser Diskussion muss man sich stellen. Hierzu sage ich, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich in den letzten Jahren ausgebreitet wie eine Krake. Eine Beschränkung auf eine kulturelle Nischenfunktion wäre allerdings auch nicht angemessen. Es ist richtig, dass zur Grundversorgung auch qualitative Angebote gehören, nicht nur in der Kultur, sondern auch im Bereich der Information, der Unterhaltung und auch des Sports. Aber eine permanente Ausdehnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so wie wir sie jetzt gehabt haben oder wie wir es jetzt sehen, mit dem Ergebnis, dass originäre Aufgaben wie Kulturangebote entweder liquidiert oder in späte Abendstunden verlegt werden, das kann nicht vernünftig sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, wir haben im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zwei nationale Volksprogramme, acht dritte Fernsehvollprogramme, zwei Spartenkanäle, zwei europäische Satellitenprogramme; wir haben jetzt zusätzlich den Bildungskanal Alpha, wir haben den Theaterkanal des ZDF. Wenn Sie in das neue KEF-Gutachten schauen, dann stellen Sie fest, dass die Sendeleistung von ARD und ZDF von 1992 bis 1997 um 65,8 Prozent, die Zahl der öffentlich-rechtlichen Programme im Hörfunkbereich von 46 auf 58 und die Sendeleistung im öffentlich-rechtlichen Hörfunkbereich um 30,4 Prozent gestiegen ist, und dies, während wir gleichzeitig ein sehr umfangreiches Angebot im privaten Bereich haben. Diese Expansion ist auch mit ein Grund für die aus meiner Sicht uns wahrscheinlich bevorstehende eklatante Gebührenerhöhung von über 10 Prozent. Deswegen sage ich: Diese Entwicklung muss der Bürger bezahlen. Dies alles darf nicht und kann nicht unter "Grundversorgung" eingeordnet werden. Wenn dies so weitergeht, gefährdet es das Gleichgewicht im dualen System. Deswegen sage ich: Hier müssen wir zu einer Änderung kommen. Diese Entwicklung müssen wir bremsen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Sehr richtig!) Ich füge hinzu, wir werden diese Entwicklung, nicht durch mehr Selbstregulierung der Anstalten selbst bremsen, sondern nur wenn wir den Mut haben, in der Politik im Rahmen eines so genannten Funktionsauftrages letztlich auch in Staatsverträgen zu beschreiben, was öffentlicher Rundfunk kann und nicht kann, im Sinne eines zukunftsträchtigen dualen Systems. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Sehr gut!) Eine weitere Forderung, die ich teile, ist: Keine Werbefinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil sie den Wettbewerb verfälscht! Wir treten dafür ein, mindestens mittelfristig private Programme durch Werbung, öffentlich-rechtliche durch Gebühren zu finanzieren. Nun ist mir klar, dass dies nicht sofort zu machen ist, aber man muss es schrittweise anstreben. Ein erster Schritt zu dieser Funktionsaufteilung wäre die Abschaffung des Sponsoring, die ja klar getarnte Werbung ist.

Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass ein Programm ohne Werbung, die in Spielfilmen für die meisten Zuschauer eher störend ist, sogar zu einem Markenartikel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden könnte. Damit würde gleichzeitig, wenn wir das erreichen, ein ordentliches Gleichgewicht zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern hergestellt. Lassen Sie mich in einem weiteren Punkt etwas zu den verschiedenen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren und den verschiedenen Gremien sagen – der Kollege Otto hat sie zu Recht angesproche – 15 Landesmedienanstalten, die KEK, die Regulierungsbehörde, das Kartellamt. Es gibt unterschiedliche Forderungen. Vonseiten der SPD wird, so von Herrn Mosdorf, gefordert, alle 15 Landesmedienanstalten zu einer zusammenzufassen. Herr Mosdorf weiß genau, dass das, wenn er es in den Ländern, in denen die SPD regiert, vortragen würde, nicht durchsetzbar ist. Wenn man am Anfang wäre, müsste man in der Tat die Überlegung anstellen, ob das nicht sinnvoll wäre. Ich befürchte, obwohl ich das in der Zielrichtung unterstütze, dass dies mit allen Ländern leider nicht zu machen ist. Für abwegig halte ich den Vorschlag, der auch aus den Reihen der SPD – von Herrn Clement und auch vom Bundestagspräsidenten Thierse – kommt, zu diesen Gremien zusätzlich einen Kommunikationsrat zu schaffen.

Meine Damen und Herren, das wird ein weiteres Gremium, eine weitere Bürokratie. Deshalb ist dies abzulehnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir sagen: Wenn eine Abschaffung nicht möglich ist – am ehesten könnte die KEK abgeschafft werden; ich will das nicht im Einzelnen erläutern, aber diese Aufgabe könnte man dem Kartellamt bzw. den Landesmedienanstalten übergeben –, dann müsste eine stärkere Differenzierung der Regulierungsinstanzen möglich sein. Wenn nicht fusioniert wird, dann sollte wenigstens koordiniert werden. Dass eine größere Koordination erfolgen muss, ist unstrittig. Lassen Sie mich zu einem Fazit kommen: Das heutige Ja zum dualen System der Medienordnung kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Die Veränderungen im Medienbereich über die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien zur Digitalität und zum Internet, Konvergenz von Fernsehen, Telefon mit Internet in einem einzigen Gerät, stellen uns natürlich – das ist auch Ihr Thema – vor eine herausragende Aufgabe. Wenn man jetzt die Fusionspläne von AOL, dem Online-Anbieter, und Time Warner, dem Medienkonzern, was auch ein Stück Konvergenz im wirtschaftlichen Bereich ist, sieht, wird deutlich, welche Herausforderung wir zu bewältigen haben. Aber, meine Damen und Herren, die Politik wird – ich sehe nicht, wie es anders gehen soll – den technologischen Entwicklungen immer ein Stück hinterherlaufen. Ich teile nicht alle markigen Sprüche des Staatsministers Naumann, der als Medienminister jetzt leider nicht mehr dabei ist. Mit einer Aussage hat er aber heute Recht: Wir können nicht Konsequenzen regulieren, ehe Erfindungen gemacht werden. Dies bedeutet, die Dinge erst einmal sich entwickeln zu lassen, um dann zu sehen, was an Ordnungsrahmen dringend nötig ist. Hier muss es heißen, den Ordnungsrahmen so schmal wie möglich und so großzügig wie möglich zu halten, damit sich wirklich etwas entwickeln kann. (Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Abschluss. Dieses Gutachten, welches wir heute auch zu diskutieren haben, leistet einen wichtigen Diskussionsbeitrag. Lieber Kollege Otto, eine Übernahme von 1 : 1, wie Sie das vorgetragen haben, kommt für uns nicht in Frage. Da der Wirtschaftsminister dieses Gutachten vorgestellt hat, da er einen Beirat dafür eingesetzt hat, der sich dieses Themas angenommen hat, reicht es nicht aus, dass wir uns mit einer Seite Presseerklärung des Wirtschaftsministeriums abfinden, sondern ich gehe davon aus, dass wir dies an den zuständigen Ausschuss überweisen. Ich gehe davon aus, dass wir dann natürlich erwarten können, dass die Bundesregierung über diese eine Seite hinaus zu den verschiedenen Problemen dieses Themas Stellung nimmt. (Jörg Tauss [SPD]: Das wollte Hugo!) Ich glaube, dass wir, wenn wir über unsere Strukturen sprechen, immer einen realistischen Blick haben müssen, der am föderalistischen System fixiert ist, das wir haben und das wir unterstützen, der andererseits aber so fortschrittlich ist, dass wir Innovationen durch übermäßige Regulierungen nicht verhindern. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich gebe das Wort dem Kollegen Hans-Josef Fell vom Bündnis 90/Die Grünen.

Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie sind unglaublich vielfältig, spannend und faszinierend. Die Bundesregierung greift mit ihrem Aktionsprogramm diese Chancen offensiv auf. Das Internet kann Gebäude durch Websites, es kann Papier durch Elektronen und es kann Lastwagen durch Glasfaserkabel oder durch Satelliten ersetzen. Produkte können auf Bestellung produziert und ausgeliefert werden, womit die Herstellung von Produkten, die in Geschäften liegen bleiben, vermieden und der Einkaufsverkehr verringert werden können. Die Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglicht potenziell eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Energie- und Ressourcenverbrauch. Ein qualitatives Wachstum, welches nicht auf Kosten von Gesundheit und Umwelt geht, ist möglich, aber einen Automatismus dafür gibt es leider nicht.

Meine Damen und Herren, mit wem reden wir im Jahre 2020 – mit unseren Mitmenschen oder nur noch über Handy mit dem Computer? Wo lernen unsere Kinder im Jahre 2020 die Natur kennen – im Internet oder im Wald? Verehrte Kolleginnen und Kollegen, sosehr wir die Informations- und Kommunikationstechnik bejahen, es gilt dennoch auch auf die sozialen und ökologischen Aspekte in einer zukünftigen Informationswelt aufmerksam zu machen und nicht jede machbare Entwicklung blind zu verfolgen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Heutige Rahmenbedingungen werden eine nachhaltige Entwicklung bei der IuK-Technik nicht zwangsläufig fördern. Daher legen die Regierungsfraktionen den Antrag zur Strategie für eine nachhaltige Informationstechnik vor. So bekommt der Aktionsplan der Bundesregierung auch im Sinne der Nachhaltigkeit einen zusätzlichen Pusch, wie Minister Werner Müller heute bereits bestätigt hat. Entscheidend hierbei ist zum Beispiel die Verhinderung des Rebound-Effekts. Er besagt im Wesentlichen, dass jedes technische Potenzial der Dematerialisierung infolge einer Ausdehnung von Aktivitäten doch höheren Ressourcenverbrauch schaffen kann. So ist trotz aller immensen Effizienzgewinne in der Vergangenheit der Ressourcen- und Energieverbrauch bis zum heutigen Tag gestiegen. Zum Beispiel hat in einem modernen Büro trotz E-Mail, trotz Fax, trotz elektronischer Zeitung der Papierverbrauch drastisch zugenommen. (Jörg Tauss [SPD]: Wir bemerken es jeden Tag!) Die Umweltbilanz zu verbessern, gelingt zum Beispiel durch die Optimierung der technischen Produkte in diesem Sektor selbst. Hier gibt es erhebliche Verbesserungspotenziale. Über 700 verschiedene Stoffe gehen in einen PC ein. Obwohl der PC bislang als Grundlage der angeblich immateriellen und Ressourcen schonenden Informationsgesellschaft gilt, werden dennoch zwischen 16 und 19 Tonnen Rohstoffe zur Herstellung eines einzigen PCs benötigt. Das sind fast zwei Drittel so viel wie zur Produktion eines normalen Pkw ohne Elektronik. Ursache ist unter anderem, dass sehr viel Energie in die Herstellung geht, zum Beispiel für die Reinstluftbedingungen bei der Chipproduktion. Hinzu kommt eine Menge Energie, die beim Antrieb der Anlagen benötigt wird. Das Problem wird durch die kurze Nutzungsdauer von häufig nur drei bis vier Jahren zusätzlich verschärft.

