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Mit dieser Dokumentation wird garantiert, daß dieser (hier zusätzlich durch Links kommentierte) Text auch noch in Jahren im Internet lesbar ist. Damit man später einmal nachlesen kann, warum Deutschland die großen Chancen des Internets nicht rechtzeitig zu nutzen wußte. Zudem basiert dieser c't-Artikel auf der dokumentativen Vorarbeit der "t-off" seit 1994. Alle hier angegebenen Links (Ausnahme Pacific Bell und dz) sowie die Anmerkungen [Ed: ...] wurden von der Redaktion der "t-off" zugefügt. Die Grafik zum Optionstarif "City-Plus" wurde in Web-gerechter Form neu angefertigt.
Inhalt:
- Wegezoll auf deutschen Infobahnen.
- Schlecht beraten.
- Absahnen im Ortsnetz.
- Gebühren-GAU.
- Warenkörbe und Vergleiche.
- Kosten und Wirkung.
- Massive Behinderung:
- Online-Kosten analog (Tabelle).
- Online-Kosten ISDN (Tabelle).
- Fazit.
- Kasten 1 dazu: Melkmaschine Telekom.
- Kasten 2 dazu: Telekom-Rabatte stehen kopf.
- Kritik anderer an Deutschlands Internet-Politik.
Michael Wilde
Überdreht
Wegezoll auf deutschen Infobahnen
Bonn, an einem hypothetischen Montag vormittag: Ron Sommer, Chef der Telekom, lehnt sich zurück, die Zeit auf seiner Seite wissend. Wer nicht anders kann, als jetzt zu telefonieren, mehrt die Einnahmen von Sommers Unternehmen selbst bei Ortsverbindungen pro Stunde um 4,80 DM.
Der Autor dieses Artikels kann nicht anders. Wie viele andere Telearbeiter ist er auf die Telekom-Leitung als Auffahrt zur Infobahn angewiesen. Zu dieser Tageszeit sollte man ihn nicht ansprechen. Gereizt nimmt er das Ticken der Uhr wahr, während er den Browser von einem Link zum nächsten hetzt. Pro Monat zahlt er für die Informationsquelle Internet meist rund 500 Mark. Nur 35 Mark davon entfallen an den Internet-Provider, der Rest geht an die Telekom.
Beziehen Fachleute zu den Online-Kosten in Deutschland Stellung, so fällt ihr Urteil meist niederschmetternd aus. Debitel-Geschäftsführer Joachim Dreyer nutzte Anfang Oktober das Symposium "Globaler Aufbruch in die Informationsgesellschaft" des CDU-Wirtschaftsrats für ein deutliches Statement. Für ihn sind die im internationalen Vergleich immer noch zu hohen Kosten für den Online-Zugang der Grund, warum Deutschland bei der Nutzung des Internet noch weit hinter anderen Ländern herhinkt.
Ähnlich tadelte Informatik-Professor Werner Zorn auf dem Deutschen Internet-Kongreß in Düsseldorf: "In Deutschland wurde die Internet-Entwicklung nicht verschlafen, sondern sehenden Auges ignoriert, unterschätzt, für unmöglich gehalten, bekämpft, behindert und verteufelt."
... ein Vormittag in San Jose, Kalifornien. c't-Korrespondentin Sabine Cianciolo recherchiert zügig, aber gelassen. Die ausgiebige Surf-Partie zieht sich über Stunden hin, und die Ausbeute kann sich sehen lassen. Die Surf-Kosten bekümmern sie nicht. Der Internet-Anbieter läßt sich für seine Dienste mit 19,95 Dollar bezahlen, und alle Ortsgespräche sind mit der Grundgebühr von 12 Dollar abgegolten.