Ich möchte an dieser Stelle ein Beispiel nennen, das aufzeigt, wie schlechte Rahmenbedingungen Umweltschutz und Arbeitsplätzen gleichzeitig schaden. Bis Mitte der 90er-Jahre waren deutsche Unternehmen bei der halogenfreien Leiterplatte technologisch führend. Das Problem war, dass die Preise etwas höher waren als für das halogenhaltige Pendant. Auf dem Computermarkt mit seinen engen Margen konnte sich die umweltfreundliche deutsche Technologie daher nicht durchsetzen. Hätte die alte Bundesregierung gehandelt und halogenhaltige flammgeschützte Leiterplatten verboten oder wenigstens die Markteinführung der halogenfreien Produkte unterstützt, wären wir nicht nur dieses Umweltproblem los, sondern hätten auch einige tausend Arbeitsplätze mehr. Stattdessen sahen Sie, meine Damen und Herren von der heutigen Opposition, tatenlos zu. Nun werfen die mittlerweile führenden Japaner diese Technologie auf den Markt. Sie wird Erfolg haben, was für den Umweltschutz gut ist, aber die Arbeitsplätze werden wohl in Japan entstehen. Ebenso wichtig wie die Produktion ist die Verwertung des Abfalls. Dort, wo recycelt wird, kann einerseits das Material wieder in die Produktion einfließen und können andererseits die gewonnenen Erfahrungen in die ökologische Entwicklung neuer Produkte eingebracht werden. Immer wichtiger wird neben dem PC die Peripherie. Auch hier gibt es große Chancen. Flachbildschirme werden mehr und mehr die bekannten Bildschirme mit ihren Energie fressenden Bildröhren ersetzen. In einem nächsten Schritt könnten sich visualisierende Brillen durchsetzen. Auch hier wird die Politik begleiten müssen, damit sich mögliche negative Nebenwirkungen in Grenzen halten.

Die große Chance der Informations- und Kommunikationstechnologie ist der Einsatz der Technik für eine nachhaltige Entwicklung in allen Bereichen der Wirtschaft. Es wird aber immer deutlicher, dass nicht die digitale Technik als solche Lösungen liefert, sondern dass die Rahmenbedingungen, in die sie eingebettet ist, entscheidend sind. Darüber hinaus muss ein Erkenntnisgewinn wirklich in reales Handeln umgesetzt werden. Ich möchte nur einige Beispiele nennen. Ohne Hochleistungscomputer gäbe es keine aufwendigen Klimamodelle. Der Computer selbst ist aber nutzlos, wenn die Politik nicht zum einen umfangreiche Mittel für die Klimaforschung ausgibt und zum anderen dann die Erkenntnisse tatsächlich in eine vorsorgende Klimaschutzpolitik umsetzt. Ein zweites Beispiel. Die Organisation einer dezentralen Energieversorgung und die Steuerung des Energieverbrauchs über die Ausrichtung an einem natürlichen solaren Energieangebot ist dank der IuK-Technik ein ganz leicht lösbares Problem. Die Energiepolitik aber gegen alteingesessene Interessen zu ändern, die dem Klimaschutz im Wege stehen, ist tausendmal schwieriger. An dieser Stelle möchte ich aber auch vor der Gefahr von Scheinlösungen warnen. Hierzu zählt in Teilbereichen die Telematik, die lediglich an Symptomen kuriert, aber die Probleme nicht wirklich anpackt. Im schlimmsten Fall werden echte Lösungen im Verkehrssektor mit Hinweis auf die Möglichkeiten der Telematik sogar verzögert. Ein Zitat des Verkehrsforschers Hermann Knoflacher macht das deutlich: Als Wunderwaffe gegen Unfälle und Verkehrsstau wird die Telematik propagiert ... Hunderte Millionen Mark europäischer Steuergelder werden derzeit in dieses aussichtslose Unterfangen investiert, um lieb gewonnenes Fehlverhalten beibehalten zu können. So weit Hermann Knoflacher.

Nachdem ich mich bisher auf die Chancen und die Problemlösungsfähigkeit der IuK-Technik konzentriert habe, möchte ich abschließend aber auch auf mögliche Gefahren eingehen. Die Entwicklung des Mobilfunks ist dabei, unsere Gesellschaft zu überrollen. Die meisten in diesem Hohen Hause dürften die Vorzüge dieser Technologie schätzen gelernt haben. Andererseits sind die Mobilfunknetze de facto eine Technikfolgenabschätzung am lebenden Objekt Mensch. Die Wissenschaft ist sich über die Unbedenklichkeit dieser Technologie noch nicht einig. (Jörg Tauss [SPD]: Ich habe mein Handy extra ausgeschaltet!) Immer wieder werden Studien bekannt, die Gefährdungen sehen. Dessen ungeachtet boomt das Geschäft mit dem Handy. Dies hat zu einer dichten Infrastruktur an Mobilfunksendeanlagen geführt, die sich nicht selten auch auf Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen befinden. Weiterhin vorhandene Forschungslücken und sich widersprechende Erkenntnisse bereits vorliegender wissenschaftlicher Untersuchungen verlangen zumindest nach verstärkten Forschungsanstrengungen.

Eine nachhaltige Gesellschaft ohne freien und sicheren Informationszugang ist nicht vorstellbar. Aber auch die Freiheit des Informationszugangs ist nicht auf alle Tage gesichert. Monopolisierungstendenzen und Missbräuche des Monopols hat es in der IuK-Branche immer gegeben. Ich begrüße in diesem Zusammenhang mit Nachdruck, dass das BMWi Open-Source-Software nun unterstützt [Ed: aber dennoch noch immer reichlich „Closed-Source-Software“ von Microsoft verwendet]. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Zugleich möchte ich vor Bestrebungen in der EU warnen, Software patentieren zu lassen. (Jörg Tauss [SPD]: Ja!) Dieser Schritt würde den Zugang zu Software erschweren und die wirtschaftliche Entwicklung in Europa stark hemmen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Resümierend möchte ich festhalten, dass die Informations- und Kommunikationstechnologie weiterhin gewaltige Chancen bietet. Ein rein technokratischer Ansatz würde aber zwangsläufig dazu führen, dass die Risiken gegenüber den Chancen an Bedeutung gewinnen würden. Deshalb haben die Regierungsfraktionen den Antrag zur Nachhaltigkeit in der Informations- und Kommunikationstechnologie vorgelegt. Sie werden damit eine Verbesserung erreichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Amen! – Lachen des Abg. Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.])

Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich gebe nunmehr dem Kollegen Jörg Tauss für die SPD-Fraktion das Wort.

Jörg Tauss (SPD): Herr Rexrodt, ich freue mich, wenn Sie sich so freuen. Es ist in diesen turbulenten Tagen ja gar nicht so einfach, über Sachpolitik zu reden. (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Lichtgestalt!) – Lichtgestalt, danke. – Statt mit der Struktur der zukünftigen Gesellschaft und ihren Kommunikationsmöglichkeiten muss man sich gegenwärtig leider mehr mit dem Finanzgebaren der CDU in ihrer Vergangenheit beschäftigen. Die Bundesregierung hat demgegenüber in dieser Zeit solide ihre Arbeit gemacht und mit dem jetzt vorgelegten Aktionsplan das Tor in Richtung Zukunftsgestaltung weit aufgestoßen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dass Deutschland mit dem Regierungswechsel nach den unverzeihlichen Jahren der Versäumnisse der Regierung aus CDU/CSU und F.D.P. mit der Aufholjagd begonnen hat, war überfällig. Herr Kollege Mayer, deshalb sollten Sie vonseiten der Opposition helfen und nicht über die Geschwindigkeit jammern, mit der die Beseitigung Ihrer Defizite erfolgt. Auch mir wäre es lieber, wenn dies schneller ginge. Aber es ist nun einmal so, wie es ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die im Aktionsplan auf 155 Seiten angesprochenen Fragen sind außerordentlich komplex und berühren alle Arbeitsfelder der Bundesregierung von A wie Arbeit – ich sehe hier den Staatssekretär im Arbeitsministerium – bis Z, bis zur Zivilprozessordnung im Bereich des Justizministeriums. All diese Themen im Rahmen einer zweistündigen Debatte ausführlich zu erörtern, das geht nicht. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, Herr Kollege Otto, beim Bundestagsausschuss für Kultur und Medien einen Unterausschuss einzurichten, mit dem wir künftig ausschussübergreifend Problemfelder aufgreifen und die Arbeit der anderen beteiligten Ausschüsse bei der Bewertung von IuK-Technologien ein Stück ergänzen und begleiten könnten. Herr Kollege Mayer, gerade über solche Initiativen wie die hinsichtlich eines ungetakteten Internettarifes, also über Zukunftsfragen, könnte dort sehr gut diskutiert werden. In diesem Punkt – da teile ich Ihre Auffassung – pennt im Übrigen die Telekom, wenn ich das so burschikos sagen darf. Ich gehe aber davon aus, dass im Laufe der Zeit auch dort alle Vorstandsmitglieder Anschluss an die Moderne finden werden. Dann wird dies sicherlich einfacher zu regeln sein. (Beifall bei der SPD)