Schlecht beraten
Solche Pauschaltarife [Ed: Flat-rates] gibt es bei der Telekom nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben. Es handele sich angesichts der Netzbelastung um eine "Sackgasse", so Ron Sommer [Ed: aber Top-Manager aus den USA sehen das anders und schon wegen der attraktiven Konkurrenz der Internet-Standleitung via TV-Kabelnetz können in den USA die Flat-rates beim Telefon nicht aufgegeben werden. Und wem gehört in Deutschland das TV-Kabelnetz?]. Er kündigte zwar vor Wochen eine durchschnittlich fünfprozentige Preissenkung an, aber der Surfer-Traum von einer durch den Wettbewerb bedingten Preissenkung platzte wie eine Seifenblase: "Je länger und je weiter man telefoniert, desto stärker wird der Preis sinken." So wird sich die Senkung eher bei Ferngesprächen auf die Bahamas als bei Ortsverbindungen auswirken.
Schließlich sind es gerade die Surfer, denen die Telekom seit fast zwei Jahren ungeniert in die Tasche greift [Ed: Auswirkung der "Tarifreform 96" auf die Online-Dienste]. Als bei der schrittweisen Liberalisierung die Großkunden mit dem Absprung zur Konkurrenz drohten, wurden sie mit kräftigen Rabatten beruhigt. Die Privatkunden und kleinen Unternehmen hatten dagegen keine Alternative. Entweder sie schluckten die bis 150prozentige Preiserhöhung im Ortsbereich oder sie gaben das Telefonieren vollständig auf.
Den Großen Rabatte einzuräumen und die Kleinen zu schröpfen riecht zwar nach Quersubventionierung, doch die scheint selbst nach Meinung der Kritiker nicht vorzuliegen. Nach einer Studie der Verbandes der Telekommunikationsnetz- und Mehrwertdiensteanbieter VTM arbeitet die Telekom in allen Bereichen kostendeckend. Nur: im Ortsnetz verdient sie überdurchschnittlich.
Absahnen im Ortsnetz
Beim Abbau der rund 100 Milliarden Mark Schulden bat T-Monopol ausgerechnet diejenigen am meisten zur Kasse, die sich am wenigsten wehren können. Auch mit der in einigen Wochen vollzogenen vollständigen Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes wird sich daran zunächst nicht viel ändern, denn der rosa Riese versucht mit allen Mitteln, seine Milchkühe unter Kontrolle zu halten.
Selbst wenn demnächst auch dem Normalbürger ein Privileg eingeräumt wird, das den Konzernen schon lange Zeit offensteht, werden sie möglicherweise gar keinen Anreiz finden, die Telefongesellschaft zu wechseln. Die Telekom hat es bisher jedenfalls verstanden, die Weichen so zu stellen, daß der Ortszugang für die Konkurrenz zumindest kein sehr kleiner Posten in der Kalkulation ist. Erfreulich für den Surfer ist allenfalls, daß sie ihre Preisvorstellungen nicht unbesehen durchgesetzt hat.
Noch tobt ein erbitterter Kampf um die beste Ausgangsposition beim Endkunden [Ed-29.10.1997: wo tobt denn da ein Kampf um den Endkunden?], doch ein langwieriger Prozeß geht in seine Endphase. Der Aufforderung der Regulierungsbehörde, den Wettbewerb durch die Unterbreitung bestimmter Angebote vorzubereiten, kam die Telekom nur so träge nach, daß es Beschwerden von der Konkurrenz hagelte. Doch die Verzögerungstaktik und gerichtlichen Scharmützel haben sich nur zum Teil ausgezahlt.
Gar von "Enteignung" sprach Ron Sommer noch im Juli, als das Bundespostministerium unter Androhung eines Bußgeldes von bis zu einer Million Mark die Aktiengesellschaft angewiesen hatte, den Mitbewerbern Angebote für den geforderten "entbündelten Zugang" zu unterbreiten. Das werde man nicht zulassen, ließ er sich in der Presse zitieren. Und da die Telekom ohnehin ständig an mehreren juristischen Fronten kämpft, bemühte sie das Oberverwaltungsgericht Münster. Ohne Erfolg, denn dort war man eher geneigt, der Position des Ministeriums zuzusprechen. Die Telekom zog daraufhin ihre Klage zurück [Ed: nicht ganz, nur im Eilverfahren. In der Hauptsache klagt die Telekom weiter].
In der letzten Phase der Liberalisierung dreht sich alles um die jeweils "letzte Meile" zu den rund 42 Millionen deutschen Telefonanschlüssen. Die Telekom-Konkurrenten wären keine, wenn sie jetzt ihre eigenen Leitungen zu den Kunden legen müßten Erdarbeiten sind teuer und zeitaufwendig. Daher dürfen sie die Leitungen des Ex-Monopolisten benutzen. Nur die Konditionen standen lange Zeit nicht fest [Ed: und sollen nun schon wieder verändert werden].
Gebühren-GAU
Die Telekom wollte den Mitbewerbern die einzelnen Drähte nur im Bündel mit Vermittlungs- und Übertragungsdiensten anbieten. Da die Preise entsprechend hoch ausfielen, hätte sie im Ortsbereich weiterhin die Preise auch für den Endkunden vorgegeben. Nach Presseberichten verlangte die Telekom bis zu sechs Pfennig pro Minute.
Bundespostminister Wolfgang Bötsch legte nach einer Beschwerde der Telefongesellschaft o.tel.o jedoch für dieses Unternehmen einen Durchschnittspreis von 2,7 Pfennig fest. Daran werden sich für die nächsten zwei Jahre alle anderen Tarife orientieren müssen. Mannesmann Arcor beispielsweise muß je nach Entfernung und Uhrzeit zwischen 1,24 und 5,14 Pfennig pro Minute zahlen.
Damit liegen auch die Preise fest, die ein Konkurrent an die Telekom zahlen muß, wenn einer seiner Kunden in der City-Zone telefoniert. Zwischen 9:00 und 21:00 Uhr sind es 1,97 Pfennig pro Minute (1,18 DM pro Stunde). Die Telekom verlangt in dieser Zeit von ihren Kunden übrigens zwischen 2,88 DM und 4,80 DM pro Stunde. Noch vor knapp zwei Jahren lag der Preis zwischen 1,15 DM und 2,30 DM pro Stunde.
Für die Abend- und Nachtstunden (21:00 bis 9:00 Uhr) zahlt Mannesmann Arcor 1,24 Pfennig pro Minute (0,74 DM pro Stunde). Die Telekom verlangt zur Zeit zwischen 1,80 DM und 2,88 DM pro Stunde. Zwei Jahre zuvor waren es noch 1,15 DM.
Nach Bekanntgabe dieser Zahlen sprach Telekom-Chef Sommer von einem Milliardenschaden (die T-Aktie erlitt einen Schwächeanfall) zuvor gelang es der Telekom aber offenbar nicht, brauchbare Kostenunterlagen vorzulegen. Das Postministerium mußte die Tarife anhand eines internationalen Tarifvergleichs ermitteln.
Warenkörbe und Vergleiche
Doch damit kann man praktisch alles und nichts beweisen je nachdem, welche Länder und Leistungen darin auftauchen. Selbst die nach Meinung der Telekom viel zu niedrigen Preise liegen immer noch deutlich über denen anderer Länder. So betragen sie in Großbritannien und Frankreich rund 2 Pfennig (verglichen mit dem deutschen Durchschnittswert von 2,7 Pfennig) und in den USA gar nur einen Pfennig. Da in letzter Minute jedoch auch Länder mit höheren Preisen in den Vergleich aufgenommen wurden (Italien), stieg der Durchschnitt.
Die Kritik an den Preisen der Telekom ist nicht neu, und Untersuchungen untermauern sie immer wieder. Es ist nach der Telekom-Gepflogenheit, sich eigene Studien schreiben zu lassen, allerdings müßig, sie im einzelnen darzulegen. Als Antwort winken dem Leser ohnehin nur Gutachten der Professoren Horst Albach (Bonn), Günter Knieps (Freiburg) und John Panzar (Evanston/USA). Sie erklären, daß die Betreiberkosten für den Ortszugang in Deutschland auf Höhe der Ortstarife in den USA und England liegen. Prompt wirft die Telekom den amerikanischen Telefongesellschaften Quersubventionierung vor.