Über das Desinteresse der alten Bundesregierung an diesem Thema ist gesprochen worden. Kollege Catenhusen hat das traurige Beispiel geschildert, dass es im Kanzleramt statt des Internets nur die Rohrpost gab. Gehässig betrachtet – aber Sie haben es in diesen Zeiten schwer genug – könnte man natürlich sagen: Bargeldverkehr und der Verlust von Akten wurden angesichts dessen, dass man statt des Internets nur eine Rohrpost hatte, leicht gemacht. Aber ich will diese Themen heute Nachmittag nur streifen. (Heiterkeit bei der SPD) Auf diesem Rohrpostniveau fand damals – übrigens in Zuständigkeit der Herren Rüttgers und Rexrodt; Herr Rüttgers ist nicht anwesend; Herr Rexrodt, Sie scheinen sich heute zumindest noch ein bisschen für das alte Thema zu interessieren; das ist gut – die ganze Laienaufführung statt. Sie verzeihen mir dieses Wort; aber es war wirklich eine Laienaufführung, die ihr da unternommen habt. Immerhin verbindet mich etwas mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, der in diesen Tagen laut "Spiegel" gesagt hat, er hielte nicht viel von Rüttgers. Ich kann Herrn Schäuble an dieser Stelle wirklich nur zustimmen. Wer Rüttgers kennt, der kann zu keiner anderen Betrachtung kommen. Das merken die Menschen in Nordrhein-Westfalen im direkten Vergleich mit Wolfgang Clement. Rüttgers war als Zukunftsminister angetreten und ist als Ankündigungsminister in Erinnerung geblieben. In seiner Zeit sind weder wesentliche Standardsetzungen noch eine deutsche Beteiligung bei den Weichenstellungen in Sachen Internettechnologie feststellbar gewesen, welche übrigens allen wirtschaftspolitischen Legenden von der neoliberalen Seite des Hauses zum Trotz ganz wesentlich zum eigentlichen Aufschwung in den USA beigetragen haben. Die Internettechnologie war dafür verantwortlich, nicht irgendwelche neoliberalen Thesen, die Sie uns auch hier gelegentlich um die Ohren schlagen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Internet ist Liberalisierung!)

Herr Kollege Mayer, ein Teil der Fragen Ihrer Großen Anfrage sind durchaus sehr originell. Diese Fragen hätten Sie zu Ihrer Regierungszeit stellen müssen. Über die Versäumnisse während seiner Amtszeit sollte besser Herr Rüttgers sprechen. Die Clinton/Gore- Administration machte schon vor Jahren den Aufbau einer globalen Informationsinfrastruktur zur Chefsache, Blair und Jospin zu ihren Schwerpunkten. In Deutschland fand zu Zeiten der ehemaligen Bundesregierung das Thema Internet lange überhaupt kein Interesse, wurde bekämpft oder als Schmuddelecke bezeichnet. (Zuruf von der F.D.P.) – Jawohl, bekämpft. Sie haben es doch nahezu als Bedrohung empfunden. Ich erinnere an die Überlegungen zur Telekommunikationsüberwachung in Ihrem Hause, Herr Kollege Rexrodt. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Wann kommen Sie zur Zukunft? – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Ihr wolltet regulieren!) – Herr Kanther und Frau Nolte hatten völlig falsche Regulierungsansätze zur an sich richtigen Bekämpfung der Kriminalität, was bestenfalls zu wirkungslosen, schlimmstenfalls zu gegenteiligen Folgen führte.

Aufgrund des Aufbaus einer globalen Informationsinfrastruktur sind in den USA zahlreiche Jobs entstanden. Die bei uns auf diesem Gebiet existierenden wenigen Stellen können wir kaum besetzen. Eine der Ursachen dafür ist, dass Sie das Internet technologisch, rechtlich und in seiner gesellschaftlichen Wirkung völlig falsch eingeschätzt haben. (Beifall des Abg. Ludwig Stiegler [SPD]) Deshalb ist es gut – Herr Catenhusen hat darauf hingewiesen –, dass das Bündnis für Arbeit in einer seiner ersten Maßnahmen die Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze in diesem Bereich um rund 40.000 vorgesehen hat. Wenn dieses Ziel, Herr Staatssekretär, früher erreicht werden kann, ist das ganz hervorragend. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der angesprochene Internetpreis wird zusätzlich deutlich machen, dass wir die Entwicklung des Internets in Deutschland jetzt fördern und sie nicht wie unter Schwarz-Gelb verschlafen wollen und dürfen. Mit diesem Preis sollen übrigens – das sage ich ausdrücklich für den Ausschuss für Kultur und Medien – auch kulturelle Leistungen gewürdigt werden. Medienpolitik ist nämlich intelligente Struktur- und Wirtschaftspolitik, wie übrigens das Beispiel NRW zeigt, aber zuvörderst – und das soll so bleiben – Gesellschafts- und Kulturpolitik. Das ist es, worauf wir Wert legen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS) Lieber Herr Kollege Otto, der Sie sich jetzt aufgeregt mit Herrn Rexrodt unterhalten: Sosehr ich Sie auch schätze, das ist der Grund, warum wir Ihren Antrag zu meinem großen Bedauern ablehnen müssen. Kollege Neumann hat bereits einige der Argumente, die ich durchaus teile, vorgetragen.

Vizepräsident Rudolf Seiters: Herr Kollege Tauss, der Kollege Rexrodt gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Redezeit zu verlängern, wenn Sie seine Frage zulassen.

Jörg Tauss (SPD): Das wäre prima, weil ich schon knapp in der Zeit bin. Sie merken, dass ich schon immer schneller rede. – Herr Kollege Rexrodt, gestatten Sie mir noch einige Sätze zu Herrn Neumann. Ich komme gleich zu Ihnen. Ich sehe Angebote wie zum Beispiel den Kinderkanal nicht als "Krake? im öffentlich- rechtlichen Bereich; darüber müssen wir ernsthaft reden. Ich halte auch den Weiterentwicklungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht generell für verwerflich. Aber lassen Sie uns darüber reden! Wir wollen das duale System. Dazu gehört natürlich eine faire Entwicklung des privaten ebenso wie eine faire Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Sektors. Da sind wir uns völlig einig. (Beifall bei der SPD) Bitte schön, lieber Herr Kollege Rexrodt.

Dr. Günter Rexrodt (F.D.P.): Herr Kollege Tauss, ich nehme Bezug auf Ihre Aussage, dass das Internet und nicht die neoliberale Wirtschaftspolitik in den USA zu einer Veränderung der Gesellschaft geführt habe. Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Tauss, dass es die alte Koalition war, vornehmlich das Wirtschaftsministerium, das zu führen ich damals die Ehre und die Gelegenheit hatte, die das Informations- und Kommunikationsdienste- Gesetz und die Telekommunikationsliberalisierung vorangebracht hat? Ist Ihnen ebenfalls bekannt, dass es, was die Nutzung des Internet und dessen Implementierung angeht, gerade die Sozialdemokratische Partei war, die über Jahre hinweg eine Ordnung angedacht hatte, die darauf hinauslief, dass auf europäischer und weltweiter Basis quasi eine Vorgabe der Staaten für die Nutzung elektronischer Medien verabschiedet werden sollte, und dass wir es waren, die gegen den Widerstand von Ihnen und anderen gesellschaftlichen Gruppen dafür Sorge getragen haben, dass das Internet, der freie Umgang und Verkehr mit Daten innerhalb bestimmter Regeln, die wir auch vereinbart haben, möglich wurde? Ist Ihnen das bekannt, Herr Kollege Tauss?

Jörg Tauss (SPD): Das ist natürlich ein ganzer Strauß von Fragen, die Sie mir stellen. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Sagen Sie einfach Ja!) – Nein, ich kann nicht Ja sagen, Herr Kollege Otto. Sie haben völlig zu Recht das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz des Bundes angesprochen. Es gab innovative und auch problematische Teile. Der Evaluierungsbericht hat gezeigt – hier appellieren wir ein Stück weit auch an die Bundesregierung –, dass es in der Tat noch offene Rechtsfragen gibt, die von der alten Bundesregierung zu verantworten sind. Herr Rexrodt, ich kann Ihnen gerne noch einmal meine Rede von damals vortragen – als Sie mich dafür in der Kantine gelobt haben, habe ich schon gedacht, ich hätte etwas verkehrt gemacht –, die ich an dieser Stelle zum IuKDG gehalten habe. Damals habe ich gesagt: Es muss für die Anbieter Rechtssicherheit geben. Dies bedeutet auch eine freie Kommunikation, die durch nichts beeinträchtigt wird. Sie werden von mir und, soweit ich mich erinnern kann, auch nicht von einem anderen Mitglied meiner Fraktion zu irgendeinem Zeitpunkt eine Erklärung gefunden haben, in der wir gesagt haben: Wir wollen das Internet im Sinne einer Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit regulieren. Diese Probleme hat es damals bei Ihnen gegeben. Denken Sie daran, wie Sie damals im eigenen Hause im Zusammenhang mit der Telekommunikationsüberwachungsverordnung ausgetrickst worden sind! Denken Sie auch an die Krypto-Geschichte, die wir damals heftig miteinander diskutiert haben! Herr Kanther hat damals bis zuletzt mit allen Mitteln dafür gesorgt – (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Aber doch nicht wir! Nicht die F.D.P.! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Wir haben dagegengehalten!) – Ich weiß doch, dass ihr dagegengehalten habt. Aber ihr habt euch doch nicht durchgesetzt.