Unternehmen, die sich über zu hohe Preise bei den Mietleitungen beklagen, bedient die Telekom mit einer anderen Studie, die sie ebenfalls selbst bestellt hat. Die englische Consulting-Firma Ovum bescheinigt darin, daß die Telekom im Mittelfeld liege.
Kosten und Wirkung
Doch welche Ergebnisse zeigen die "marktgerechten" Preise, die für den Endkunden seit Januar 1996 gelten? Nach Untersuchungen der OECD vom Januar 1997 (Internet Hosts per 1000 Inhabitants) liegen die skandinavischen Länder, Nordamerika, Australien, Neuseeland und die Nachbarländer Österreich und die Schweiz beim Ausbau des Internet bezogen auf die Einwohnerzahl vor der Bundesrepublik [mehr]. Daß Deutschland aufgrund seiner Größe bei solchen Vergleichen schlecht abschneiden muß, kann man nicht gelten lassen, wenn ganze Kontinente bessere Werte aufweisen. Auch die Hoffnung, inzwischen dürfte Deutschland deutlich aufgeholt haben, trügt, denn ein Jahr zuvor bot sich das gleiche Bild. [Ed: und bei den Internet- Zugangskosten liegt nach den seriösen OECD-Erhebungen Deutschland auf Platz 20!].
Wem die OECD-Zahlen suspekt sind, greife zu denen der internationalen Fernmeldeunion ITU, die auf der Telecom Interactive 97 im September veröffentlicht wurden. Im letzten Jahr kamen demnach auf eine Million Einwohner in Deutschland 8.700 Internet-Anschlüsse in den USA 38.000 und in Finnland 55.000.
Bei den bisher durch Telekom-Rabatte und freien Wettbewerb bevorzugten Großfirmen bietet sich dagegen ein anderes Bild. Sie liegen in der Internet-Benutzung laut einer IBM-Studie in Europa an führender Position. Im April nutzten bereits 75 Prozent von ihnen das Internet. Treffend beklagte jedoch der Vorsitzende der Geschäftsführung der IBM Deutschland, Hermann-Josef Lamberti, noch im August, daß zwar die technologischen Voraussetzungen hervorragend, die Datenbahnen aber verwaist seien.
Die Beteuerung, daß sich der Ausbau des Internet in Deutschland in Riesenschritten vollziehe, ist praktisch hohl, wenn sich das Wachstum im Vergleich als eher durchschnittlich erweist.
Um Deutschland bei der Internet-Benutzung in eine Spitzenposition zu bringen, müssen vor allem die Telefonkosten für den Endanwender fallen. Der schon zerredete Wirtschaftsstandort mit seinen vermeintlichen "strukturellen" Problemen erhebt bisher einen Wegezoll, den er sich auf dem Weg in die Informationsgesellschaft nicht leisten kann.
Massive Behinderung
Um die Kostenunterschiede beim Internet-Zugang zwischen den USA und Deutschland zu verdeutlichen, haben wir einen typischen US-Tarif mit sinnvollen Gegenstücken hierzulande verglichen.
Als Beispiel für eine US-Telefongesellschaft wählten wir Pacific Bell und legten die Tarife zugrunde, die unsere US-Korrespondentin Dr. Sabine Cianciolo im kalifornischen San Jose bezahlt. Die Details der Tarife lassen sich auf der Website der Telefongesellschaft nachlesen. [Ed: und noch mehr USA und sogar in Thailand, einem Schwellenland (!), ist es wesentlich billiger].