Erst mit unserer Regierungsübernahme hat sich die Bundesregierung klar dafür ausgesprochen, dass es keine Beeinträchtigung geben soll . (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Herr Rexrodt, es ist keine Schande, wenn Sie meiner Meinung sind. Aber dass Sie dies damals nicht als Position der Bundesregierung durchgesetzt haben, sondern als offenes Spiel mit erheblicher Verunsicherung der Branche gehandhabt haben, ist doch bekannt. (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Sie verkehren die Sachverhalte! Sie waren auf der anderen Seite, mein Lieber!) – Nein, ich war nicht auf der anderen Seite. Aber darüber können wir bei einem Gläschen Bier reden, auch über die Rolle von Herrn Kanther, den zwischenzeitlich auch einige aus Ihren Reihen als Schande für das Parlament bezeichnen. Ich glaube, all diese Beispiele zeigen: Hier ist von Ihnen schon ein Stück weit gesündigt worden. Ich erinnere einmal an das Bundesdatenschutzgesetz. Welche Reformen haben Sie denn hier auf den Weg bekommen? – Nichts! Jetzt befinden wir uns in der Situation, dass uns die EU abmahnt. Herr Hintze von der CDU hat kürzlich sogar noch gesagt: Datenschutz ist Täterschutz. – Nein, meine Damen und Herren, das ist völliger Unfug. Datenschutz in der Informationsgesellschaft ist wie der gesamte Bereich Sicherheit in der Informationstechnik eine der ganz wesentlichen Voraussetzungen für die Wahrung von Bürgerrechten – das müsste Sie von der F.D.P. interessieren – , (Beifall bei der SPD und der PDS) für die Rechtssicherheit in der E-Commerce – auch das müsste Sie interessieren – und für den elektronischen Rechts- und Zahlungsverkehr insgesamt. Sie haben damals von Täterschutz geredet. Deswegen begrüßen wir sehr, dass die Bundesregierung, das Justizministerium, bei der digitalen Signatur einiges tut und es vorantreibt. Auch das ist Voraussetzung für sichere Kommunikation. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Hoffentlich tut sie es bald!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine weitere Zukunftsaufgabe wurde von Wolf-Michael Catenhusen angesprochen. Ich meine die Umstellung von Papier auf Digital. Das gilt, Herr Kollege Fell, auch dann, wenn wir das papierlose Büro, auch im Bundestag, noch nicht erreicht haben. Hier kommen auf Bibliotheken und auf alle anderen Beteiligten völlig neue Aufgaben zu. Herr Rüttgers wollte in diesem Bereich – Herr Neumann, Sie werden sich erinnern – unverantwortlicherweise einen Zustand schaffen, in dem die Hochschulen gezwungen worden wären, eigene wissenschaftliche Ergebnisse von privaten Betreibern wissenschaftlicher Datenbanken mit öffentlichem Geld zurückzukaufen, während sie gleichzeitig aus Geldmangel Fachzeitschriften abbestellen müssen. Herr Catenhusen, wenn Sie sagen, dass Sie in diesem Bereich etwas tun werden – Information wird zur Generierung von Wissen als dem Rohstoff der künftigen Gesellschaft benötigt –, wenn Sie den Zugang zu diesem Rohstoff so umfassend und so preiswert, wie Sie das heute angesprochen haben, garantieren, dann sind Sie und die Ministerin – das kann ich Ihnen sagen – der Hoffnungsträger einer ganzen Generation, zumindest was die Gestaltung der Informationsgesellschaft anlangt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

Die Weichenstellungen des vormaligen Forschungsministers in diesem Bereich waren verheerend. Doch reden wir nicht mehr von Herrn Rüttgers; reden wir jetzt von der Zukunft! Ich bitte die Bundesregierung, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Informationsfreiheitsgesetz gleichfalls rasch auf den Weg zu bringen. Auch dieses Gesetz wird ein ganz wichtiger Baustein zur Sicherung des Zugangs zu Informationen und des Rechts auf Information sein und kann auch, gerade in diesen Zeiten, meine Kolleginnen und Kollegen, einen wichtigen Beitrag zur Transparenz politischer Prozesse – wann war dies nötiger als in diesen Tagen? – und zur Modernisierung des Staates leisten. Sie sehen: Wir haben mit den Themen Informationsfreiheitsgesetz, Datenschutz, Zugang zu Informationen – es sind die richtigen Themen – das Tor zur Zukunft weit aufgestoßen. Kollege Mayer, meine Zufriedenheit liegt nun zwischenzeitlich etwas über 50 Prozent und geht stark auf die 70 Prozent zu – ganz einfach deshalb, weil diese Bundesregierung handelt. Je mehr sie handelt, umso geringer wird natürlich auch die Kritik der sie tragenden Fraktionen werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Lassen auch Sie sich von den Möglichkeiten und den Chancen dieser Technik überzeugen! Nutzen Sie beispielsweise die Möglichkeiten des bargeldlosen Verkehrs und des Electronic Banking, (Heiterkeit) dann haben Sie viel weniger Probleme. Denn wer von diesem Thema nichts versteht, wird auch bei anderen Themen schwerlich den Anschluss finden.

Schlussbemerkung. Herr Präsident, ich sehe, Sie leuchten, genauer: die Lampe hier vorn. (Heiterkeit) Wir haben vorher von Oppositionsrednern gehört, diese Bundesregierung könne mit E-Mail nicht umgehen. Kollege Mayer, Sie haben die jungen Leute angesprochen, die sich mit uns in Verbindung setzen. Ich zitiere aus einer der 500 E-Mails, die in den letzten Tagen das Innenministerium erreicht haben: Hallo! Ich habe keine spezielle Frage. Ich kann nur hoffen, dass Sie – gemeint ist die Bundesregierung – viel Erfolg mit Ihren Projekten haben werden, damit der verstaubte Amtsschimmel aus den deutschen Amtsstuben vertrieben wird. Vielleicht gelingt es dieser Bundesregierung. Glück auf! (Hans-Joachim Otto (Frankfurt) [F.D.P.]: Das hat der Tauss geschickt! Das haben Sie selber geschickt!) Sehen Sie, das sind die Ehrenamtlichen, die Sie vorhin so gelobt haben; das ist deren Meinung von uns. Darauf sind wir stolz. Ich bedanke mich. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Das sind die bestellten Mails!)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich hatte schon, Herr Kollege Tauss, die Hoffnung aufgegeben, dass Sie das leuchtende Licht sehen würden. (Heiterkeit) Denn Sie hatten Ihre Papiere so geschickt platziert, dass sie alles verdeckten. Jetzt gebe ich das Wort dem Kollegen Walter Hirche. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Jetzt kommt endlich mal was Gescheites!)

Walter Hirche (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Tauss ist ja am Schluss derart in Begeisterung geraten, dass ich beim Verlesen der E-Mail in der Tat den Eindruck hatte, er freut sich heute noch darüber, dass er sie losgeschickt hat, um sie hier im Plenum einmal vortragen zu können. Selbst wenn das so ist, haben Sie hier zusammen mit den meisten Rednern dieser Debatte Dinge vorgetragen, bei denen man als überwiegenden Tenor feststellen kann: Die Chancen der Informationsgesellschaft müssen in Deutschland für den Arbeitsmarkt genutzt werden. Die riesigen Chancen, die vorhanden sind und nicht genutzt werden können, sind eine Herausforderung für unser Bildungs- und Weiterbildungssystem. Das ist gar keine Frage. Weitere große Chancen liegen zum Beispiel auch im Bereich der modernen Medien. Sie müssen genutzt werden, um Menschen, die etwa aus Gründen körperlicher Behinderungen bzw. anderen Ursachen in das gesellschaftliche Abseits geraten sind, wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Technik muss also als Mittel sozialer Integration genutzt werden. Darüber hinaus werden wir in diesem Zusammenhang auch im Bereich "Messen, Regeln, Steuern" über die Möglichkeiten diskutieren müssen, wie wir mit modernen Medien und moderner Kommunikation die vorhandenen Chancen nutzen können. Ich habe, Herr Fell, ein bisschen bedauert, dass Sie – ich will es milde sagen – im Unterschied zu Ihrer Kollegin Wolf eher über die Probleme gesprochen haben, anstatt die Chancen zu beschreiben. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe über die Problemlösungen gesprochen!) Ich denke, wir sollten die Chancen nutzen und sehen, dass wir nach vorne kommen.

Vizepräsident Rudolf Seiters: Herr Kollege Hirche, gestatten Sie die Fortsetzung der Rede von Herrn Kollegen Tauss? (Heiterkeit)

Jörg Tauss (SPD): Es wird natürlich keine Fortsetzung der Rede geben, aber, lieber Herr Kollege Hirche, Sie haben mir gewissermaßen unterstellt – ich würde meine eigenen E-Mails verlesen. Sind Sie der Auffassung, dass auch die folgende E-Mail von mir erfunden ist? Sie stammt von der F.D.P.-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung aus Seoul und ist ebenfalls heute beim BMI eingegangen. Die Friedrich- Naumann- Stiftung ist seit über zehn Jahren ... mit einem kommunalpolitischen Projekt tätig. Aspekte der Verwaltungsreform spielen bei unserer Tätigkeit eine wichtige Rolle. Ihre Hompage – die des BMI – habe ich mit sehr großem Interesse studiert. Herzlichen Glückwunsch zu dem gelungenen Auftritt, der auch in der Ferne Beachtung findet. Dr. Ronald Meinardus, Seoul. Sie sehen, solche Dinge erfinde ich in der Regel nicht. Ich wollte fragen: Ist Ihnen dies bekannt? (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Walter Hirche (F.D.P.): Das ist mir jetzt bekannt. Sie haben einen Beweis für die Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt von Liberalen vorgetragen. (Beifall bei der F.D.P. – Lachen bei der SPD) Das finde ich hervorragend. Ich bedanke mich. Für eine solche Art der Zusammenarbeit kann man in der Tat die neuen Medien nutzen und man könnte darüber reden, wie fehlgelaufene Entwicklungen korrigiert werden können.

Vizepräsident Rudolf Seiters: Der Herr Kollege Seifert möchte eine Zwischenfrage stellen. Oder möchten Sie Ihre Ausführungen zu der Zwischenfrage von Herrn Tauss noch fortsetzen?

Walter Hirche (F.D.P.): Ich will noch einen Hinweis an Sie, Herr Tauss, geben. Sie sollten die Dinge in der Zukunft entsprechend darstellen: Die F.D.P. hat sich (Jörg Tauss [SPD]: Viel Mühe gegeben!) sowohl in der letzten Legislaturperiode als auch davor entschieden für die Liberalisierung und Öffnung der Regelwerke eingesetzt. Zu Zeiten, als Sie auf Landesebene und im Deutschen Bundestag die Veränderungen blockiert haben, hat sich lediglich Ihr Kollege Glotz für Öffnung und Änderung eingesetzt. Ich kann Ihnen die von Niedersachen aus betriebenen Initiativen nennen, mit welchen wir seinerzeit im Bundesrat aufgelaufen sind, weil die SPD alles blockiert hat. Sie haben im Grunde über zehn Jahre hinweg die Dinge blockiert. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Dass dies nun anders werden soll, begrüße ich. Dies will ich ausdrücklich sagen.

Vizepräsident Rudolf Seiters: Gestatten Sie nun eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Seifert?

Walter Hirche (F.D.P.): Ja, gerne.

Dr. Ilja Seifert (PDS): Herr Kollege Hirche, Sie haben vorhin sehr verdienstvoll darauf hingewiesen, dass behinderte Menschen unter Umständen über neue Kommunikationsmittel Arbeits- und Kommunikationsmöglichkeiten finden, die sie sonst nicht haben. Teilen Sie dennoch mit mir die Meinung, dass es nicht unwichtig ist, diesen Punkt nicht zu sehr überzubetonen, sondern zu sehen, dass die interpersonelle Kommunikation dadurch verhindert werden kann? Gerade behinderte Menschen brauchen wie alle anderen Menschen auch den persönlichen Kontakt. Man kann diesen nicht allein über elektronische Medien herstellen. Ich möchte Sie gern fragen, wie Sie zu diesen beiden Seiten der Medaille stehen.

Walter Hirche (F.D.P.): Ich würde gern das Positive in den Vordergrund stellen. Wenn man etwas positiv darstellt, sollte man auch nicht so tun, als ob alles in Ordnung sei. Wo Sonnenschein ist, gibt es auch ein bisschen Schatten. Darüber muss man reden. Man geht dann etwas zur Seite, betrachtet die Dinge neu und hat trotzdem die Möglichkeit, nach vorne zu gehen. Der wichtigste Punkt, den ich hier sehe – da werden Sie, Herr Kollege Tauss, den Beweis noch erbringen müssen –, ist, dass wir in Deutschland einen Ordnungsrahmen haben, der den Aufbruch, den die Bundesregierung in ihrem Aktionsprogramm beschreibt, die Hilfe für Existenzgründer und das Nach-vorne-Gehen überall durch Schranken und Bremsen verhindert. Jedes Mal, wenn wir in der Vergangenheit irgendwo Deregulierung versucht haben, haben Sie gesagt: Dann gehen die Menschen kaputt. – Dieses durfte nicht sein und jenes durfte nicht sein. Sie wissen: Es ist mehr als nur ein Scherz, wenn man sagt, die Erfolgsgeschichte von Bill Gates hätte in Deutschland nicht stattfinden können, weil eine Arbeit in einer Garage ohne Fenster nicht erlaubt ist. Es gibt x solcher Beispiele in diesem Zusammenhang. Trotzdem halten Sie an solchen Regelungen und den Genehmigungsverfahren bis heute fest. Denn eines ist doch klar: Wenn wir in Deutschland in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Ländern rückständig sind, dann liegt das nicht an der Wirtschaft in Deutschland. Die Wirtschaft hat ihre Hausaufgaben in weitesten Teilen gemacht.

Es ist unser Staat, der auf den verschiedenen Ebenen der Entwicklung hinterherhinkt, der nicht dafür sorgt, dass der Ordnungsrahmen ausreichend flexibel ist, und der nicht die entsprechenden Rahmenbedingungen für Existenzgründer schafft. Ein kleines Beispiel – mehr ist in einem solch kurzen Beitrag nicht möglich –: Dass der Bundeswirtschaftsminister und die Bundesbildungsministerin der Anlage zum Entwurf des Haushaltsplans 2000 im August letzten Jahres zugestimmt haben, in der stand, dass die Abschreibungsfrist für PCs von vier auf sechs Jahre verlängert wird, zeigt, dass bei Ihnen nicht durchgängig der Wille herrscht, sich um die modernen Entwicklungen zu kümmern. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wenn Sie die Situation im Wege von Abschreibungsfristen verschlechtern, dann behindern Sie unsere Wirtschaft. Ich finde es gut, dass die Wirtschaft mit der Initiative D 21 vorangegangen ist. Wir werden darauf achten müssen, dass die Übertragung des "road mapping" aus den USA auf Deutschland, die Sie vorschlagen – vielleicht könnten wir uns einmal auf deutsche Begriffe verständigen, damit die Bevölkerung versteht, worum es hier geht –, nicht dazu führt, dass der Staat in allen Bereichen der Gesellschaft Vorschriften für andere macht. Denn das ist unser Problem: Sie lassen den wesentlichen Vorteil des Internet nicht zu, nämlich dass globale Kommunikation, Demokratie und Wirtschaftsaustausch von unten her stattfinden. Sie wollen über alles ein Netz stülpen, mit dem der Staat reguliert. Vielleicht belehren Sie uns in den Ausschussberatungen eines Besseren. Aber bis jetzt erschöpft sich Ihr Verhalten in Regeln und Behinderungen. Der Staat hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Wir werden sehen, ob Ihr Wortschwall, den Sie über uns ergossen haben – da sind Sie wirklich ein Tausendsassa –, der Realität Rechnung trägt. Das Ziel haben wir gemeinsam: die Chancen zu nutzen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Hubertus Heil.

Hubertus Heil (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht kennen Sie den Werbespot, der seit einigen Wochen über den Fernseher flimmert, in dem ein berühmter deutscher Tennisspieler sehr verdutzt sagt: "Ich bin drin." – Uns geht das im Moment ebenso: Auch wir sind mittendrin. (Norbert Hauser (Bonn) [CDU/CSU]: So einfach ist das!) – "So einfach ist das!" Genau, das hat er auch gesagt. Manchmal ist es eben so einfach. Ich glaube, wir alle in diesem Hause sind uns bewusst, dass wir uns mittendrin im Übergang von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft befinden und dass die Geschwindigkeit dieses Übergangs – das hat keiner hier bestritten – immer rasanter wird. Nur, ich denke, wir sollten einen realistischen Blick auf die Dinge haben. Weder – Herr Kollege Hirche, das sage ich an Ihre Adresse – ideologische Fixierung auf eine Deregulierungswut, noch – das sage ich an die Adresse der PDS – das ewige Rufen nach neuen Regelungen, nach Überregulierung, bringen uns weiter. Wir brauchen eine realistische Sicht im Sinne eines – was die Begrifflichkeiten betrifft, sind wir uns sicher einig – flexiblen Ordnungsrahmens. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, dass dieses Parlament in der letzten Legislaturperiode – das kann ich so unbefangen sagen, weil ich damals noch nicht dabei war – eine sehr gute Arbeit in der Enquete-Kommission zur Informationgesellschaft geleistet hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Enquete-Kommission hat sowohl eine Einschätzung der Möglichkeiten der neuen Technologien vorgenommen als auch die notwendigen Regulierungs- und Deregulierungsmaßnahmen beschrieben. Stellvertretend möchte ich dem Kollegen Mosdorf, der die Enquete-Kommission damals geleitet hat, danken. Das hat die Grundlage für das Aktionsprogramm geboten, das wir jetzt konsequent durchsetzen. Wir nehmen die Folgen dieses Berichts ernst und wir setzen sie um. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das ist ein Unterschied zu dem Stillstand, der jahrelang in Deutschland zu verzeichnen war. Das Aktionsprogramm der Bundesregierung – mit vollem Titel: "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" – setzt auf Realität, setzt auf konkrete Schritte, um ein Ziel zu erreichen, nämlich dass Deutschland weltweit in der Spitzenliga der Informations- und Kommunikations-technologien mitspielen kann.

Wir haben in Deutschland bereits gute Voraussetzungen. Mir ist es ziemlich egal, wer alles daran mitgewirkt hat. Aber wir haben gute Voraussetzungen, dieses Ziel in wenigen Jahren zu erreichen. 1,7 Millionen Beschäftigte arbeiten bereits heute im Bereich der Informationstechnik und im Medienbereich. Wir haben eine Infrastruktur von 230.000 Kilometer Glasfaserkabel, die in Deutschland liegen. Das ist eine Infrastruktur, die, wie gesagt, eine gute Basis bildet. Die Evaluierung des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes, das ebenfalls heute diskutiert wird, sagt aber sehr deutlich, dass wir in bestimmten Bereichen noch sehr starken Handlungsbedarf haben; dort ist der Fortschritt in den letzten Jahren verpennt worden. Tatsache ist, dass in Deutschland nur 9 bis 10 Prozent der Bevölkerung einen Internetzugang haben. Zum Vergleich: In Großbritannien sind es bereits 14 Prozent, in den USA 30 Prozent. Herr Kollege Mayer, ich finde es schon ein ehrgeiziges Ziel, dies in wenigen Jahren zumindest auf über 40 Prozent zu steigern. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Das sollten wir in zwei Jahren erreichen!) 100 Prozent werden wir nicht erreichen. Lassen Sie uns doch nicht streiten. Auch ich würde mich freuen, wenn wir mehr erreichen. Aber ich finde das etwas kleinkrämerisch, nachdem jahrelang von Ihrer Regierung nichts getan wurde, um das nach vorne zu bringen. (Widerspruch bei der CDU/CSU) – Was denn, bitte schön? (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Das gibt es doch erst seit 1995!)

Lassen Sie uns doch gemeinsam daran arbeiten, dass wir es schaffen; denn das hat auch etwas, mit Akzeptanz zu tun. Wir müssen beim Zugang Chancengleichheit haben – der Kollege Catenhusen hat darauf hingewiesen –, damit diese neuen Technologien akzeptiert werden und um die Gesellschaft nicht in User und Loser verfallen zu lassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen die Internet-Abonnements steigern. Dann ist es natürlich auch wichtig, den Weg über den Bildungsbereich zu gehen. Das ist ein weites Feld. Lassen Sie mich hier zumindest zu der Frage kommen, die vorhin diskutiert wurde: Was machen wir mit den 75.000 Fachkräften, die im IuK-Bereich in den letzten Jahren gefehlt haben? Wenn Sie immer sagen, bei dem "Bündnis für Arbeit" würde nichts herauskommen, dann schauen Sie sich einmal diesen Bereich aufmerksam an. (Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) [CDU/CSU]: Zu wenig kommt heraus!) – Hören Sie erst einmal zu, bevor Sie dazwischenrufen. – Mit den Partnern aus Wirtschaft und Gewerkschaften ist vereinbart worden, gerade in dem Bereich der Informationstechnik über eine Fortentwicklung des Weiterbildungssystems diesen Fachkräftemangel binnen kürzester Zeit zu beseitigen. Wir alle kennen die viel zitierten Beispiele von den indischen Programmierern, die deutsche Software programmieren müssen. Das ist, wie gesagt, ein Zustand, bei dem wir alle an einem Strang ziehen müssen. Das geht nur mit den Tarifparteien und öffentlicher Unterstützung. Das tun wir auch.