Für einen Analoganschluß sind pauschal 12 US-Dollar monatlich fällig (residential flat rate). Darin enthalten sind alle Ortsgespräche. Ein ISDN-Anschluß kostet 24 Dollar monatlich und enthält ebenfalls alle Ortsverbindungen. Analoge Internet-Zugänge sind in den USA flächendeckend für pauschal 19,95 Dollar zu haben. Wer über ISDN surfen will, zahlt beispielsweise 29,95 Dollar inklusive 30 Freistunden. Reicht diese Online-Zeit nicht aus, wechselt man ebenfalls auf einen Pauschaltarif, der dann mit 50 Dollar zu Buche schlägt. Während der Erstellung dieses Artikels pendelte der Dollar um 1,76 DM.
Wir unterstellen drei grundlegende Benutzertypen: der Gelegenheitsnutzer, der monatlich fünf Stunden im Internet verbringt, der Standard-Nutzer mit 20 Stunden und der Power-User mit 100 Stunden. Letzterer dürfte im Gegensatz zu den USA in Deutschland noch eine Seltenheit sein. Freiberufliche Journalisten, die Berechnungen wie diese erstellen, erreichen auch in Deutschland regelmäßig diese Größenordnung.
Die Telefonkosten sind für alle Benutzertypen gleich. Die Grundgebühr beträgt für den analogen Anschluß 24,60 DM und für den ISDN-Anschluß 46 DM. Im City-Bereich gibt es drei Zeitzonen, wobei wir nur die billigste und die teuerste betrachtet haben. Abgesehen von Sondertelefonnummern wie 0130 oder 0180x (bei letzteren wird der Angerufene zur Kasse gebeten), gibt es in Deutschland keine einstündige Ortsverbindung unter 1,80 DM. Dieser Tarif gilt unter anderem an Werktagen zwischen 21:00 Uhr und 5:00 Uhr. Tagsüber schnellen die Kosten auf bis zu 4,80 DM pro Stunde hinauf.
Wir unterstellen weiterhin, daß die Verbindungen am Stück erfolgen, also keine Verluste durch bezahlte, aber nicht vollständig verbrauchte Einheiten entstehen. Diese würden die Verbindung auf deutscher Seite noch mehr verteuern. Die längste Tarifeinheit in Deutschland dauert 240 Sekunden und kostet auch dann 12 Pfennig, wenn nur eine Sekunde davon in Anspruch genommen wird. Sehr kurze Gespräche kosten unterm Strich also mehr als lange.
An Rabatten kommt bei diesen Betrachtungen nur City-Plus in Frage, der sich nur tagsüber auswirkt und bei unseren Beispielen erst bei der Benutzung von 20 und 100 Stunden sinnvoll wird. City-Plus verbilligt die ersten 10 Stunden um 50 Prozent. Die restlichen Gespräche laufen zu normalen Konditionen.
Die Kosten für den Internet-Provider sind entweder pauschal für unbegrenzte Nutzung oder zeitabhängig möglich. Der Gelegenheitsnutzer (5 Stunden) fährt besser, wenn er zeitabhängig abrechnet. Der Pauschaltarif eignet sich hingegen für den Power-User (100 Stunden).
Wir haben beim analogen zeitabhängigen Zugang den Online-Dienst AOL gewählt, der 9,90 DM Grundgebühr (inklusive zwei Freistunden) und 6 DM für jede weitere Stunde verlangt. Pauschale Internet-Zugänge sind bei diversen ISPs bereits für 35 DM monatlich erhältlich.
Beim ISDN-Zugang wählten wir als zeitabhängigen Provider T-Online, der neben einer monatlichen Grundgebühr von 8 DM neuerdings tagsüber 4,80 DM pro Stunde und in der restlichen Zeit 3,00 DM verlangt. Für den pauschalen Zugang wählten wir das Microsoft Network, über das für 49,00 DM pro Monat ein UUNet-Zugang erhältlich ist.
Die ISDN-Grundgebühren liegen deutlich höher als beim analogen Zugang und sind sogar teurer als in den USA, das bekanntlich in der ISDN-Verbreitung Deutschland hinterherhinkt. Beide enthalten übrigens zwei Anschlüsse. Die zeitabhängigen Gebühren in Deutschland sind identisch mit denen bei Modem-Verbindungen.