Den Rechtssicherheitsrahmen hat der Kollege Tauss umfassend angeschnitten. Ich möchte mich auf die Frage beschränken: Wie schaffen wir es, Unternehmen dazu zu bringen, stärker in die Anwendung zu gehen? Ich rede vor allen Dingen von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Tatsache ist – auch da sind wir uns einig, Herr Kollege Hirche –, dass die Innovationen in dem Bereich vor allen Dingen von Unternehmen getragen werden, nicht von der öffentlichen Hand. Aber es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, den Rechtsrahmen, den Orientierungs- und Entwicklungsrahmen zu geben, auch aus kulturellen Gründen. Aber es kommt auch darauf an, für die Wirtschaft Rechtssicherheit zu schaffen und Anstöße zu geben. Das Aktionsprogramm der Bundesregierung wird hierbei sehr konkret. Ich nenne in diesem Bereich Förderprogramme, Informationskampagnen und vor allen Dingen Wagniskapital. Daran hat es in Deutschland in den letzten Jahren vor allen Dingen gemangelt. Auch darin unterscheiden wir uns von den USA. Warum ist es dort schneller gelaufen? Wir müssen im Bereich von Wagniskapital, von Venture Capital weiterkommen, um gerade dort die Potenziale nutzen zu können. Nach den Prognosen, die wir haben, kann es uns durchaus gelingen, binnen zwei Jahren über 350.000 Arbeitsplätze in diesem Bereich zu schaffen. Das sind keine Peanuts. Das muss man sehr deutlich sagen. Konkret läuft es vor Ort so – ich kenne die Beispiele aus Nordrhein-Westfalen, aber auch aus Niedersachsen, aus meinem Wahlkreis –, dass über 24 Kompetenzzentren in den Regionen kleinen und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit geben, am E-Commerce, am elektronischen Handel teilzunehmen, und auch das notwendige Wissen und die Technik zur Verfügung stellen. Damit soll vor allem eines erreicht werden, was gerade heute noch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen das Problem ist, nämlich Hemmschwellen abzubauen. Es gibt viele Handwerksmeister, die daran im Moment noch nicht teilnehmen, aber die sowohl bei der Beschaffung wie bei der Vermarktung ihrer Produkte zukünftig über diesen Bereich Impulse bekommen.

Auch im Bereich der Gründungen – ich komme zu Ihrem Garagenbeispiel, Herr Kollege Hirche – schauen wir nicht tatenlos zu. Wir wollen, wie gesagt, den Boom der Gründung gerade solcher Unternehmen fördern. Wir tun dies auch. Wir wissen, dass die Innovationen eben nicht von den großen etablierten Unternehmen geleistet werden, sondern von kleinen Existenzgründern, von so genannten Start-ups. Ich möchte in diesem Zusammenhang beispielsweise den Gründungswettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft nennen, der Anreize schafft und Öffentlichkeit erzeugt, die notwendig ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir haben das ehrgeizige Ziel, bis zum Jahr 2001 die Zahl der Multimediaunternehmen in Deutschland zu verdoppeln. Wenn wir uns darüber einig sind, sollten wir uns hier auch nicht gegenseitig das Leben schwer machen. Zum Schluss möchte ich sagen: Wir wollen die entsprechenden Regelungen flexibel gestalten. Darauf ist schon hingewiesen worden. Angesichts des Tempos des technischen Fortschritts müssen wir ständig überprüfen, ob der Orientierungs- und Handlungsrahmen, den wir geschaffen haben, noch zeitgemäß ist. Deshalb muss man ihn weit und flexibel gestalten. Das ist gar keine Frage. Aber ein Orientierungs- und Regelungsrahmen ist notwendig. Das Kennzeichen der Informations- und Kommunikationstechnologien ist, dass vor allen Dingen Raum und Zeit keine merklichen Grenzen mehr sind, sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich. Der Kollege Tauss hat darauf angespielt. Wir haben es über das Ökonomische hinaus auch im Bereich der politischen Kommunikation mit Veränderungen zu tun, deren Chancen wir nutzen müssen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Eine Chance ist zum Beispiel, dass durch die Informations- und Kommunikationstechnologie auch der Abstand zwischen Gewählten, also beispielsweise uns, und Wählern geringer wird, weil sich Bürgerinnen und Bürger schneller Informationen beschaffen können und weil sie auch schneller reagieren können. Wer sich das praktisch noch nicht vorstellen kann, der sollte sich zwei Beispiele vor Augen führen – es ist ganz einfach, sich das anzuschauen; um Boris Becker zu zitieren: Da ist man ganz schnell drin: – Erstens. Das Projekt "Virtueller Ortsverein", das der Kollege Tauss für unsere Partei aufgezogen hat, ist ein Beispiel für lebendige Demokratie im Netz. Wir müssen dafür sorgen, dass daran mehr Menschen teilhaben. Zweitens. Auf den Besucherseiten der Homepage unter der Adresse www.cdu.de wird zurzeit sehr heftig diskutiert. Ich sage dies, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ohne Häme. Wir werden zukünftig – das gilt für uns alle – mit dem Internet umgehen müssen. Dieses Forum soll nicht zensiert werden. Dafür müssen wir einen entsprechenden Rahmen setzen. (Jörg Tauss [SPD]: Der Kollege Mayer macht heute Abend einen Chat! Daran können wir uns auch noch einmal beteiligen! Da können wir uns weiter fetzen!) – Das können wir gerne machen. Das Aktionsprogramm der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Es ist zwar noch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber es ist jetzt notwendig.

Wir haben damit das angepackt, was Sie liegen gelassen haben. Wir haben die Evaluierung sehr ernst genommen und werden daraus weiterhin unsere Schlüsse ziehen. Zu den beiden vorliegenden Anträgen ist genug gesagt worden. Wir können sie fachlich weiter beraten, auch den Antrag der F.D.P. Ich möchte das zwar noch nicht in Bausch und Bogen bestätigen, aber der Kollege Neumann von der CDU hat dankenswerterweise ein paar sehr wichtige Takte dazu gesagt. Ich freue mich auf die fachliche Diskussion. Wir wollen gemeinsam viel erreichen. Wir können in Deutschland in diesem Bereich Wachstum und Beschäftigung schaffen. Ich teile die Ansicht, dass wir mehr nach den Chancen und weniger nach den Risiken fragen sollten. Es gibt aber auch Risiken, die nicht verschwiegen werden sollten. Aber in erster Linie stehen die Chancen im Vordergrund. Wir können viel gewinnen, wenn wir etwas tun. Diese Bundesregierung tut etwas. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Elmar Müller.

Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die fünf Tagesordnungspunkte zusammenfasst und einzeln bewertet, dann spürt man regelrecht das krampfhafte Bemühen vor allem der Regierung, sich einer modernen Entwicklung anzupassen. Dies kann man vor allem dort sehen, wo die jetzige Regierung Berichte abliefert, die auf Gesetzen der früheren Regierung fußen. Im Gegensatz dazu stehen die beiden Fraktionen, von deren Rednern wir eine ganze Reihe von Beiträgen gehört haben, die ausschließlich rückwärts gewandt waren. Dies war eine interessante Erkenntnis der Debatte, die heute Nachmittag stattfand. Sie, Herr Kollege, sind eine seltene Ausnahme in diesem Reigen gewesen. Ich möchte noch einmal an Folgendes erinnern: Alle Gesetze, auf denen die jetzigen Programme fußen und auf die sich alle weiteren Entwicklungen stützen, sind in der vergangenen Legislaturperiode von der Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. auf den Weg gebracht worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich will die Modernisierer beim Wort nehmen. Wir erinnern uns: Im Juni 1994 fand die entscheidende Sitzung des Bundesrates statt. Es ging darum, Privatisierung und Liberalisierung im Telekommunikationsbereich auf den Weg zu bringen. Es waren ausschließlich die beiden Obermodernisierer dieser Regierung, nämlich der Herr Bundesfinanzminister Eichel, damals Ministerpräsident, und Herr Schröder, damals ebenfalls Ministerpräsident, die gegen eine Privatisierung und eine Liberalisierung gestimmt haben. (Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Hört! Hört! – Hubertus Heil [SPD]: Nicht grundsätzlich!) Sie wollten, dass sich diese beiden Unternehmen weiterhin als Behörden entwickeln – in einem Umfeld, das in dieser Form nun wirklich nicht mehr möglich gewesen wäre. Man könnte die Rede des Herrn Ministers Müller und die des Herrn Staatssekretärs in der Formel zusammenfassen: Das Ei des Damokles beschwört das Schwert des Kolumbus.

In allen Ehren, Herr Staatssekretär: Es ehrt Sie, dass Sie Ihre Reden möglicherweise selber schreiben. Wenn Ihnen das, was Sie vorhin eingangs gesagt haben – ich denke an die "flat rate" im Internet –, ein Mitarbeiter aufgeschrieben hat, dann bestellen Sie ihn bitte nachher ein und bitten Sie ihn, sich auf die aktuelle Situation etwas besser vorzubereiten. (Beifall bei der CDU/CSU) Denn Sie hätten nicht falscher als mit diesem Satz beginnen können. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine "flat rate". Die Engländer sind jetzt dabei, dies im europäischen Bereich einzuführen. Bei uns in der Bundesrepublik gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die noch auf den Weg gebracht werden müssen. Ich sage ausdrücklich: auf den Weg gebracht werden müssen. Die Gesetze, die wir in der vergangenen Legislaturperiode gemacht haben – hervorragende Gesetze –, müssen weiterentwickelt werden, auch was die Regulierungen angeht, die es ermöglichen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland eine "flat rate" im Internet auf den Weg bringen.

Vizepräsident Rudolf Seiters: Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Es macht immer Spaß, sich mit dem Kollegen Tauss auseinander zu setzen.

Jörg Tauss (SPD): Ich weiß gar nicht, warum ihr heute alle so liebenswürdig seid. (Heiterkeit bei der SPD – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Sie haben es gar nicht verdient!) Übrigens habe auch ich damals in diesem Hause gegen dieses Telekommunikationsgesetz gestimmt. Ist Ihnen bekannt – möglicherweise ist es mit anderen Motiven zu verbinden –, dass ich diese Ablehnung damals – ich war einer der ganz wenigen – mit der Aussage verbunden habe, es fehle an einem zukunftsgerichteten Universaldienst, der genau auf die Belange der Informationsgesellschaft ausgerichtet ist und sich nicht allein, wie Sie es gemacht haben, rückwärts gerichtet an der Sprachtelefonie orientiert. Können Sie sich vorstellen, dass die Ablehnung des TKG unter diesen Gesichtspunkten in einigen Bereichen vielleicht doch ganz sinnvoll gewesen ist und dass wir es damals hätten besser machen können?

Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Ich spüre durch Ihre Formulierung schon, dass Ihnen nicht ganz wohl zumute ist, wenn Sie die damalige Ablehnung heute rechtfertigen müssen, Herr Kollege Tauss. Ich habe in all den Verhandlungen, die wir von 1992 bis 1997 geführt haben, eine ganze Menge an Rückschlägen erleiden müssen. Das gilt auch für die Kollegen, die mit uns seinerzeit verhandelt haben. Ich denke auch an die des Koalitionspartners F.D.P. Der frühere Minister Rexrodt war einer von denjenigen, die einige Erwartungen zurückschrauben mussten. Insgesamt haben wir – das wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht – im Spektrum der Reihe der Gesetze eine Voraussetzung geschaffen, auf deren Grundlage wir nun in der Tat in der Lage sind – bei all den Abstrichen, die wir alle machen mussten –, eine moderne Entwicklung auf den Weg zu bringen und sie zu beschleunigen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dies darf aber nur mit dem geschehen, was wir uns an Erfahrung aneignen müssen. (Jörg Tauss [SPD]: Sie sehen Novellierungsbedarf?) – In der Tat. Ich komme darauf noch zurück, wenn wir über den Bericht der Regierung reden. Zweifellos müssen die Grundlinien unserer Vision deutlich machen, dass wir führend auf dem Mobilitätssektor, dynamisch in der Informationsgesellschaft und effizient in der Produktion werden. Das gehört alles zusammen. Das Rückgrat dieser Informationsgesellschaft ist eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur. Hier verfügt die Bundesrepublik Deutschland als eines von wenigen Ländern wirklich über eine hervorragende Ausgangslage, nicht nur, was die Gesetzeslage angeht, sondern auch in Bezug auf die Infrastruktur, die fast flächendeckend ist. Jahr für Jahr werden in die Netze in der Bundesrepublik Deutschland Investitionen in einer Größenordnung von 4 Milliarden DM zur Verbesserung der Technik etc. getätigt. Das ist eine hervorragende Situation, die wir nicht kleinreden sollten. Die ganze Entwicklung zielt darauf ab, dass die PC-Vernetzung auf den Weg gebracht wird. Wenn ich mich in den Veröffentlichungen richtig informiert habe, dann ist in Bezug auf Netz- und Ausbaukapazitäten inzwischen von Terabyte die Rede. Das deutet darauf hin, dass unsere Voraussetzungen ganz hervorragend sind. Es gibt aber auch Nachholbedarf.

Die Deutsche Telekom, die sich derzeit mit der Veräußerung oder auch Nichtveräußerung des Fernsehkabelnetzes beschäftigt, muss nun wirklich gezwungen werden, dieses Breitbandnetz endlich auf den neuesten technischen Stand zu bringen und so dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich sage das ohne Vorwurf. Wir hatten das gleiche Problem schon einmal. Der Bund ist der Hauptaktionär bei dieser Gesellschaft. Er muss die Verantwortlichen, die Vorstände und die Aufsichtsräte dieser Gesellschaft, endlich zwingen, dass sie dieses Netz dem Verbraucher zur Verfügung stellen. Dieses Netz hat nicht die Telekom bezahlt, sondern der Bürger. Deshalb muss es ihm auch wieder in einem Ausbaustandard zurückgegeben werden, der interaktiven Ansprüchen gerecht wird. Meine Damen und Herren, die Zahlen sind zum Teil schon genannt worden: Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA beim Netzzugang per PC beträgt etwa 1 : 3. Der Anteil der Haushalte mit Onlineanschluss entweder via Modem oder ISDN liegt in den USA etwa dreimal höher als in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in Europa. Hier müssen wir immer wieder nachrechnen. Gleichwohl registrieren wir, dass die in der Bundesrepublik installierte Rechenleistung in der Tat Jahr für Jahr um etwa 50 Prozent zunimmt. Das ist eine hervorragende Zahl, die ich Ihnen hier nennen kann. Dabei ist die Furcht mancher völlig unbegründet, die durch Angstparolen hervorgerufen wurde, die suggerierten, dass jeder in der Welt der neuen Berufe Tätige ein kleiner Einstein sein müsse. Das ist nicht so. Ich möchte dazu ein Beispiel nennen.

Nach T-Online ist AOL Deutschland der größte Internetanbieter. Vor vier Jahren hat diese Gesellschaft in Deutschland begonnen. Sie beschäftigt heute etwa 1100 Mitarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland. Von diesen 1100 sind etwa 800 – man höre und staune – ausschließlich in der Kundenbetreuung tätig, also in einem Bereich, den wir als Dienstleistungssektor bezeichnen, und nur der Rest, etwa ein Drittel, ist für Verwaltung oder das Web-Design zuständig. Neben denen, die als Informatiker, Techniker oder Ingenieure tätig sind, gibt es also eine ganze Reihe von Berufen, die an traditionelle Berufsfelder anknüpfen. Ich möchte ein weiteres Beispiel nennen; es fußt auf den Erfahrungen der letzten Wochen. Wir haben im letzten Jahr in den USA eine Entwicklung verfolgen können, die dazu führte, dass mittlerweile etwa 25 Prozent aller Haushalte ihren täglichen Bedarf über das Internet bestellen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es erst wenige Firmen, die die sich daraus ergebenden Chancen nutzen. Dazu zählt beispielsweise das große Versandhaus Otto, das sich als Erstes mit diesen neuen Möglichkeiten beschäftigt hat. Wenn es stimmt, was ich gelesen habe, ist dieses große Versandhaus das einzige, das im letzten Jahr einen gehörigen Umsatzzuwachs erzielte. Das Gleiche gilt für einen Lebensmittelanbieter, der zu Weihnachten ebenfalls eine Bestellmöglichkeit via Internet mit einer Lieferung am nächsten Tag und einer Zustellgebühr in Höhe von 10 DM seinen Kunden angeboten hatte. Er ist, wie ich hörte, regelrecht von Kunden überrannt worden, die ihren täglichen Bedarf auf diese Weise abdecken wollten. Die Entwicklung kommt also in Gang. Wir liegen aber noch weit hinter dem zurück, was woanders bereits Standard ist.

Mit dieser Entwicklung sind aber auch Nebeneffekte verbunden. So besteht selbst im Bereich der Zustelldienste die Möglichkeit, dass künftig neue Berufe entstehen und Einsteiger die Chance haben, ebenfalls an der Entwicklung teilzunehmen. Durchaus erfreut war ich, dass die Bundesregierung in ihrem Bericht das IuKDG oder Multimedia-Gesetz nach zwei Jahren insgesamt als gut bewertet. Dieses Gesetz, das übrigens federführend von Jürgen Rüttgers in der vergangenen Legislaturperiode auf den Weg gebracht wurde, (Beifall bei der CDU/CSU) stellt sich nun als so gut heraus, dass die Bundesregierung in ihrem Zwischenbericht nicht einmal die Empfehlung ausspricht, Änderungen rasch auf den Weg zu bringen. Es gibt zwar einige Dinge, die sie theoretisch auf den Weg bringen möchte; aber sie nennt dafür keine Termine. (Jörg Tauss [SPD]: Rechtssicherheit wollen wir herstellen!) – Herr Tauss, ich weiß, dass Sie einer derjenigen sind, der darauf drängt. Es ist in einigen Bereichen in der Tat notwendig nachzubessern. Nicht umsonst hat der Bundestag im Sommer 1997 festgelegt, er wolle nach zwei Jahren einen Zwischenbericht haben und werde nach Auswertung des Zwischenberichts Überlegungen darüber anstellen, welche Konsequenzen aus den Erfahrungen gezogen werden müssen. Meine Damen und Herren, in einem Punkt sind wir uns in der Union einig – von einigen Mitgliedern der Regierungskoalition wurde gesagt, dass dies auch für sie gelte –: Im Hinblick auf die Medien stellen die Regulierungsinstitutionen einen Hemmschuh dar. Wir müssen daher ohne Denkverbote an eine Reform der Landesmedienanstalten herangehen. Angesichts der Tatsache, dass der einzelne Antragssteller dort bis zu 15- oder 16-mal bestimmte Hindernisse zu bewältigen hat, ist es schon erstaunlich, wie weit wir heute schon sind. Aber wir könnten sehr viel weiter sein und die Entwicklung der neuen Medien sehr viel schneller vorantreiben, wenn es diese Bürokratie in den Ländern nicht gäbe. (Beifall des Abg. Walter Hirche [F.D.P.]) Wir müssen sie auf einen modernen Stand bringen. Damit sage ich nichts gegen die im Übrigen positive Struktur in der Bundesrepublik Deutschland.