Auf analoger Seite vergleichen wir alle Kosten mit einem Pauschalangebot für den unbegrenzten Internet-Zugang von zusammen 31,95 Dollar. Auf der ISDN-Seite vergleichen wir den unbegrenzten US-Zugang mit dem deutschen Power-User. In den beiden anderen Fällen kommt der Zugang mit 30 Freistunden ins Spiel. Für einen Gelegenheitsnutzer ist dieser jedoch immer noch sehr üppig bemessen, denn er benötigt nur ein Sechstel dieser Kapazität.
Bis auf eine Ausnahme liegen alle Kosten in Deutschland höher als in den USA. Der Power-User zahlt beim Modem-Einsatz über 800 Prozent mehr als der US-Bürger. Selbst beim ISDN-Einsatz muß er mehr als das Vierfache zahlen. Je intensiver ein deutscher Anwender das Internet nutzt, desto teurer wird es im Vergleich zu den USA.
Die Privatkundenrabatte der Telekom zeigen in unseren Berechnungen nur eine sehr bescheidene Wirkung. Für den Gelegenheits-Surfer sind sie unnütz. Der Standard-Nutzer (20 Stunden) spart in der ISDN-Version weniger als 13 Prozent (167 DM statt 191 DM) selbst wenn er die maximale Ersparnis der Telekom in Anspruch nimmt. Den Power-User (100 Stunden) entlastet die Telekom mit ihrem "Rabatt" nur um 4 Prozent (551 DM statt 575 DM).
O n l i n e - K o s t e n a n a l o g U S A Provider 35,11 DM (19,95 $) pauschal Telefon 21,12 DM (12 $) pauschal [ Ed: ohne Flat-rate ca. 37 DM Summe 56,23 DM (31,95 $) pauschal bei 100 Online-Stunden ] Deutschland AOL Internet-Provider 5 Stunden billigst Provider 27,90 DM Telefon 9,00 DM + 24,60 DM Summe 61,50 DM + 9 % 5 Stunden tagsüber Provider 27,90 DM Telefon 24,00 DM + 24,60 DM Summe 76,50 DM + 36 % 20 Stunden billigst Provider 117,90 DM 35,00 DM Telefon 36,00 DM + 24,60 DM 36,00 DM + 24,60 DM Summe 178,50 DM + 217 % 95,60 DM + 70 % 20 Stunden tagsüber Provider 117,90 DM 35,00 DM Telefon (City-Plus) 72,00 DM + 24,60 DM 72,00 DM + 24,60 DM Summe 214,50 DM + 281 % 131,60 DM + 134 % 100 Stunden billigst Provider 35,00 DM Telefon 180,00 DM + 24,60 DM Summe 239,60 DM + 326 % 100 Stunden tagsüber Provider 35,00 DM Telefon (City-Plus) 456,00 DM + 24,60 DM Summe 515,60 DM + 816 %
O n l i n e - K o s t e n I S D N U S A Provider 52,71 DM (29,95 $) 88,00 DM (50 $) 30 Stunden pauschal Telefon 42,24 DM (24 $) Summe 94,95 DM (53,95 $) 130,24 DM (74 $) 30 Stunden pauschal Deutschland T-Online Microsoft Network 5 Stunden billigst Provider 15,00 DM + 8,00 DM Telefon 9,00 DM + 46,00 DM Summe 78 DM - 18 % 5 Stunden tagsüber Provider 24,00 DM + 8,00 DM Telefon 24,00 DM + 46,00 DM Summe 102,00 DM + 7 % 20 Stunden billigst Provider 60,00 DM + 8,00 DM 49,00 DM Telefon 36,00 DM + 46,00 DM 36,00 DM + 46,00 DM Summe 150 DM + 58 % 131 DM + 38 % 20 Stunden tagsüber Provider 96,00 + 8,00 DM 49,00 DM Telefon (City-Plus) 72,00 DM + 46,00 DM 72,00 DM + 46,00 DM Summe 222,00 DM + 134 % 167,00 DM + 76 % 100 Stunden billigst Provider 49,00 DM Telefon 180,00 DM + 46,00 DM Summe 275,00 DM + 111 % 100 Stunden tagsüber Provider 49,00 DM Telefon (City-Plus) 456,00 DM + 46,00 DM Summe 551,00 DM + 323 %
Fazit
Diese Kostenstruktur fördert die Internet-Nutzung in Deutschland nicht, sondern behindert sie massiv. Wer mehr als 500 DM pro Monat zahlen muß, dem geht ferner jegliches Verständnis für Sonntagsreden ab, in denen Politiker den Multimediastandort Deutschland beschwören nur wenige Mausklicks genügen, um sich davon zu überzeugen, daß der US-Bürger für dieselbe Leistung im Jahr sage und schreibe 5000 DM weniger zahlt.
Aber auch bei Kosten von 500 Mark monatlich ist der nächste Rettungsanker noch weit entfernt. Das erste vergleichbare Pauschalangebot wäre eine analoge Standleitung. Die kostet beispielsweise beim Deutschen Provider Network rund 1000 Mark pro Monat. Eine Ersparnis im Vergleich zum Zugang über das Wählnetz tritt erst bei über 200 Stunden pro Monat ein. Daß diesen Betrag kein Hobby-Etat hergibt, versteht sich von selbst. Aber auch das Small Business wird sich auf solche Kosten nicht einlassen.
Es gibt jedoch eine Position, in der ein deutscher Anwender im Vergleich zum US-Bürger vermeintlich 18 Prozent spart. Hauptsächlich ergibt sich dieser Effekt jedoch aus dem Vergleich mit einem völlig überdimensionierten US-Tarif, den der Amerikaner sicher umgehend in etwas passenderes ändern würde. Denn genau betrachtet zahlt der "sparsame" deutsche Gelegenheits-Surfer bei diesem Vergleich unterm Strich 15,60 DM pro Stunde Internet-Zugang. Und weil die Sache so "günstig" ist, darf er zudem an Werktagen erst ab 21:00 Uhr surfen. (dz)
Melkmaschine Telekom
Das bloße Stöbern in den Tarifunterlagen genügt, um die Absichten der jeweiligen Telefongesellschaft offenzulegen. Die Telekom bietet zwischen 2:00 und 5:00 Uhr bundesweit einen erstaunlich günstigen Tarif an. In den Regionen 50 und 200 sowie im Fernbereich kostet das Telefonieren nur 3,60 DM pro Stunde. Da die Leitungen ohnehin liegen und bei bestehenden Verbindungen genausoviel kosten wie im Leerlauf, machen solche "Angebote" Sinn. Unternehmen nutzen diese Zeiten gern, um Fax-Massensendungen abzusetzen.
Auch der Privatanwender könnte seinen Spaß daran haben. Wie wäre es mit einem dreistündigen Turteln mit der Freundin in der Fernzone bis zum Morgengrauen? Immerhin zum Rosarot-Tarif von 10,80 DM statt zum rabenschwarzen Vormittagstarif von 112,71 DM zu haben. Oder: Eine Stunde in der c't-Mailbox für 3,60 DM von jedem Ort der Bundesrepublik aus.
Doch wenn der Privatanwender sich diesen Luxus zeitlich leisten könnte am Wochenende , dann gilt der Tarif nicht. Unternehmen haben kaum Massensendungen zu schicken, die Leitungen liegen und kosten auch nicht mehr, wenn sie benutzt werden. Dennoch kassiert die Telekom vom Privatanwender am Wochenende das Vierfache: 14,40 DM statt 3,60 DM pro Stunde.
Telekom-Rabatte stehen kopf
Nur auf massiven Druck sichtlich irritierter Politiker, die ihren Wählern 1996 nicht erklären konnten, warum sie einer Gebührenerhöhung zugestimmt hatten [Ed: hatten sie ja gar nicht], die ein Ortsgespräch fast zum Luxusgut macht, und nicht zuletzt auf Intervention der EU schnürte die Telekom ein Rabattpaket. Paradoxerweise bestraft es den, der viel telefoniert.