Meine Damen und Herren, zwischen IuKDG und MDStV und dem, was die Arbeit der Medienanstalten ausmacht, gibt es etwas, was uns Sorgen macht. Im Hinblick auf Teledienste und die allgemeine Medienversendung muss die Schnittstelle definiert werden. Dies geschieht vielfach durch Gerichte. Aber das ist zu wenig; darauf können wir uns nicht stützen. (Zustimmung des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Wir müssen hier eine Lösung finden. Das Gleiche gilt in der Gesetzgebung für das, was bezüglich der Hyperlinks in einem Urteil abzulesen war: Einer der Anbieter wurde für Inhalte verantwortlich gemacht, für die er nicht verantwortlich gemacht werden konnte. Gott sei Dank wurde dies im Berufungsverfahren zurechtgerückt. Aber in der Gesetzgebung muss darauf geachtet werden, dass die Anbieter im zweiten Hyperlink nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Das stellt ein erhebliches Hemmnis dar; hier ist eine Änderung notwendig. Im Hinblick auf den Datenschutz dürfen wir nicht zu einer Überregulierung kommen; wir sollten möglichst sogar zu einer nur geringen Regulierung kommen. Es kann nicht sein, dass dem Einzelnen vorgeschrieben wird, dass er nicht irgendwelche Anbieter beauftragen dürfe, ihm zu irgendeinem Thema Angebote zukommen zu lassen. Das muss in der Entscheidungskompetenz des Einzelnen liegen. Dazu brauchen wir keinen Datenschutz. Der Staat hat das Konsumverhalten des Einzelnen nicht zu regulieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. – Das Gleiche gilt, meine Damen und Herren, für die Preisauszeichnung. Ich halte es für ein positives Phänomen, dass es in den USA seit einigen Jahren Versteigerungen über das Internet gibt. So etwas beginnt bei uns inzwischen auch. Dies zeigt, dass eine Preisauszeichnungspflicht illusorisch wäre. Abschließend weise ich darauf hin, dass das, was die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag erreichen wollen, noch einmal überdacht werden sollte.

Vizepräsident Rudolf Seiters: Herr Kollege Müller, ich bitte Sie, jetzt doch zum Schluss zu kommen. Sie haben Ihre Redezeit bereits erheblich überschritten.

Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Sie dürfen nicht heute schon sagen, dass alles reguliert werden soll. Wer alle Risiken ausschließen will, schließt auch alle Chancen aus. (Beifall bei der F.D.P.) Dieser Antrag der Koalition ist wirklich fehl am Platze. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Als letzte Rednerin in dieser Debatte spricht nun die Kollegin Monika Griefahn für die SPD-Fraktion.

Monika Griefahn (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte die gemeinsame Euphorie für die neuen Medien am Anfang des neuen Jahrtausends für ganz erfrischend. Ich will aber auf einen Punkt hinweisen: Als ich 1990 mein Ministerium in Niedersachsen – Sie, Herr Hirche, waren dort sehr aktiv, um die Dinge voranzubringen – übernommen habe, habe ich Abteilungen vorgefunden, die verschiedene Computersysteme hatten, die also noch nicht einmal Disketten austauschen konnten, um zum Beispiel Papiere abzugleichen. Auf der anderen Seite habe ich in einer Nichtregierungsorganisation schon 1983 ein vernetztes Kommunikationssystem eingeführt. Insofern kann man nicht sagen, Herr Hirche, bei Ihnen in Niedersachsen sei schon alles prima gelaufen. Die neuen Herausforderungen, mit denen wir uns in der Medienpolitik im 21. Jahrhundert beschäftigen, beschränken sich eben nicht nur auf die Schaffung des Ordnungsrahmens, der hier schon mehrfach angesprochen worden ist. Deshalb denke ich – ich möchte in diesem Zusammenhang den Kollegen Fell unterstützen –, dass es auch um die beiden gesellschaftlichen Leitbilder gehen muss, wie sie in unserem Antrag "Strategie für eine Nachhaltige Informationstechnik" dargestellt sind.

Es geht zum einen um die nachhaltige Entwicklung, über die wir schon vorhin diskutiert haben, und es geht zum anderen darum, die Informationsgesellschaft damit so zu verbinden, dass sowohl ihre Entwicklung als auch die nachhaltige Entwicklung weltweit politisch und wirtschaftlich möglich sind. Wir müssen sozusagen den Rahmen vorgeben und klare Definitionen setzen. Es ist wichtig, dass uns dieser Prozess nicht entgleitet; ansonsten wären wir überflüssig und wir bräuchten kein Parlament mehr. Ich denke, darin liegt unsere Aufgabe. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die in der Debatte über die Informationsgesellschaft und über die neuen Medien viel strapazierten Begriffe wie Multimedia, Wissensgesellschaft, virtuelle Welten, Datenautobahn, Internet und E-Mail schweben noch für viele Menschen – das haben wir auch an den Prozentzahlen gesehen, die hier mehrfach genannt worden sind; Hubertus Heil hat von den 9 Prozent gesprochen, die heute an das Internet angeschlossen sind – sozusagen im Cyberspace.

Wenn man sieht, dass auch gestandene Intellektuelle wie Hans Magnus Enzensberger meinen, es handele sich um die digitalen Evangelisten, die sich jetzt in den Vordergrund schieben, dann muss man die vorgebrachten Argumente zumindest ernst nehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Unser Aktionsprogramm leistet dies und trägt zur Aufklärung bei. Aber ich denke, dass Hans Magnus Enzensberger Recht hat – der Kollege von der PDS hat das ebenfalls vorhin gesagt –: Wer Cybersex für Liebe hält, der ist reif für die Psychiatrie. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das kann ich nur bestätigen. Ich denke, dass wir unsere Kommunikation und unseren Umgang miteinander nicht nur auf das Internet und die Computertechnik beschränken können; wir müssen auch noch etwas direkt miteinander zu tun haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, für den diese Bundesregierung etwas tut. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Vor lauter Sex haben Sie die Geschlechter durcheinander gebracht! Das war eine Frau Kollegin von der PDS!) – Nein, es war eindeutig Herr Seifert, der diesen Punkt in einer Zwischenfrage angesprochen hat.

Was in der öffentlichen Debatte bei aller Euphorie ebenfalls zu kurz kommt, ist der Aspekt der Verträglichkeit angesichts der Vielfalt der neuen Geräte, die man sich anschaffen muss. Damit wird eine weitere Herausforderung an uns gestellt; denn es reicht nicht aus, nur einen PC zu besitzen. Man braucht auch noch ein Modem, einen Drucker und vielleicht noch zusätzlich ein Faxgerät. Das heißt: Man braucht zusätzliche Geräte, die neue Ressourcen verschwenden und Energie verbrauchen. Frau Caspers-Merk hat heute Morgen in der Debatte zur Nachhaltigkeit deutlich gesagt, dass wir in unserer technisierten Welt mehr Energie in Form von Strom und Wärme verbrauchen und nicht weniger. Den Umschwung haben wir noch nicht geschafft. Darin liegt die Herausforderung. (Beifall bei der SPD und der PDS)

Es reicht eben nicht, beispielsweise Verordnungen zur Entsorgung von Elektronikgeräten und Altautos zu erlassen, wie sie vor Jahren diskutiert wurden. Es reicht auch nicht, einzelne Produkte ein bisschen effizienter zu machen. Es geht vielmehr darum, auch neue Vorstellungen und Visionen zu entwickeln, die uns helfen, das Bewusstsein dahin gehend zu verändern, dass Multimedia und Ökologie eine Einheit bilden. Es darf nicht sein, dass sich die einen nur um Multimedia und die anderen nur um Ökologie kümmern. Diese beiden Bereiche müssen sozusagen organisch zusammenhängen. Das fängt eben bereits in der Ausbildung an, und zwar schon im Kindergarten. Herr Kollege Fell hat ja darauf hingewiesen, dass die Kinder heute zum Beispiel denken, die Spaghettis wachsen auf den Bäumen. Die Kinder kennen mehr Automarken oder mehr Internet-Adressen als zum Beispiel Pflanzennamen. Ich glaube, beides ist notwendig, um Produkte so zu entwickeln – wie wir es schon 1992 gemeinsam mit der Firma Hewlett-Packard getan haben –, dass Computer aus einem einzigen Material bestehen und nicht geklebt oder geschraubt, sondern nur gesteckt werden und auseinander genommen werden können. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben Probleme!)

Die Menge dessen, was trotz immer kleiner werdender elektronischer Geräte weggeschmissen wird, belastet unsere Umwelt doch in höchstem Maße, einmal durch den Ressourcenverbrauch und zum Zweiten durch die Materialien, die dann in der Umwelt landen. Unterschätzen Sie das nicht: Wenn die Ressourcen weg sind, dann ist es zu spät. Deshalb müssen wir jetzt die Designer, die Architekten, die Menschen, die solche Produkte konstruieren, erst so ausbilden, dass sie sagen: Wir machen ein schickes Gerät, wir machen ein ökologisches Gerät und wir machen das, was Hartmut Vogtmann, der neue Chef des Bundesamtes für Naturschutz, gesagt hat: Wir kommen aus der Verbotsecke raus, es muss Spaß machen, mit den neuen Geräten im Internet zu sein. – Beides gehört zusammen und das ist, so glaube ich, der entscheidende Punkt. Dafür wollen wir uns mit unserem Antrag einsetzen. Die Bundesregierung hat dies aufgenommen. Dazu gehört natürlich auch noch, dass wir es gleichzeitig hinkriegen, dass der Missbrauch dieser Medien durch Rechtsextremismus, durch organisierte Kriminalität, durch Pornografie verhindert wird. Auch das ist unser Job, den wir nicht unterschätzen dürfen.

Vizepräsident Rudolf Seiters: Frau Kollegin Griefahn, Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.

Monika Griefahn (SPD): Ja, okay, nur noch ein Satz. – Die Euphorie der Zusammenbindung, der Zusammenschluss von AOL und Time Warner wurde eben erwähnt. Dazu kann ich nur meinen ehemaligen Kollegen aus dem Bundestag, Peter Glotz, zitieren, der gestern dazu sagte: Eigentlich passen die nicht zusammen; das ist ein Zusammenschluss wie eine Ehe zwischen Seehund und Hund. (Heiterkeit bei der Abg. Dr. Elke Leonhard [SPD]) Das kann eigentlich nicht die alleinige Zielperspektive sein, vielmehr müssen wir zum Ziel haben, dass die kleinen und vielfältigen Einheiten erhalten bleiben; denn dies schafft Arbeitsplätze. Dies ist etwas, was mit diesen ganzen Initiativen, die im Aktionsprogramm genannt werden, auch vorangebracht wird. Ich bin dafür auch sehr dankbar. (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Rudolf Seiters: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/1191, 14/1776, 14/2362 und 14/2390 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.



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