Besonders an City-Plus, bei dem der Kunde 10 Stunden Telefonzeit zu maximal fünf verschiedenen Gegenstellen im City-Bereich für insgesamt 24 Mark kauft, scheiden sich die Geister. Je nach Telefonierverhalten schwankt der maximale Rabatt prinzipiell zwischen 50 und 17 Prozent für bis zu 10 Stunden.
Im Nachttarif, bei dem die Telekom ein Jahr vor der Einführung der Rabatte eine Gebührenerhöhung von 56 Prozent (von 1,15 auf 1,80 Mark pro Stunde) durchgedrückt hatte, gibt es gar keinen Rabatt. In den Abend- und frühen Morgenstunden, in denen die Erhöhung 150 Prozent (1,15 auf 2,88 Mark) betrug, greift nur ein Rabatt von 17 Prozent. Selbst in den Zeiten, in denen die maximale Ersparnis winkt, gibt es verglichen mit den Tarifen vor der Reform keinen Nachlaß. Denn damals stiegen die Preise um rund 109 Prozent (von 2,30 DM pro Stunde auf 4,80 DM).
Rabattprinzipien ungerecht: Selbst unter optimaler Nutzung des City-Plus- Tarifs wird die prozentuale Ersparnis um so niedriger, je länger man online ist.[Ed: Diese Grafik weicht von der der Originalpublikation ab. Sie wurde für diese Web-Präsentation neu berechnet und angefertigt, auch um einen Fehler aus der c't zu korrigieren. Denn der Kurvenverlauf der relativen Ersparnis unter 10 Stunden entspricht natürlich auch einer Hyperbel (Asymptote ist die Ordinate) und keiner Geraden].
Gerade die Protagonisten der Infobahn Power-User, Selbständige, Kleingewerbetreibende und Unternehmen, die deutlich mehr als 24 Mark im Monat im City-Tarif, aber weniger als mehrere tausend Mark auf der Gesamtrechnung haben benachteiligt der City-Plus-Rabatt. Wer viel surft, erhält weniger Rabatt. Bei den Großkunden steigt der Rabatt natürlich mit der Zunahme der Telefonrechnung.
Dieses Abschöpfen im Mittelstand scheint sogar politisch gewollt. So antwortete Elmar Müller, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Post und Telekommunikation der CDU/CSU-Fraktion, im März 1996 auf eine Anfrage zu den Telekom-Tarifen: "Dies erscheint zunächst merkwürdig, ist aber notwendig, damit eben nicht Großkunden zu Lasten der Privatkunden bis zu 50 Prozent Rabatt für Tausende von Gesprächen nutzen können."
Es bleibt allerdings ein Rätsel, warum diese Philosophie nicht durchgängig angewendet wird, sondern nur für die angeblichen "Großkunden" gilt, deren Telefonrechnung bei 500 Mark liegt. Echte Großkunden mit Rechnungen von 50.000 Mark und entsprechend deftigen Rabatten telefonieren demnach zu Lasten der Privatkunden.
Copyright Verlag Heinz Heise, Hannover. Stand: 24.10.1997
Kritik anderer an Deutschlands Internet-Politik in den Medien
Hier sind lediglich einige ausgewählte Links zu ausführlicheren Artikeln notiert:
- 14.01.1998: Berliner Zeitung: Die T-Men bitten zur Kasse.
- 05.07.1998: Welt am Sonntag: Teurer Internet-Zugang verhindert Innovationsschub.
- 25.08.1998: Report von Hendrik Levsen: Telekom-Regulierungg 1998.
- 29.10.1998: BILD: Surfen nur für Reiche?
- 28.12.1998: t-off: Wer hat schuld an Deutschlands Internet-Misere? (Roß & Reiter)
- Weitere Links sind zu finden in der Linksammlung "Internet".
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